Einmal im Jahr stellt der Gutachterausschuss der Stadt Leipzig seinen Grundstücksmarktbericht vor. Er enthält die Zahlen zu den Immobilienverkäufen in der Stadt im vergangenen Jahr, zu Grundstücken, Ein- und Mehrfamilienhäusern, Gewerbeimmobilien und Eigentumswohnungen. Es ist ein Barometer dafür, ob die Stadt wächst und attraktiv ist. Oder eher ein Fall für die Klinik.

Denn eine Stadt wird auch für Immobilienkäufer nur attraktiv, wenn sie wächst, wenn der Kauf eines Hauses kein rausgeschmissenes Geld ist und das Haus in 10, 20 Jahren wenigstens noch das wert ist, was es beim Kauf wert war.

Damit haben zwar die meisten Leipziger nichts zu tun, weil sie einfach nicht das Geld verdienen, um beim großen Poker dabei zu sein. Aber sie sind – das ist die oft frustrierende Kehrseite dabei – die Mieter, ohne die der Laden und der Handel nicht läuft. Eigentlich müssten sie bei jedem Kaufvertrag eine Provision bekommen – quasi als Dankeschön, dass sie Leben in die Bude bringen, die Leipzig heißt. Bekommen sie meistens nicht. Eher flattert, wenn das Haus saniert wird, eine Mieterhöhung in den Briefkasten oder auch mal eine Kündigung, weil sich der Käufer mit der Immobilie etwas anderes vorstellt als ein durchschnittliches Mietverhältnis von 4,60 Euro pro Quadratmeter.

Das ist in Leipzig noch immer die Norm. So bestätigt es Dipl.-Ing. Gernot Weiß, Leiter der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Stadt Leipzig. Denn wenn etwa Mehrfamilienhäuser gehandelt werden, dann stehen auch die Mieten im Vertrag, die der Besitzer erzielen kann. Und was ist mit den ganzen Geschichten um steigende Mieten und Immobilienkosten in Leipzig? Gernot Weiß erwähnt sie mehrfach und sagt auch “Könnte was dran sein.” Aber die 5.977 Kaufverträge, die 2013 in seiner Geschäftsstelle registriert wurden, erzählen diese Geschichte noch nicht. Die Bestandsmieten sind auch weiterhin noch auf einem typischen Leipziger Niveau von 4,60 Euro pro Quadratmeter. Vielleicht ändert sich das. Keiner weiß es.

Die andere Seite der Geschichte sind steigende Immobilienpreise. Es sind moderate Steigerungen, die aber eher noch nichts mit einer Verknappung des Angebots in Leipzig zu tun haben. Noch sei genug da, meint auch Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. Auch im Segment der Mehrfamilienhäuser, das seit fünf Jahren wieder interessant geworden ist für Sanierer und Käufer. Denn wenn es immer mehr Menschen in die innerstädtischen Quartiere drängt, dann lohnt es sich, dort selbst leerstehende Häuser wieder in Schuss zu bringen, die 20 Jahre lang niemand haben wollte.

Das steigert – außer in den wirklich hochgejazzten Stadtquartieren Zentrum, Südvorstadt und Connewitz – noch nicht die Preise. Unsanierte Mehrfamilienhäuser werden noch zu moderaten Preisen verkauft. 2013 gab es seit 2010 überhaupt erst einmal wieder eine preisliche Steigerung – von 154 auf 184 Euro je Quadratmeter. Etwas deutlicher ziehen die Preise im sanierten Mehrfamilienhaus an. Der Grund liegt wohl – so Gernot Weiß – in den höheren energetischen Ansprüchen. Es ist also der Gesetzgeber, der hier für Teuerung sorgt.
Es gibt zwar Quartiere – wie das Zentrum – wo kaum noch unsanierte Häuser zu finden sind. Aber das bedeutet nicht, dass jetzt ringsum die Preise anziehen. Nur die Sanierungswelle schwappt weiter. In den vergangenen fünf Jahren hat sie vor allem Altlindenau und Leutzsch erfreut. Jetzt zeigen die Kaufverträge, die der Gutachterausschuss ausgewertet hat, dass die Kaufinteressenten sich nun im Leipziger Osten umtun. Sie sind quasi ein Gespann mit den Wohnpionieren, die ebenfalls immer mitwandern. In den 1990er Jahren haben sie den Leipziger Süden in Schwung gebracht, dann zogen sie nach Schleußig, Plagwitz, Lindenau. Jetzt ist es der lange Zeit geschmähte Osten, wo sich neues Leben entfaltet.

Pech hat nur eine Käufergruppe: die von Stadthäusern. Die hohe Zeit der Leipziger Stadthäuser ist seit 2012 quasi vorbei. In innerstädtischen Quartieren sind kaum noch Flächen zu finden, in denen Einfamilienhäuser entstehen können. Auch die Grundstückspreise sind dort nicht mehr so niedrig, dass sich der Bau von Stadthäusern lohnen würde. “Was ja gut ist”, sagt Dorothee Dubrau. Die Stadt verdichtet sich und braucht in diesen Quartieren vor allem Mehrgeschossbau, vier, fünf Etagen wie in der Leipziger Gründerzeit. “Und es wird ja auch wieder gebaut”, weiß die Baubürgermeisterin. Viele Investoren, die sich in den vergangenen Jahren mit Grundstücken bevorratet haben, bauen jetzt wieder Mehrfamilienhäuser. Nicht gerade im Niedrigpreis-Segment. Aber auch dafür werden sich Käufer und Mieter finden.

Käufer deshalb, weil solche Bauten – genauso wie sanierte Gründerzeithäuser – auch als Wertanlage interessant sind. Für etwas betuchtere Leipziger, die sich eine Wohnung kaufen, genauso wie für Geldanleger aus den älteren Bundesländern, die ihr Erspartes in Leipziger Wohnsubstanz stecken. Und auch hier sieht man, wie feinfühlig Leipzigs Immobilienentwickler die Veränderung der Stadt vorausspüren.

Vielleicht nicht mal spüren. Sie nehmen einfach die Nachrichten ernster, die die hiesigen Medien gern als Drama verkaufen: steigende Geburtenraten, wachsende Zuzugsraten, eine erstaunlich robuste Entwicklung des Arbeitsmarktes. All das sorgt dafür, dass nicht nur der jahrelang hohe Leerstandspuffer aufgezehrt wird, sondern auch, dass besonders familienfreundliche Stadtteile besonderen Zuspruch erleben. Dort haben sich die Entwickler schon zwischen 2005 und 2009 mit unsanierten Häusern regelrecht eingedeckt. Mitten in der Finanzkrise, als alle Welt Lamento schrie, haben sie vom Markt gekauft, was irgendwie noch wie eine attraktive Immobilie aussah. Und seit 2010 wachsen an diesen Gebäuden nacheinander die Baugerüste empor, wird saniert, gedämmt, verschönt und dann in schönster Form auf den Markt gebracht. Aus unsanierten Häusern sind sanierte Eigentumswohnungen geworden, die man 2013 schon für 2.503 Euro je Quadratmeter verkaufen konnte. Im Schnitt. Immerhin 3.093 Eigentumswohnungen gingen 2013 weg. Oder wieder weg. Denn auch Wohnungen, die vor Jahren nach Neubau oder Sanierung erstverkauft wurden, kommen ja mittlerweile wieder auf den Markt – zu deutlich geringeren Preisen. Da ist es wie bei Autos: Man bekommt nicht mal mehr den halben Preis.

Welchen Wert die Wohnung hat, das richtet sich natürlich auch ein wenig nach der Wohnlage. Aber wirklich nur ein wenig. Auch da sind die üblichen Alarmmeldungen fehl am Platz. Abseits von Zentrum und Südvorstadt ist das Bild in Leipzig zwar heterogen, wie Weiße betont, aber es wird dort nirgendwo eine dramatische Entwicklung sichtbar. Noch hat die Stadt Spielräume. “Aber die ersten Zeichen des veränderten Marktes nehmen wir schon wahr”, sagt Dubrau. “Und wir nehmen sie ernst.” Am Mittwoch, 14. Mai, begann gerade erst die Diskussion um das “Wohnungspolitische Konzept” der Stadt Leipzig. Da geht es auch um die Fragen: Braucht Leipzig bald schon sozialen Wohnungsbau? Gibt es noch genug bezahlbaren Wohnraum? Und wohin weichen die Leute aus, die kreative Freiräume brauchen?

Ansonsten, auch das darf angemerkt werden, hat Leipzig nach wie vor den lebendigsten Immobilienmarkt in ganz Sachsen. “Auch wesentlich stärker als in Dresden”, betont Weiß. 1,57 Milliarden Euro wurden 2013 auf dem Leipziger Immobilienmarkt umgesetzt, 124 Millionen Euro mehr als 2012. Das hohe Niveau hält Leipzig seit 2011. Nur 2008 bis 2010 gab es eine Talsohle im Windschatten der Immobilienkrise.

Aber auch das Thema haben wir ja schon angesprochen: Die hochsensiblen Immobilienprofis haben sich alle schon 2006 und 2007 eingedeckt, als die Allgemeinheit noch nicht einmal richtig merkte, was sich da an den Finanzmärkten zusammengebraut hatte. Die Kaufzahlen von 5.977 lagen zwar 2013 deutlich über dem Spitzenwert von 5.861 aus dem Jahr 2007. Aber das hat mit dem selben Phänomen zu tun: Damals wurden etliche Immobilien gleich im Paket gekauft. Aus den Paketen kommen jetzt viele als schmuck sanierte Eigentumswohnungen wieder auf den Markt.

Ein bisschen Ruhe ist eher bei den Gewerbeimmobilien und den unbebauten Grundstücken eingekehrt. Aber da gab es nun gerade in den letzten Jahren einige “Paketverkäufe”. Das sind dann die Entwicklungen der nächsten Jahre und abzuwarten. Und sie werden auch kommen, wenn Leipzig so weiter wächst. Sie brauchen nur Zeit, wie Weiß betont. Zehn Jahre etwa für die Entwicklung eines Areals wie am Bayerischen Bahnhof sind da keine Größe.

www.gutachterausschuss.leipzig.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar