Der beginnende Herbstaufschwung auf dem Arbeitsmarkt hat die Zahl der Jobsucher in Sachsen weiterhin verringert, jubiliert das Sächsische Wirtschaftsministerium, das nach wie vor von Sven Morlok (FDP) geleitet wird. Bei solchen Zahlen wird sogar ein Ministerium romantisch: 174.150 Menschen in Sachsen waren Ende September arbeitslos gemeldet - 12.338 weniger als vor einem Jahr. Aber ist das ein Grund zum Jubilieren?

Mit den reinen Zahlen sowieso nicht. Auch wenn sie erst einmal hübsch aussehen: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosenquote im Freistaat um 0,6 Prozentpunkte auf aktuell 8,2 Prozent gesunken. Damit verzeichnet Sachsen den stärksten Rückgang der Arbeitslosenquote gegenüber dem Vorjahr im Vergleich aller Bundesländer, freut sich das Wirtschaftsministerium und fragt sich nicht einmal, warum das so ist.

“Mit diesen erfreulichen Zahlen setzt sich auch im September der positive Trend am Arbeitsmarkt fort. Die Chancen für Arbeitsuchende verbessern sich weiter. Insbesondere die starke sächsische Wirtschaft hat zur niedrigsten Arbeitslosenquote seit der statistischen Erfassung geführt. Auch bei den offenen Stellen verzeichnet der sächsische Arbeitsmarkt mit 16,8 Prozent die höchste Steigerung im Bestand im Vergleich zum Vorjahr und ist damit bundesweit Spitzenreiter”, betont Staatsminister Sven Morlok (FDP).

Die “starke sächsische Wirtschaft”?

Insgesamt entwickele sich der Arbeitsmarkt im Freistaat Sachsen weiterhin positiv, so das Ministerium. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Stand Juli 2014) sei im Vergleich zum Vorjahr um rund 25.200 auf 1,51 Millionen gestiegen. Ja und? Wo denn?

Ein paar Zahlen dazu findet man beim Statistischen Landesamt, das auch regelmäßig die Erwerbstätigenrechnung für Sachsen veröffentlicht. Und am Trend der Vorjahre hat sich ja nichts geändert. Was wirklich wächst in Sachsen, ist vor allem der Dienstleistungsbereich. Am stärksten der Bereich “Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit”, wo zum Beispiel der massive Ausbau der Pflegedienste, aber auch der Kindertagesstätten in Sachsen zu Buche schlägt. Das kann man auch mal “starke sächsische Wirtschaft” nennen. Tut man aber in der Regel nicht.

Der Bereich, der danach am stärksten wächst – und zwar seit Jahren – ist der Bereich “Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister”. Da stecken die ganzen Zeitarbeitsfirmen mit drin. Und die letzten Medienverlautbarungen deuten darauf hin, dass der Bereich Leiharbeit in Sachsen immer noch wächst.

Erst an dritter Stelle der Wachstumsbereiche kommt die eigentliche Industrie.

Und genau in dieser Mischung entwickelt sich auch der Leipziger Arbeitsmarkt. Wobei jetzt im September das Staunen der Leipziger Chefin der Arbeitsagentur hinzukommt, wie stark auf einmal die Arbeitslosenzahl sinkt.

Die offiziell gezählte Arbeitslosigkeit in Leipzig ist im September um 1.260 Personen bzw. 4,5 Prozent auf 26.955 zurückgegangen. Damit verzeichnete die Stadt Leipzig ihren bislang niedrigsten Arbeitslosenbestand, so die Arbeitsagentur.

“Im September haben ein Fünftel mehr Menschen ihre Arbeitslosigkeit durch eine Beschäftigung aufnehmen können als im August. Das ist beachtlich”, erklärt Elke Griese, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig. Weiß aber einen wesentlichen Grund für diesen Sprung: “Parallel hatten sich im September vermehrt Jugendliche aus der Arbeitslosigkeit abmelden können, weil für sie ein Job, eine betriebliche Ausbildung oder eine schulische Ausbildung begann.”

Womit man das zweite Phänomen des sächsischen Arbeitsmarktes im Blick hat: Den enormen Bedarf der Unternehmen an Nachwuchs, nachdem man nun schon vier Jahre lang mit den geburtenschwachen Jahrgängen der frühen 1990er Jahre zu tun hat. Damals hatten sich die Geburtenzahlen geradezu halbiert. Und diese “halbierten” Jahrgänge kommen seit 2010 nach und nach in der Berufsausbildung und in den Unternehmen an. Und viele werden jetzt erst richtig munter und begreifen, dass die Zeiten, da die jungen Leute bei ihnen Schlange standen um einen Ausbildungsplatz vorbei sind. Endgültig vorbei.

Man muss sich also umstellen, die eigenen Erwartungen an die jungen Leute senken und sich viel mehr in die Erhöhung der Ausbildungsfähigkeit der jungen Leute knien als in den Vorjahren. Das könnte dann auch der Arbeitsagentur helfen, den hohen Bestand gerade an jungen Arbeitslosen zu senken.Insgesamt waren im September 26.955 (Vormonat 28.215) Männer und Frauen in Leipzig arbeitslos gemeldet. Der Rückgang beträgt 1.260 Personen. Den stärksten Rückgang gab es, nun nicht mehr zu übersehen, bei den jungen Menschen unter 25 Jahren, deren Zahl im Juli und August noch deutlich zugenommen hatte. Die Zahl der Arbeitslosen in dieser Altersgruppe ging im September um 402 Personen bzw. 13,7 Prozent auf 2.531 zurück.

Ebenfalls rückläufig, aber schwächer als im Agenturdurchschnitt, war die Entwicklung in der Personengruppe 50plus. Im September lag die Arbeitslosigkeit bei den 50-Jährigen und älteren bei 8.080 Personen. Das sind 200 Personen bzw. 2,4 Prozent weniger als im Monat zuvor. Durchgängig rückläufig war die Entwicklung in allen Personengruppen im Vergleich zum Vorjahr (Gesamtrückgang 1.879 Personen bzw. 6,5 Prozent).

Und freie Stellen gibt es weiterhin, stellt Elke Griese fest: “Das Angebot an freien Stellen liegt stabil bei rund 3.600, allein im September sind 1.549 neue Stellen dazugekommen.”

Nur da, wo seit Januar die Probleme der “Hartz IV”-Verwaltung sichtbar sind, da tut sich im Grunde nichts bis wenig.

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen war im September in Leipzig zwar weiter rückläufig. Gegenüber dem Vormonat sank die Zahl um 223 auf 9.001 Personen. Aber im Vergleich zum September 2013 sind das 145 langzeitarbeitslose Menschen mehr. Der Anteil an allen Arbeitslosen betrug im September 33,4 Prozent. Hier herrscht also unübersehbar Windstille – eine echte Analyse dieses Bereiches durch das Jobcenter ist überfällig. Denn man kann nicht erwarten, dass sich hier noch etwas bewegt, wenn sämtliche Integrationsinstrumente gestrichen sind oder sowieso schon seit Jahren fehlen. Das Thema “geförderter öffentlicher Arbeitsmarkt” ist für diese Betroffenengruppe überfällig.

Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete der gemeinsame Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur Leipzig und Jobcenter Leipzig im September einen leichten Zuwachs gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 1.549 neue Stellen gemeldet. Das sind 124 Stellen bzw. 8,7 Prozent mehr als im Vormonat und 28 Stellen mehr als vor einem Jahr.

Im September betrug die Arbeitslosenquote im Agenturbezirk Leipzig 9,6 Prozent (Vormonat: 10,1 Prozent) und rutschte damit wieder unter die 10-Prozent-Marke. Im September 2013, ein Jahr zuvor, lag die Arbeitslosenquote bei 10,6 Prozent.

Im September 2014 waren 5.946 Menschen im Rechtskreis SGB III arbeitslos gemeldet. Im Rechtskreis des Jobcenters Leipzig, dem SGB II, waren 21.009 Menschen arbeitslos gemeldet. 77,9 Prozent aller arbeitslosen Leipziger wurden vom Jobcenter und 22,1 Prozent von der Arbeitsagentur Leipzig betreut.

In Leipzig gab es im September 42.334 Bedarfsgemeinschaften – im August waren es noch 42.725 gewesen. Das sind 1.053 Bedarfsgemeinschaften weniger als im September des Vorjahres. Das Jobcenter betreute im September 52.550 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im September 2013 waren es 54.097 gewesen, im August 2014 noch 53.134. Weitere 18.025 Personen erhielten im September Sozialgeld vom Jobcenter.

Für Oktober und November rechnet Elke Griese mit weiter sinkenden Arbeitslosenzahlen.

www.arbeitsagentur.de

www.leipzig.de/jobcenter

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