Nach und nach hat sich in den letzten Jahren in Leipzig eine rege Szene aktiver Krimi-Autoren entwickelt. Der Großstadt erwuchs - wie es ihr gebührt - eine spannende Literaturgesellschaft, die Leipzig von seiner schwarzen Seite zeigt. Und wo noch vor Kurzem nur vereinzelte markante Namen gehandelt wurden, gibt es mittlerweile einen ganzen Stammtisch. Zum literarischen Morden bereit.

Zu Hause ist er im “Café Waldi”, strategisch günstig gelegen. Einmal im Monat treffen sich dort die Leipziger Krimi-Autoren. Oder besser: einige. Denn alle passen schon längst nicht mehr an einen Tisch. Viele sind mittlerweile eng mit dem fhl Verlag liiert, manche veröffentlichen hier ganz speziell ihre Leipzig-Titel, bringen andere Bücher in anderen Verlagen unter. Aber was sie natürlich vereint, ist ihre Vorliebe für die Schattenseiten der Menschen.

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Manche sind schon seit Jahren und Jahrzehnten aktiv. Jan Flieger veröffentlichte schon in der DDR seine Krimis, die durchaus auf kritisches Echo trafen. Denn er stellte nicht den linientreuen und flott ermittelnden VP-Major ins Zentrum seiner Bücher, sondern leuchtete in das Dunkel der Täter hinein. Was er bis heute macht. Und was seine Krimis eher aus dem Feld der beliebten Detektiv-Geschichte hinüberrückt in den Bereich des Thrillers. Denn die Frage bleibt ja: Was macht Menschen zu Monstern? Was treibt sie zu Mord und Gewalt? Welche Motive treiben die Leute an, denen man es im bürgerlich braven Alltag gar nicht ansieht, dass sie sich nach Dienstschluss von Dr. Jekyll in Mr. Hyde verwandeln?

Wenn sich die Runde nun schon regelmäßig trifft und alle mit eigenen Buchprojekten beschäftigt sind, liegt es gar nicht so fern, auch über gemeinsame Projekte nachzudenken. Das erste liegt nun vor: 13 kurze Texte von 9 Autoren, von denen einer noch ein berühmter Gast ist: Erich Loest, den die Leipziger in DDR-Zeiten auch unter dem Pseudonym Hans Walldorf als Krimi-Autor kennen lernen konnten in der Zeit, als dem wort-mächtigen Romanschriftsteller Loest das Veröffentlichen in der beleidigten Bürokratenrepublik untersagt war.Und mit “Alles oder nichts” zeigt der Berühmteste unter Leipzigs Gegenwartsautoren, dass ihm das Metier nicht fremd geworden ist, dass er mit knapper, straffer Handlung seine Fäden zu spinnen und den Fall zum Showdown zu treiben weiß. Der Gast ist ein Profi. Und in den Folgebänden darf man mit ebensolchen Gast-Auftritten weiterer Profis rechnen, verrät Hartwig Hochstein, der für die “Stammtischmorde” als Herausgeber fungiert und im Vorwort (“Ein Mordsplan”) noch so tut, als wäre es gar nicht beschlossen, noch Folgebände vorzulegen.

Hochstein ist den Leipzigern noch als Chefredakteur der LVZ bekannt. Mittlerweile genießt er das Leben als freier Journalist und taucht in seiner alten Zeitung öfter mal als Rezensent von Kriminalliteratur, vorrangig natürlich der Leipziger Kriminalliteratur auf. Er sitzt auch in der Jury zum “Leipziger Krimi-Preis”, der ebenfalls mit dem fhl Verlag verquickt ist. So bot es sich also an, ihm auch die Herausgeberschaft für den ersten Band der “Stammtischmorde” zu übertragen.

Drin sind ein paar von den markanten Autoren, die mittlerweile den Standard des Leipziger Krimis bestimmen – neben Jan Flieger etwa Andreas Stammkötter, der mit seinen Kriminalromanen ja schon eine weite Reise durch diverse Leipziger Verlage hinter sich hat. Dazu kommen Autorinnen, die sich mit Veröffentlichungen in jüngerer Zeit einen Namen gemacht haben – wie Romy Fölck und Traude Engelmann. Andere arbeiten noch an Krimis, die in nächster Zeit im fhl Verlag erscheinen.

Und so bunt wie die Autorenriege, so bunt sind auch die Erzählweisen – von packend auf die rasche Aufklärung hin geschrieben bis zum Psychogramm von Opfern oder Tätern, in deren Haut die Autoren schlüpfen. Es gibt die kleine schockierende Geschichte genauso wie die flott hingeworfene Skizze zu einem der aktuellsten Leipziger Kriminalfälle – der so genannten “Kinderbande” (Stefan B. Meyer: “Kinder der Stadt”).

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Stammtischmorde
9 Leipziger packen aus

Hartwig Hochstein, fhl Verlag Leipzig 2012, 12,00 Euro

Natürlich ist so ein Band ein Potpourri – es wechseln die Stile, die Stimmungen, die Maskeraden, die Sichtweisen. Hier zeigen neun Autorinnen und Autoren, wie breit die Spielmöglichkeiten des Genres sind, wie viel ganz normaler, wahnsinniger Alltag auf zwei, zehn oder zwanzig Seiten passt.

Und da schon angekündigt ist, dass man für weitere “Stammtischmorde” weitere hochkarätige Gastautoren einladen wird, ist jetzt schon klar: Das hier hat Folgen.

Veranstaltungshinweis: Am Donnerstag, dem 18. Oktober 2012, um 20 Uhr, packen acht mord- und totschlagerprobte Leipziger zur Buchpremiere ihre mörderischen Geschichten bei Hugendubel Leipzig in der Petersstraße aus.

www.leipzig-krimi.de

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