Erstmals wird es in Leipzig - ähnlich wie auch schon in Chemnitz und Dresden - am 31. August einen Tag der Industriekultur geben, dessen Initiator der Verein für Industriekultur ist. Richard Doll und Heinrich Moritz Jähnig erläutern im Interview was der 31. August den 65 Teilnehmern bringen soll.

Der Verein für Industriekultur Leipzig richtet erstmals auch in der sächsischen Messestadt einen “Tag der Industriekultur” aus. Was bringt der 31. August den 65 Teilnehmern außer einer Menge Arbeit?

Jähnig: So ein Tag wirkt wie ein Scharnier zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Wir haben das Gefühl, dass es in Leipzig diesbezüglich hinsichtlich der wechselseitigen Wahrnehmung etwas quietscht. Der Leipziger fühlt sich voll zu Recht als Bürger einer Kulturmetropole und die Wirtschaftsvertreter meinen, in der auf alles Kulturelle ausgerichteten Aufmerksamkeit unterzugehen. An so einem “Tag” wird der Begriff Industriekultur in neuen Zusammenhängen erlebt und gedacht. Außerdem findet eine gesellschaftliche Verständigung über Erbe und Zukunft statt. Nicht zuletzt erleben alle ehrenamtlich Engagierten große Öffentlichkeit und gewinnen neue Freunde.

Was für Freunde können das sein?

Doll: Da sind nicht nur die Fans von alten Eisenbahnen oder neuen Technologien wie bei Spreadshirt unter sich und können mal hinter die Kulissen schauen, sondern sie begegnen anderen, die sich ebenfalls dafür interessieren, ohne organisiert aufzutreten. So lässt sich vorstellen: wenn man den Kindern Freude beschert hat, spenden auch die Eltern gern.

Was haben die Besucher von so einem Tag?

Doll: Kunsterlebnisse gehören ebenso dazu wie überraschende Einblicke in Betriebe – beispielsweise die Heiterblick GmbH, die Werkstätten der Verkehrsbetriebe, oder BMW. Manchmal empfiehlt sich auch ein Weiterschauen. Der Hersteller von Drahtseilbahnen – Bleichert – war seinerzeit ein Pionier. Dann wurde das Produkt nicht mehr so gebraucht. Heute versucht man, mit solchen Bahnen in Brasilien die Außenviertel von Megastädten zu erschließen. Viele Leipziger Bürger wären überrascht wenn Sie wüssten, welche Strahlkraft und Innovationsfähigkeit schon vor 100 Jahren von ihrer Stadt ausging.

Sie sagten, es ginge auch um Nachwuchsgewinnung?

Jähnig: Allen Unternehmen geht es um die Sicherung des Nachwuchses. Auch die Gießerei Keßler & Co GmbH, eine der teilnehmenden Firmen, braucht junge Leute, die sich für die uralte und zugleich hochmoderne Technik des Gießens begeistern. Deshalb veranstaltet das Unternehmen also am 31. August einen Tag der Offenen Tür bei laufender Produktion, um über berufliche Möglichkeiten zu informieren. Ähnliches gilt auch für die Landmaschinenbauer von BBG und viele andere. Ich empfehle jedem: Nicht verpassen!
Gibt es überraschende Begegnungen zwischen Industriedenkmälern und lebender Kunst?

Jähnig: Eine solche ungewöhnliche Kombination ist die Lesung von Texten des Schriftstellers Wolfgang Hilbig im ehemaligen Heizkraftwerk Süd der Stadtwerke Leipzig. Oder man bekommt Einblicke in die Arbeit von Künstlern, was sonst so nicht möglich ist. Zum Beispiel sind die Ateliers im MONOPOL Haferkornstraße geöffnet. Aber wir möchten keine der rund 100 Veranstaltungen herausstellen. Die Teilnehmerzahl von rund 100 ist die Überraschung. Und die Interessengemeinschaft, die aus 65 so unterschiedlichen Teilnehmern spricht. Das hätten wir vor acht Monaten nicht erwartet.

Welche historischen Bezüge vermitteln Sie den Besuchern?

Doll: Ein Schülerprojekt hat sich beispielsweise mit den nach Karl Heines Plänen errichteten Gleisen befasst. Außerdem entdecken viele jetzt erst, dass der Karl-Heine-Kanal ursprünglich nicht zum Vergnügen gebaut wurde. Da hat ein Industriepionier nachhaltig das Leben und Lebensgefühl in einer Stadt gestaltet. Und nicht zuletzt: Wir finden den sich im Programm ausdrückenden mitteldeutschen Bezug wichtig – nach Eilenburg und Borna, nach Wolfen und Zeitz. Das hat Perspektive.

Das Programm:
www.industriekulturtag-leipzig.de

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