Selbst Erwachsene haben so ihre Schwierigkeiten zu begreifen, was den aktuellen Klimawandel eigentlich bewirkt, welche Folgen der weltweite Anstieg der Temperaturen hat und was das eigene Tun und die lokale Politik damit zu tun haben. Wie kompliziert ist das Ganze erst für Kinder? - Eigentlich gar nicht, fand wohl eine junge Dame namens Lisa.

Was wohl auch an ihrer pfiffigen Mutter liegt: Kerstin Landwehr, studierte Germanistin, Kinderbuchautorin von Beruf. Die hat eine kindgerechte Geschichte geschrieben über die Folgen, die der Klimawandel jetzt schon auf das Polarmeer hat. Sie hat sich dazu lauter kindgerechte Helden gesucht – einen jungen Eisbären, der nicht schwimmen kann, einen Pottwal, der gern träumt beim Schwimmen (und dabei schon mal gegen den Betonpfeiler einer Bohrinsel knallt), eine Rosenmöwe, die nie ohne Fernglas und Seekarte unterwegs ist, eine waschechte amerikanische Pantoffelschnecke, die es ins Nordseewatt verschlagen hat, eine Trottellumme namens Ute … Und so weiter. Denn was mit einer kleinen Karambolage im Nordmeer beginnt, wird bald zu einer richtigen Aufregung in der maritimen Fauna, denn nicht nur Eisbär Fritz hat Probleme, weil ihm die Eisschollen unter den Tatzen wegbrechen.Der junge Leser merkt auch schnell, dass schon jetzt einiges durcheinander geraten ist. Nicht nur pazifische Austern tauchen auf einmal auf, wo sie gar nicht hingehören. Was aber ist geschehen? Warum ist alles durcheinander? – Aus einer gemeinsamen Rettungsaktion für Eisbar Fritz wird eine große Erkundungsaktion, bei der sich schnell der Verursacher der ganzen Malaise herauskristallisiert: Es ist der Mensch, der seltsame Dinge tut und dazu gewaltige Mengen von Energie verbrennt und Treibhausgase in die Atmosphäre bläst. All die Dinge, die engagierte Physik-, Biologie- und Geografielehrer ihren Schülern auch so erzählen. Aber es ist nicht immer leicht, die komplexen Zusammenhänge auch so zu vermitteln, dass die Kinder sich als Teil der Geschichte verstehen.

Das gilt ja nicht nur für den Klimawandel. Das gilt für viele schulische Themenkomplexe. Und eigentlich ist der Klimawandel – aus pädagogischer Sucht – sogar ein Geschenk: Er führt plastisch und fühlbar vor, wie Gesetze aus unterschiedlichsten Wissenschaften ineinanderspielen, dass Physik, Geografie, Biologie in der realen Welt aufs engste miteinander zusammenhängen.

Und die tierische Geschichte, die Kerstin Landwehr dazu erfunden hat, macht das Ganze für Kinder plastisch, schildert es, wie sie es teilweise auch aus dem Kinderprogramm im Fernsehen gewohnt sind. Es gibt lauter sympathische Helden, es gibt eine Menge Aufregung und es gibt einen dramatischen Kongress, zu dem mit der nordischen Riesenseekuh sogar eine Spezies auftaucht, die die Menschen schon im 18. Jahrhundert ausgerottet haben.

Und die fleißigen Leser unter den Kindern werden sich an der Stelle an eines der beliebtesten Kinderbücher von Erich Kästner erinnert führen: “Die Konferenz der Tiere”, bei der die Tiere nichts Geringeres als den Weltfrieden erreichen wollten. – Die Tiere in diesem Buch nun wollen ganz ähnlich Gewaltiges erreichen. Und sie senden Lasse, die eifrige Rosenmöwe, aus, um bei einem menschlichen Gericht Klage zu erheben gegen die Menschen, die mit ihrer gedankenlosen Verschwendung die Lebenswelt der Tiere zerstören. Aber auch ihre eigene Welt, denn der steigende Meerwasserspiegel wird auch viele dicht besiedelte Landstriche der menschlichen Zivilisation überfluten.

Illustriert hat die Geschichte Lisa Landwehr, aktuell 17 und seit Kindesbeinen begeisterte Malerin und Zeichnerin. Sie hat den Charakteren der Geschichte witzige Physiognomien verpasst und auch für die dramatischen Folgen der menschlichen Gedankenlosigkeit treffende Bilder gefunden. Den Eisbär Fritz gibt es mittlerweile auch als Kostüm, mit dem der Draksal Verlag das Buch vor allem in Schulen vorstellt.Die Geschichte selbst würde für sich schon ein durchaus dickeres Kinderbuch ergeben. Aber das Anliegen der beiden Autorinnen und des Verlages geht ja weiter. Es soll ja die jungen Leser auch dazu animieren, sich mit den komplexen Zusammenhängen etwas intensiver zu beschäftigen. So taucht schon in der Geschichte immer wieder ein kleines Zitat aus dem “Schnick-Schnack-Lexikon” der Pantoffelschnecke Helma auf. Im Anhang gibt es dann ein etwas ausführlicheres “Schnick-Schnack-Lexikon”, das das Buch zu einem kleinen “Schlaubergerbuch” macht und recht kindgerecht erklärt, was es etwa mit Treibhauseffekt, Eisschmelze und Meeresströmungen auf sich hat.

Danach gibt’s einen “Mitmach-Teil”, denn tatsächlich kann jeder Einzelne dazu beitragen, die Belastung der Erde durch Energieverschwendung und Müll zu verringern. Das hält den Klimawandel zwar noch nicht auf, denn dazu müssten es auch die politisch Verantwortlichen auf all ihren Klimakonferenzen endlich schaffen, einen grundsätzlichen Wandel ihrer Wirtschaftspolitik herbeizuführen. Aber auch der einzelne Mensch ist nicht ganz so machtlos, wie es einige Gedankenlose immer wieder behaupten. Und danach gibt’s, damit die Sache auch fassbar wird für die jungen Leser, “Kasimirs knallbunte Experimentierküche”, wo man Wasser gewinnen kann, einen Sonnenpropeller bauen oder begreifen, wie ein Wollschal eine Flasche mit heißem Wasser warm hält. Lauter Experimente, die fassbar machen, wie das “große Ganze” in seinen sonst eher unsichtbaren Kreisläufen funktioniert.

Und ganz hinten – nachdem auch noch ein paar Umweltschutzorganisationen vorgestellt wurden – gibt’s dann noch einen Haufen Fragen, die noch einmal deutlich machen, dass einfache Antworten das Problem ganz und gar nicht lösen.

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Alarm im Polarmeer
Kerstin Landwehr, Draksal Fachverlag 2011, 17,95 Euro

Ein erstaunlich komplexes Buch, das Kindern mit Freude am Erzählen zeigt, wie das Klima der Erde funktioniert und wie Menschen es verändern. Gedankenlos oder rücksichtslos. Das ist egal. Die Probleme, die dadurch entstehen, brauchen kluge Menschen und ganze Generationen, die endlich in der Lage sind, komplex zu denken und nachhaltig und vorausschauend zu handeln. Und vorausschauend heißt eben nicht nur, bis zur nächsten Wahl, sondern mindestens bis zur übernächsten Generation. Wer kürzer denkt, hat in politischen Ämtern eigentlich nichts mehr verloren.

www.alarm-im-polarmeer.de

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