Der aktuelle OBM-Wahlkampf in Leipzig ist umgeben von allerlei Gerüchten, dubiosen Meldungen obskurer Medien und auch falscher Zahlen. Eine dieser Fakenews machte schon in der ersten Januarwoche die Runde, gleich nach der völlig entgleisten Polizeiaktion am Connewitzer Kreuz. Da behauptete doch die Leipziger CDU einfach mal so, Leipzig habe 300 Polizisten mehr bekommen. Quasi als Geschenk einer generösen Staatsregierung. Doch eine Auskunft des Innenministers belegt mal wieder das Gegenteil.

Denn postwendend hat Kerstin Köditz, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, wieder die schon aus der Vergangenheit vertraute Frage zur Soll-/Ist-Besetzung der sächsischen Polizeidirektionen gestellt.

Soll – das ist der offizielle Stellenplan für die Polizeidienststellen. Ist – das sind die Beamten und Angestellten, die tatsächlich da sind.

Nur zur Erinnerung daran, was die sächsische CDU eigentlich mal geplant hatte mit ihrer unseligen „Polizeireform 2020“. Im Jahr 2014, dem Jahr, in dem die SPD wieder in die Regierung kam und dafür sorgte, dass das Personalkürzungsprogramm der CDU/FDP-Zeit beendet wurde, hatte die Polizeidirektion Leipzig (zu der auch die beiden Landkreise Leipzig und Nordsachsen gehören) noch eine Soll-Stärke von 2.970. Geplant war mit der „Polizeireform“, diese Stellenzahl noch weiter zu drücken auf 2.440.

Eine heute völlig unvorstellbare Zahl. Schon in den Jahren 2016 bis 2018 erlebte Leipzig, was passiert, wenn die Polizei völlig unterbesetzt ist: Diebe und Einbrecher ließen die registrierten Straftaten regelrecht explodieren. Das Märchen der „Polizeireform 2020“, man könne mit weniger Personal effizienter die Kriminalität bekämpfen, entpuppte sich als genau das – als Märchen.

Auf Druck der SPD hin wurde der Kahlschlag beendet, wurde eine Kommission eingesetzt, die den tatsächlichen Personalbedarf ermittelte, werden wieder mehr Polizisten ausgebildet.

Aber die Ausbildung braucht Zeit. Erst zwischen 2024 und 2026 wird Sachsen wieder so viele Polizistinnen und Polizisten haben, dass die Polizeiarbeit tatsächlich gesichert ist.

Soll-/Ist-Besetzung in der Polizeidirektion Leipzig zum 1. 1. 2020. Grafik: Freistaat Sachsen
Soll-/Ist-Besetzung in der Polizeidirektion Leipzig zum 1. 1. 2020. Grafik: Freistaat Sachsen

Und wie sieht das mit den versprochenen Polizisten für Leipzig aus?

Es stimmt: Seit 2015 nimmt die Zahl der Soll-Stellen wieder zu, versucht das Innenministerium die für Leipzig vorgesehenen neuen Polizisten auch im Stellenplan zu verankern. 2016 sollten wieder 3.040 Polizeibedienstete Dienst tun in der Direktion Leipzig, 2019 sollte diese Zahl auf 3.118 steigen. Man kommt also, wenn man die reine Soll-Stärke nimmt, auf etwas über 100 neue Bedienstete mehr. Von 300 war da nirgendwo die Rede.

Doch auch die 100 waren im Sommer 2019 nicht da. 120 Stellen waren unbesetzt. Ergebnis: Leipzig hatte keinen einzigen Polizisten mehr als fünf Jahre zuvor.

Da könnte man natürlich meinen, dass im Herbst dann wenigstens die 300 versprochenen neuen Beamten nach Leipzig gekommen wären.

Aber die Antwort, die Kerstin Köditz bekommen hat, stellt etwas anderes fest.

Die Soll-Stärke lag am 1. Januar noch immer bei 3.118 Beamten und Angestellten. Dem gegenüber stand eine tatsächliche Stellenbesetzung von 2.916. Zum Jahresende 2019 waren also satte 202 Stellen bei der Leipziger Polizeidirektion nicht besetzt. Das CDU-Versprechen entpuppt sich als heiße Luft.

Tatsächlich arbeitet die Polizeidirektion noch immer mit derselben ungenügenden Polizeiausstattung wie 2009. Die Personalsituation hat sich nicht gebessert. Oder etwas überspitzt formuliert: Leipzigs Polizei kraucht seit zehn Jahren auf dem Zahnfleisch. Die Leute werden verschlissen. Und damit ist die Polizeidirektion Leipzig noch stärker unterbesetzt als alle anderen sächsischen Polizeidirektionen.

300 zusätzliche Polizisten für Leipzig sind nichts als heiße Luft

300 zusätzliche Polizisten für Leipzig sind nichts als heiße Luft

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 24. Januar 2020): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen. Doch eben das ist unser Ziel.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen (zur Abonnentenseite).

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Aufrechterhaltung und den Ausbau unserer Arbeit zu unterstützen.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 350 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion „Freikäufer“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar