Er hat das Thema ein bisschen verfehlt. Eigentlich wollte Reinhard Hüttl auf dem zweiten Ostdeutschen Energieforum über die Akzeptanz für die Energiewende in der Bevölkerung sprechen. Doch erst einmal erklärte der wissenschaftliche Vorstand des GeoForschungsZentrums in Potsdam die verschiedenen Technologien, wie das Fracking oder die unterirdische Lagerung von CO², die Widerstände in der Bevölkerung erzeugen. Am Ende blieb er technisch und so manche Frage offen.

Die Technik erklären, das kann Reinhard Hüttl wirklich gut: Mittels anschaulicher Folien sprach er über das Fracking, genauer: hydraulic fracturing, was in etwa so viel bedeutet wie aufbrechen und bei dem mit Chemikalien Erdgas aus Schieferschichten unterirdisch gelöst und an die Oberfläche befördert wird. Natürlich gebe es dabei Risiken, doch die habe man im Griff, versicherte der Experte, schließlich werde schon an 35.000 Orten gebohrt.

Doch hier kommt für den Wissenschaftler ein Problem ins Spiel: Die Bevölkerung akzeptiert dies nicht. Als Beleg führt er eine Umfrage des emnid-Instituts an, die ergeben hat, dass die Bürger zwar für die Energiewende sind. Diese Befürwortung aber schlagartig abnimmt, sobald in ihre eigene Umgebung eingegriffen wird. “Dieses Phänomen nennen wir Not-In-My-Backyard”, so Hüttl. Zu Deutsch: Nicht in meinem Hinterhof. Das könne man nicht nur hier beobachten, wo sich Bürger-Widerstand gegen das Fracking regt, sondern auch in Kanada, wo erdölhaltiger Sand vorkommt, den man bloß ausspülen müsse. Und der Wissenschaftler Reinhard Hüttl hegt den Wunsch, die Debatte möge doch weniger wahrnehmungsbasiert und mehr wissensbasiert geführt werden.
Das überrascht nicht. Hüttl als Naturwissenschaftler scheint wiederum die Perspektive zu fehlen, solche Widerstände gegen Forschungsleistungen nachzuvollziehen. Mehr als Wünsche, die Politik möge doch besser mit den Bürgern kommunizieren und die Bürger müssten sich besser über diese Technologien informieren, kann er nicht vorbringen. Muss er auch nicht, schließlich ist er kein Kommunikationswissenschaftler. Das ist eher der Unternehmensberater Uwe Hitschfeld, der am ersten Tag des Forums seine Arbeit zum Thema Akzeptanz vorstellte. Die Akzeptanz sei einer der Standfüße für das Gelingen der Unternehmung Energiewende. Sie ist eingebettet in den Trend hin zu mehr plebiszitären Elementen in der öffentlichen Entscheidungsfindung.

Es geht hin zu Bürgerbewegungen und Volksentscheiden. Ergo muss besser kommunziert werden. Doch wie, darin blieb auch Hitschfelder verschwommen. “Das Problem ist, mit solchen Bürgerbewegungen kann man schwer arbeiten. Denn sie wissen nicht, ob jener, mit dem Sie heute sprechen, morgen noch da und Ansprechpartner sein wird”, so der strategische Berater.
Die Bürger ergreifen Eigeninitiative, wohl weil sie den gewählten Würdenträgern nicht vertrauen? Dass die Energiewende vor der eigenen Haustür so wenig akzeptiert wird, ist ein Armutszeugnis für die Politik. Und die selbstorganisierten Bürger denken eben nicht wie Forscher. Und auch nicht wie Politiker. “Jeder Vorschlag, den ich zur Energiewende bringe, wird zerpflückt von betriebswirtschaftlichen Interessen. Dabei müssen wir doch volkswirtschaftlich denken”, monierte Bundesumweltminister Peter Altmaier bereits in seinem Vortrag. Dies dürfte zuviel verlangt sein von einzelnen Bürgern, zumal Verfahren wie CCS und Fracking nicht unberechtigt auf Misstrauen treffen.

Denn “der Bürger” denkt, wenn es um das Fracking geht, eher an die Fernsehbilder aus dem Nordosten Pennsylvanias. Das Land, wo Menschen das Wasser aus Ihren Hähnen anzünden können. Sie denken an die Asse, wo den Menschen jahrzehntelang versprochen wurde, dass alles sicher sei und nun das Grundwasser möglicherweise verseucht ist. Es ist nachvollziehbar, dass aufgrund solcher Erlebnisse das Vertrauen in Politik und Wissenschaft geschwächt ist. Dies wieder herzustellen, ist eine weitere Aufgabe an die Bundesregierung, wenn die Energiewende gelingen soll.

Und vielleicht geht es leichter, wenn sie sich zu Herzen nimmt, was Geo-Forscher Reinhard Hüttl in seinem Vortrag forderte: “Wir brauchen ein schlüssiges Konzept.” Vielleicht klappt es dann auch mit dieser vermaledeiten Akzeptanz, von der so viel auf dem Energieforum geredet wurde.

Zum Artikel vom 30. April 2013 auf L-IZ.de

Akzeptanz von Großprojekten: Überwältigende Mehrheit sieht umfassende Informationspflicht der Verantwortlichen von Anfang an

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