Die Stadt Leipzig hat mit Kosten in Höhe von 1,27 Millionen Euro (darunter 75 Prozent Fördermittel) das Anschlussgleis zum Industriepark Nord modernisiert, wo sich zum Beispiel das BMW Werk erstreckt. Zum ersten Mal trat dabei das Amt für Wirtschaftsförderung als Bauherr auf. Die nunmehr ertüchtigte Anlage verfügt über ausreichend Potenzial, auch kommenden Investoren einen Gleisanschluss zu bieten, betonte Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU) anlässlich der feierlichen Eröffnung am Donnerstag.

Anschlussgleis ist der gängige Begriff, eisenbahnamtlich handelt es sich um ein Industriestammgleis. Und an diesem Stamm gibt es drei starke Äste. Zuerst kam 1994 das Quelle-Versandzentrum zu einem Geisanschluss (für den nächtlichen Container-Zulauf aus Hamburg und Bremerhaven). Es folgte 1996 die Messe (nicht zuletzt für Eisenbahnausstellungen) und 2003 BMW (für den Abtransport fertiger Autos). Weil in Leipzig die umworbenen Investoren forsch auftreten und günstige Randbedingungen in die Ansiedlungsverträge hineinformulieren, entschloss sich die Stadt Leipzig vor über zwanzig Jahren kurzerhand, die eingleisige Strecke selber zu bauen und damit Eigentümer von Eisenbahn-Infrastruktur zu werden. Wirtschaftsbürgermeister Albrecht darf sich somit als Herr der Gleise fühlen, zumindest der Anschlussgleise.

Viel Gleis, viel Ehr. Gern kolportiert wird deshalb die Geschichte, dass BMW Leipzig eines schönen frostigen Wochenendes im Amt für Wirtschaftsförderung anrief und signalisierte, dass eine eingefrorene Weiche im Anschlussgleis die kontinuierliche Produktion gefährden könnte. Doch wie bekommt ein Amt eine Weiche wieder frei? Wirtschaftsförderer Konrad Kutter dachte praktisch, verließ sich auf den nächsten Baumarkt und sorgte mit Tausalz und einem stabilen Besen für die Weichenbefreiung dafür, dass BMW gelassen weiter produzieren konnte.

Durch die bekannte Bruchlandung von Quelle, die zum Glück für die Stadt Leipzig in eine gelungene (Teil-)Nachnutzung des einst modernsten Versandzentrums der Welt mündete, vor allem aber dank BMW und DB Schenker herrscht heutzutage von Montag bis Freitag reger Eisenbahn-Güterverkehr im Norden von Leipzig – mit Tempo 20, denn es handelt sich zwar um eine blitzsauber gebaute Trasse, aber eben “nur” um ein Anschlussgleis. Leider ist in Richtung Messe der Prellbock das markanteste Bauwerk im Gleisbereich geblieben.

Schwerer Eisenbahnverkehr seit zwanzig Jahren setzt auch dem besten Gleis zu, und handbediente Weichen, wie damals auf die Schnelle gebaut, passen irgendwie nicht mehr zu den hochtechnologischen Weltmarktfabriken, die den Schienentransport nutzen. Erneuerung der Leit- und Signaltechnik, Umstellung auf elektrische Weichen und Sanierung des Bahnübergangs im Zuge des Mockauer Rings haben die Infrastruktur wieder fein herausgeputzt. Wichtig für den Betrieb: Die Störanfälligkeit des Gleises sinkt, wie es die Aufsichtsbehörde verlangt hat.

Die Leipziger Ämter für Wirtschaftsförderung, Verkehr und Tiefbau sowie Liegenschaften haben sich verbündet, um all den strengen Vorgaben zu genügen, die hierzulande nun einmal gelten, wenn einem Gleise für den öffentlichen Verkehr gehören. Die Firmen Gesig und Papenburg teilten sich die Ausführungsarbeiten, und 36 Verwaltungsmenschen, Bahnaufsichtsbeamte und Bauleute freuten sich am Donnerstag über ein Millionenvorhaben, das innerhalb von drei Monaten praktisch umgesetzt wurde. Zwölf Betriebseisenbahner kümmerten sich derweil um die sichere Fahrt einer historischen Reichsbahn-Diesellok der Baureihe 118 und eines passenden Speisewagens, dem schon zehn Betriebsjahre in den Radsätzen steckten, ehe überhaupt nur daran zu denken war, dass Quelle in Leipzig Versandware aus Übersee empfangen würde. An der Kilometertafel mit der klaren 5,0 war am Donnerstag Schluss mit der stilechten Sonderfahrt. Fünf Kilometer Paradefahrt entlang der Großinvestitionen in der “Goldkammer der Leipziger Wirtschaft, zumindest was die Gewerbesteuer betrifft”, wie dem Wirtschaftsbürgermeister das Herz förmlich überlief.

Zwölf Millionen öffentliche Euro sollen bis 2018 vom Amt für Wirtschaftsförderung in die funktionale Aufhübschung von Leipziger Gewerbegebieten gesteckt werden. Nicht alles wird dabei auf die Schiene gesetzt. Manchmal muss auch die Umverlegung von Erdkabeln auf städtische Kosten sein, um ein Gewerbegrundstück besser vermarkten und einen Investor anfüttern zu können. Mit dem avisierten Betrag der Wirtschaftsförderung können Weichen gestellt und Anschlüsse für manches Werk hergestellt werden. Welche Werke? Das war während der Eröffnungsfahrt wohlweislich nicht zu erfahren. Aber eine Motorenfabrik wäre ja sicher nicht schlecht in der Autostadt mit ihren beiden schillernden, imageträchtigen Marken.

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