Nach dem ADFC erklären jetzt auch die Leipziger Jusos, dass die Zielvorgaben der Stadt Leipzig für einen umweltverträglichen Verkehr und ihre tatsächlichen Finanzansätze im Haushaltsansatz für 2013 weit auseinander klaffen. Die veranschlagte halbe Millionen Euro für Radwegebau bleibt auch hinter den Absichtsbekundungen im Radverkehrsentwicklungsplan zurück.

Die Jusos Leipzig fordern deshalb eine Erhöhung des Haushaltsansatzes für den Radverkehr in Leipzig. Der Radverkehrsentwicklungsplan, der im Juni diesen Jahres im Stadtrat verabschiedet wurde, empfiehlt eine Investition von 5 Euro pro Mensch in Leipzig.

“So wichtige Festlegungen, wie sie im Radverkehrsentwicklung getroffen wurden, dürfen durch die Haushaltspolitik nicht unterlaufen werden”, formuliert Frank Franke, Vorsitzender der Leipziger Jusos das Anliegen.

Aus Sicht der Jusos ist durch die Steuermehreinnahmen auch ausreichend finanzieller Spielraum vorhanden, um die Haushaltserhöhung umzusetzen.

“Vor allem auch der dritte Platz Leipzigs beim Stadtradeln zeigt, dass das Fahrrad bei den Leipzigerinnen und Leipziger zu einem wichtigen Verkehrsmittel geworden ist. Die Stadt Leipzig steht in der Verantwortung, eine Infrastruktur nach System, so wie es der Radverkehrsentwicklungsplan fordert, zu schaffen”, sagt Franke.

Bisher ist im Haushaltsentwurf nur eine Summe von 500.000 Euro für den Radverkehr in Leipzig eingestellt. Wer die 5 Euro mit der Einwohnerzahl multipliziert, kommt sogar auf deutlich mehr als 2,5 Millionen Euro. Dass in Radwege investiert werden muss, hatte die Bürgerumfrage 2011 deutlich gezeigt. 64 Prozent der Befragten gaben an, dass sie separate, baulich getrennte Radwege bevorzugen würden, wenn sie aufs Rad steigen. Die Abmarkierung in der Georg-Schumann-Straße zeigt schon jetzt recht deutlich, welchen Effekt allein die Markierung von Radwegen auf die Zunahme des Radverkehrs hat. Was dort die nun deutlicher sichtbaren Konfliktstellen nicht beseitigt, was aber ahnen lässt, wohin Leipzig bei seinen umweltpolitischen Zielen kommen könnte, wenn es die gewonnenen Erkenntnisse aus Befragungen und Bürgerforen auch nur ansatzweise konsequent umsetzen würde.

Doch immer wieder fallen Leipzigs Verkehrs- und Finanzplaner in alte Schemata zurück.

Auch die aktuellen Diskussionen um nachhaltige Mobilität in Leipzig im Rahmen des Mitmach-Projekts “Leipzig weiter denken” hat deutlich gemacht, dass man zwar verschiedene Mobilitätsmodelle für die Zukunft diskutieren kann. Wirklich nachhaltig aber sind eigentlich nur zwei – das Zufußgehen mitgerechnet drei.

Das eine ist ein barrierefreier, gut vertakteter und vor allem bezahlbarer ÖPNV. Und das andere sind gut ausgebaute und vor allem von Konfliktstellen weitgehend befreite Radwegenetze. (Auf denen man auch mit all den neuen jetzt nachgefragten E-Bikes fahren kann.)

Wenn die Diskussion im Bürgerwettbewerb “Ideen für den Stadtverkehr” tatsächlich ernsthaft geführt werden sollte – am 31. Oktober endete ja die Ideensammlung – dann wäre ein neues, deutlich geändertes Verkehrsdenken in Leipzig eigentlich die Folge. Mit einer Aufwertung und Priorisierung des Umweltverbundes, von dem man dann nicht nur optimistisch 70 Prozent Wegeanteil erwartet, sondern den man bei allen Verkehrs- und Bauprojekten auch genauso vorantreibt.Jetzt kommt der Radverkehr nur immer wieder – bei jeder Planung und bei jeder Diskussion – in Konflikt mit dem motorisierten Individualverkehr. Es wird stückweise gebaut, geflickt und teilweise nur ein Kompromiss umgesetzt, der dann so halbherzig aussieht wie die Fahrradstraße am Dittrichring. Manche Begegnungsstelle wird dadurch noch gefährlicher.

Warum das so ist und wie weit der Weg noch ist, bis sich dieses Denken in Leipzig ändert, zeigt das Papier der Stadtverwaltung “Mobilität 2020. Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum”, mit dem die “Leitlinien und Maßnahmen zur Entwicklung der Verkehrsnetze und zur Gestaltung der Straßen und Plätze in Leipzig” neu diskutiert werden sollten. Die alten stammen von 2003.

Und während das Planungsdezernat wirklich frühzeitig im Heft feststellt, dass man “Verkehrssparsame Stadtstrukturen” braucht und eine “Stadt der kurzen Wege” entwickeln muss, kommt man erst nach den Kapiteln “Leipzig im übergeordneten Verkehrsnetz. Flughafen, Eisenbahn und Fernstraßen” und “Motorisierter Individualverkehr. Das Straßennetz stadtverträglich ausbauen” zu den dafür eigentlich notwendigen umweltverträglichen Verkehrsarten: “Öffentlicher Nahverkehr. Bahn und Bus – Mobilität für alle”.

Dann gibt es einen komplett unlogischen Sprung zu “Wirtschaftsverkehr. Wirtschaft braucht Verbindungen”, bevor man sich endlich den grundlegenden Verkehrsarten “Fußgängerverkehr. Die natürlichste Art der Fortbewegung” und “Radverkehr. Kostengünstig, gesund und umweltschonend” widmet.

Die Überschriften der Kapitel zeigen es eigentlich: Man weiß, was dran wäre, wenn man eine nachhaltige Mobilität möchte. Aber man sortiert weiterhin das Teure, technisch Aufwändige und Kostenintensive ganz vorn. Und genau in dieser Reihenfolge werden auch die Gelder verteilt.

Die Broschüre hängen wir hier einfach drunter. Da kann jeder selbst nachlesen, wie Leipziger Verkehrsplanung tickt und wie man die durch den technischen Ausbau des Straßennetzes erst forcierten Probleme dann für die anderen Verkehrsarten auch wieder technisch lösen muss.

Zu lesen ist dort aber auch, was im BYPAD-Verfahren von 2009 am Leipziger Radnetz kritisiert wurde: “Schwächen wurden noch bei der Öffentlichkeitsarbeit, der Unterhaltung von Infrastruktur und Wegweisung, der Bearbeitung von Netzlücken und konfliktreichen Knoten, bei Umleitungen und Baustellen sowie bei der Entwicklung der Unfallzahlen gesehen.”

Dafür gab’s auf der Notenliste von 0 bis 4 eine 2,2. Was bei dieser Mängelliste zumindest erstaunt.

Die Broschüre “Mobilität 2020 – Grundlagen für die Fortschreibung – Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum”: www.leipzig.de/imperia/md/content/90_verkehrsplanung/broschuere_step_analyse__2012.pdf

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar