Nürnberg hat einen schönen alten Ruf. Obwohl die Stadt tatsächlich sogar jünger ist als Leipzig. Doch wer es schafft, zu einer Kaiserburg zu kommen und zu einem später mehr als nur berühmten Burggrafengeschlecht, der spielt natürlich historisch auf einer ganz eigenen Bühne. Mit den Burggrafen, den berühmten Zollern, aus denen dann die Hohenzollern und preußischen Könige wurden, gab es freilich Zoff.

Aber das ist historisch normal, wenn zwei selbstbewusste Parteien aufeinander stoßen – in diesem Fall die Burggrafen und die selbstbewussten Bürger der Reichsstadt. Etwas, was ja die Leipziger so mit ihren Landesherren auch immer wieder erlebt haben. Die Leipziger wurden von ihrem Landesherren vor 800 Jahren bekanntlich ordentlich aufs Kreuz gelegt. Die Nürnberger kauften Friedrich VI. 1427 einfach das Burggrafenamt ab.

In den nächsten Jahren wurde Nürnberg wohl zur wichtigsten Stadt der frühbürgerlichen Entwicklung in Deutschland. Hier wirkten Albrecht Dürer, Veit Stoß, Willibald Pirckheimer, Martin Behaim, Adam Kraft, Peter Henlein und – nicht zu vergessen – Hans Sachs. Die Stadt wurde für das 15. Jahrhundert zum Symbol selbstbewussten und aufstrebenden Bürgertums. Das ist alles noch und wieder zu besichtigen auf kleinstem Raum, wie Kristina Kogel feststellt, die diesen Stadtrundgang geschrieben hat.

Die erste deutsche Eisenbahnstrecke und das berühmte Eisenbahnmuseum kommen auch drin vor. Aber sie startet wieder in einem Parkhaus.

Mehr zum Thema:

Krämerbrücke, Eulenspiegel und törichte Jungfrauen: Erfurt an einem Tag
Womit fängt man an, wenn man …

Ein Stadtrundgang voller Geschichten: Quedlinburg an einem Tag
Geschichte schreibt Quedlinburg am …

Bahnfernverkehr in Leipzig: Baubürgermeister Martin zur Nedden sieht Besserungsbedarf
Der “stolpernde Takt” der Bahn zwischen Leipzig …

Dem am Hauptmarkt, wo die IHK sitzt und wo der Christkindlsmarkt stattfindet. Manchmal sind es auch die Attraktionen, die einer Stadt einen guten alten Ruf verschaffen. Und während Leipzig von seinen Kaufleuten 500 Jahre lang immer wieder abgerissen und neu gebaut wurde, haben sich die Nürnberger irgendwann gesagt: Wir lassen mal das 15. und 16. Jahrhundert stehen. Oder bauen es wieder auf – wie es nach der großflächigen Zerstörung im 2. Weltkrieg geschah. Was Nürnberg zu einer der schönsten westdeutschen Städte gemacht hat. Andere Magistrate waren da wesentlich rücksichtsloser. Und hinterließen entsprechend luftige Stadtbilder.

Deswegen ist zwar nicht mehr alles original Renaissance, was in Nürnberg so aussieht – aber es sieht so aus. Mehr will man ja oft gar nicht. Man weiß ja, dass man das Dürer-Atelier nur in Replik besichtigen kann. Und dass auch die Kaiserburg nicht mehr stünde, wenn sich die Nürnberger nicht mit Maurerkelle und Kalk drum gekümmert hätten. Auch die Stadtmauer hat man sich so erhalten, obwohl Nürnberg seit 1860 nicht mehr Festung ist.Sähe Leipzig auch noch mittelalterlich aus, wenn Bürgermeister Carl Wilhelm Müller nicht schon im 18. Jahrhundert den ganzen Mauer-Bembel hätte niederreißen und die Gräben verfüllen lassen? Manchmal sind es einzelne Leute, die der Geschichte einen ganz neuen Drall geben.

37 Stationen hat der von Kristina Kogel erstellte Rundgang, bei dem das Faszinierendste vielleicht sogar jenes mehrmalige Queren der Pegnitz ist, die mitten durch die Stadt fließt, unter Mauern und Bauten hindurch. Tatsächlich trennte sie einmal die beiden Stadtkerne Lorenz und Sebald. Dazwischen war Sumpf und Aue. Und die Nürnberger überbauten den Zwischenraum – noch heute sichtbar – mit viel Phantasie. Man kann im “Wirtshaus Kettensteg” speisen, gleich neben der Fronveste, die sich über die Pegnitz spannt. Sogar den Waffenhof am Weißen Turm haben die Nürnberger wieder aufgebaut. Und das schon zu Zeiten, als das Wort “experimentelle Archäologie” noch gar nicht erfunden war.

Natürlich ist das alles eindrucksvoll. Die Kontraste sind bewusst gesetzt – nicht nur durch den Reichsgrößenwahnsinn der Nazis, der durch das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände konterkariert wird. Auch die modernen Museumsbauten geben Kontra – das Germanische Nationalmuseum zum Beispiel, aber auch die Straße der Menschenrechte, die man passiert, wenn man von der ältesten Bratwurstküche der Stadt “Zum Gulden Stern” zum Handwerkerhof läuft, den die Nürnberger 1971 extra nachgebaut haben, damit die Gäste zum Dürer-Jubiläum ein mittelalterliches Handwerkerviertel besichtigen konnten.

Bestellen Sie dieses Buch versandkostenfrei im Online-Shop – gern auch als Geschenk verpackt.

Nürnberg an einem Tag
Kristina Kogel, Lehmstedt Verlag 2012, 4,95 Euro

Der Neubau kam so gut an, dass die Nürnberger ihn stehen ließen. Da kann man also das jüngste Stück Mittelalter in ganz Deutschland besuchen. Fränkische Spezialitäten gibt’s dort auch. Man braucht also nicht hungrig wieder wegzufahren. Nur etwas fußlahm, denn nach dem Handwerkerhof kommen noch neun Stationen. Und mindestens einmal muss man noch über die Pegnitz. Wenn man noch weiß, wo man sein Auto abgestellt hat.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar