Viele Lebensmittelhersteller platzieren nährwertbezogene Aussagen auf der Vorderseite ihrer Packungen. Damit Verbraucher und Verbraucherinnen bei derartiger Werbung vor Irreführung geschützt werden und eine sachkundige Kaufentscheidung treffen können, legt die so genannte Health-Claims-Verordnung fest, welche Begriffe für diese Werbung benutzt werden dürfen und wie sie definiert sind.

Kurz vor Weihnachten hat die Verbraucherzentrale ihren “Marktcheck” dazu vorgestellt.

“Im Marktcheck stellt die Verbraucherzentrale Sachsen die Frage, ob die Informationen “fett- oder zuckerreduziert” oder “fett- oder zuckerarm” für Verbraucher ein brauchbares Auswahlkriterium sind, und ob diese Produkte ärmer an Energie sind als vergleichbare, nicht gekennzeichnete Konkurrenzprodukte,” erläutert Dr. Birgit Brendel von der Verbraucherzentrale Sachsen.

Wie zu erwarten, geben die exakt definierten Kennzeichnungen “fettarm” (weniger als 3 g Fett je 100 g festes Produkt) oder “zuckerarm” (höchstens 5 g Zucker pro 100 g festes Produkt) klare und unmissverständliche Informationen für die Lebensmittelwahl.

Kritisch jedoch sind die Begriffe, die ein Produkt bezüglich seiner Nährstoffgehalte in Beziehung zu anderen Produkten stellen: beispielsweise “30 % weniger Fett” oder “zuckerreduziert”. Auch diese Begriffe sind gesetzlich definiert. Der Marktcheck zeigt jedoch, dass die “Reihe von Lebensmitteln derselben Kategorie”, die der Gesetzgeber als Vergleich vorgibt, in der Praxis sehr unterschiedlich interpretiert wird. Für Konsumenten ist unklar, an welchem Maßstab sich diese Aussagen messen, und eine bessere, weil sachkundigere Entscheidung wird nicht ermöglicht.

Es ist wie mit den seltsamen Packungsgrößen, die jetzt den Supermarktkunden verwirren: Die vielen Botschaften haben keinen gemeinsamen Nenner mehr, jeder nimmt andere Bezugsgrößen. Es ist zum Graue-Haare-Kriegen. Oder wie es die Verbraucherzentrale erläutert: “Die Aussagen ‘XY reduziert’ oder ’30 % weniger XY’ werden lebensmittelrechtlich korrekt benutzt, wie im Marktcheck recht aufwändig nachvollzogen werden konnte. Das Grundproblem dieser werblichen Aussage ist jedoch in jedem Fall der zugrundeliegende Vergleichsmaßstab. Denn in der üblichen Kaufsituation werden Konsumenten nicht akribisch nachprüfen (können), welche ‘Reihe von Produkten derselben Kategorie’ zugrunde liegt. Hier zeigt der Marktcheck außerdem, dass Hersteller ein ganz unterschiedliches Verständnis haben. Bei Streichfetten und Salatsoßen werden beispielsweise Butter und Mayonnaise als Vergleichsmaßstab für den Fettgehalt gewählt, obwohl die beworbenen Produkte formal anderen Kategorien angehören …”

Fragt man unter dem Blickwinkel Gewichtsmanagement, ob mit dem Konsum fett-, zucker- oder energiereduzierter Produkte tatsächlich eine nennenswerte Menge an Nahrungsenergie eingespart werden kann, dann bleibt das Ergebnis zwiespältig, so die Verbraucherzentrale in ihrer Einschätzung. Bezogen auf die einzelnen Produkte ist die Energieersparnis gering, wenn eine übliche tägliche Verzehrsmenge zugrunde gelegt wird. Würden Verbraucher permanent übliche Produkte bei gleicher Verzehrmenge durch die genannten ersetzen, könnte eine gewisse Fett-, Zucker- und Energieersparnis realisiert werden.

“Es gibt jedoch wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass Konsumenten bei diesen Produkten größere Mengen verzehren, die den Energieeinspareffekt (über)kompensieren. Insofern bleibt der theoretisch mögliche positive Effekt fraglich”, resümiert Brendel.Und was heißt das nun für all die tollen Versprechungen, von Kalorienbombe X sei weniger drin in der Packung und gegenüber Y habe man um 50 Prozent “abgespeckt”? – Wohl eher nichts, denn auch das noch zu vergleichen, würde wohl die Mitnahme eines wissenschaftlichen Testlabors erfordern.

Der “Marktcheck” zu dieser im Grunde systematischen Verwirrung der Käufer: “Im Alltag können Verbraucher solcher Art detaillierte Betrachtung zum Hintergrund einer werblichen Aussage kaum anstellen. Die Aussagekraft der Kennzeichnung ‘XY reduziert’ bzw. ‘X % weniger Y’ ist daher eingeschränkt, und bietet nur einen Anhaltspunkt dafür, dass Zucker, Fett usw. im vorliegenden Produkt bewusst reduziert wurden.”

Was immer noch nichts nutzt, denn nicht nur Fett und Zucker gehen ja in den menschlichen Stoffwechsel ein – alles andere auch, auch die ganzen “Kohlehydrate” und “Ballaststoffe”. Auch sie werden verstoffwechselt und – wenn sie den Energiebedarf des Körpers übersteigen – eben nicht ausgeschieden, sondern in einen haltbaren Energiespeicher für Notzeiten umgewandelt: in Fett.

Dass sich die Käufer all dieser “reduzierten” Produkte am Ende selbst betrügen, auch das erwähnt der “Marktcheck” sehr deutlich.

Da ist es wirklich klüger, gleich zu den originalen, nicht-reduzierten Produkten zu greifen und damit bewusster umzugehen. Denn da “weiß man wirklich, was man hat”. Und vor allem bekommt der Körper die richtigen Signale, denn auch der Stoffwechsel produziert eine Unmenge von Informationen für das Nervensystem – manche münden in ganz deutliche Signale wie “Ich bin satt” oder “das ist aber fettig” oder “jetzt brauch ich aber noch was Saures”.

Es hilft wohl alles nichts: All diese reduzierten Produkte ersetzen keine bewusste Ernährung, sondern erschweren sie geradezu.

www.verbraucherzentrale-sachsen.de

Der “Marktcheck” als PDF zum download.

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