Seit Jahren fordern Politik und Bürger, dass die LVB die veralteten und verschlissenen Tatra-Straßenbahnen dringend ersetzen müssen. Doch das Jahr, in dem das erfolgen sollte, wurde immer weiter hinausgeschoben. Seit 2009 ist erst recht der Wurm drin. Das letzte Förderprogramm zum Ankauf neuer Straßenbahnen ist ausgelaufen, ein Anschlussprogramm fehlt seit zwei Jahren. Der Freistaat Sachsen, der die Förderung normalerweise absichern muss, hält sich bei solchen Investition in einen modernen und barrierefreien ÖPNV sichtlich zurück.

Oder tat es zumindest. Bis zu diesem Sommer, als auch die sächsische Staatsregierung schon einmal auf den Wahlkampfmodus für 2014 einschwenkte und für einige Investitionen in die Infrastruktur in den Kommunen etwas mehr Geld in Aussicht stellte. Das sieht die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat zumindest als Chance, jetzt doch noch ein wenig zu tun für die dringend notwendige Erneuerung des Straßenbahnfuhrparks in Leipzig.

Durch die derzeit avisierte 50-Prozent-Förderung des Freistaates Sachsen bietet sich den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) und der Stadt die Möglichkeit, vergleichsweise günstig Straßenbahnen neu zu beschaffen.

Diese Fördermöglichkeit ist in Sachsen, aber auch in anderen Bundesländern, nicht selbstverständlich, betonen die Grünen, die dazu einen eigenen Haushaltsantrag formuliert haben. Und sie befürchten, dass dass sich in Zukunft diese Situation deutlich verschlechtern kann. In die Zukunft verschobene Investitionen würden nicht nur deutlich höhere Aufwendung für Wartung und Instandhaltung und geringere Einsparungen durch modernere Arbeitsabläufe bedeuten, sondern auch bedeutend geringere Fördermittelzuwendungen durch den Freistaat und damit höhere Eigenmittelbedarfe.

Die alten Tatra-Bahnen sind nicht einmal durch ihre schiere Existenz ein Problem. Doch zum finanziellen Problem werden sie durch die im Lauf der Zeit stetig steigenden Wartungskosten. Die Wartung wird mittlerweile so teuer, dass eine Neubeschaffung von Fahrzeugen deutlich preiswerter ist. Nur binden die Wartungen genau diese Gelder – denn aus dem Fahrbetrieb nehmen können die LVB die alten Bahnen nicht, dann würde auf etlichen Strecken gar nichts mehr rollen. Ein Teufelskreis, der ohne zusätzliche Investition nicht zu durchbrechen ist.

Aus diesen Gründen hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Haushaltsantrag eingereicht, der auf der Haushaltssitzung des Stadtrates am 19. Dezember beraten wird: Der Oberbürgermeister soll kurzfristig gemeinsam mit LVB und LVV ein Finanzierungskonzept zur Neubeschaffung von Straßenbahnen erarbeiten lassen. Die für die avisierten Fördermittel des Freistaates notwendigen Komplementärmittel in Höhe von 5 Millionen Euro sollen für 2014 durch den städtischen Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Für die Jahre 2015 bis 2017 sollen dann jeweils weitere 2 Millionen Euro Investitionszuschuss in der mittelfristigen Haushaltsplanung beschlossen werden.

Grünen Stadtrat Ansgar König dazu: “Die Verkehrsbetriebe gehören den Bürgern Leipzigs. Da die LVB nicht selbst die dringend nötigen Investitionen in einen modernen ÖPNV stemmen können, ist die Stadt in der Pflicht. Ökonomisch ist der Weiterbetrieb der Tatra-Bahnen ein Fass ohne Boden, denn durch anfallende Hauptuntersuchungen und erhöhten Instandhaltungsaufwand kommt er mittelfristig teurer als eine Neubeschaffung. Abgesehen vom ‘ideellen’ Verschleiß, denn die Bahnen entsprechen schon lange nicht mehr dem heutigen ÖPNV-Standard.”

“Der Plan der Stadt, diese Investitionen wieder einmal in die LVV zu schieben, kann unserer nach Meinung keine Lösung sein. Die LVV ist keine eierlegende Wollmilchsau, der unentwegt neue Belastungen übertragen werden können”, ergänzt Grünen-Stadtrat und LVV-Aufsichtsrat Wolfram Leuze.

“Die Stabilität unseres städtischen Nahverkehrs ist unserer Fraktion auch in finanziell schwierigen Zeiten ein wichtiges Anliegen”, meint Ansgar König noch. Womit man beim Thema Nachhaltigkeit in Leipzig wäre und einem der wunden Punkte, wo sichtbar wird, dass es einige Bereiche gibt, wo sie keine Handlungsgrundlage der Stadtpolitik ist. Dass die Straßenbahnen zur Bewältigung des täglichen Verkehrs an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen ist, kann jeder bestätigen, der so tapfer ist, mit der Straßenbahn in der Rushhour zu fahren. Da muss nicht einmal Weihnachtsmarkt in der Stadt sein. Nicht nur sind die Bahnen im Berufsverkehr rappelvoll – jede technische Störung sorgt dafür, dass es zu Staus und Fahrzeugausfällen kommt.

Das Ziel, 25 Prozent aller Wege in Leipzig mit Straßenbahn und Bus abzuwickeln ist bei solchen Kapazitätsgrenzen noch lange ein utopisches, auch wenn das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz ab 15. Dezember einen Teil des Personentransports übernehmen wird. Für 2013 können die LVB, nachdem sie schon 2012 mit 139 Millionen beförderten Passagieren eine neue Spitze erklommen haben, mit 145 Millionen beförderten Passagieren rechnen. Tatsächlich sind mittlerweile Taktverdichtungen und größere neue Fahrzeuge auf etlichen Linien auf der Tagesordnung. Aber bei der Erneuerung des Fuhrparks sind die LVB dem Zeitplan um mittlerweile sechs Jahre hinterher.

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