Es ist zwar ein grinsender Schädel, der das Cover schmückt. Und ein wenig spielt Sophie Sumburane in ihrem Vorwort auch mit den durchaus lustigen Seiten, die der Herr mit der Sense hat. Aber wer jetzt ein paar kriminelle Geschichten aus dem Reich der Fantasy erwartet, hat das falsche Buch erwischt. Eigentlich geht's gar nicht um Herrn Tod, sondern um die Dilettanten unter den Kriminellen.

Die wir ja alle sind. Nur in den Highspeed-Krimis ist alles perfekt, ist der Täter ein kleines Genie, dem es gelingt, einen Fall für die Ermittler fast unlösbar zu machen und dem Arm der Gerechtigkeit beinah zu entkommen. Und die ermittelnden Polizisten sind entweder auch kleine Geistesgrößen oder das Gegenteil – vom Alltag gebeutelte Gestalten, die so langsam keine Lust mehr haben, dem ewig Bösen immer weiter und immer wieder aufs Neue nachzuspüren.

Aber ist das auch die Realität? Ist es nicht eher so, dass Menschen eher beiläufig und keineswegs genial geplant zu Mördern werden? Oder werden wollen. Entsprechend dilettantisch sind dann auch die Taten. Und nicht nur die Polizei ist mal wieder perplex, aus welch nichtigen Gründen Menschen Menschen umbringen.Ein wenig von diesem Versagensmoment steckt auch in diesen 25 Geschichten, zu denen sich Krimi-Autorinnen und Autoren aus allen Ecken des Landes zusammengefunden haben, ein bisschen makaber die meisten, einige richtig schräg und von jener heiligen Schadenfreude getragen, die man aus den schwarzen englischen Humorwelten kennt. Und es wird natürlich gemordet, was das Zeug hält. Auch wenn die Sache zumeist ganz schrecklich daneben geht. Wie im richtigen Leben. Manchmal ist es das vermeintliche Opfer selbst, das am Ende fröhlich den Spieß umdreht, manchmal schaufelt sich der Möchtegern-Täter selbst ein Grab. Manchmal ist es eine von diesen quälenden, lebenslangen Geschichten, aus denen humorlose Großautoren für gewöhnlich 600-Seiten-Schmöker schinden, obwohl die Sache nicht nur auf sechs Seiten komplett abgehandelt werden könnte, sondern auch noch eine Pointe bekommen kann, die es in sich hat.

Manchmal sogar zur Verwunderung der zum Opfer Ausersehenen, die verblüfft auf ein Ergebnis sehen, von dem sie nicht wissen, wie es dazu hatte kommen können. Die Narreteien und Manien stecken ja in den Köpfen der Menschen. Und so mancher Leidensgenosse wird sich wiedererkennen in einigen dieser vom Leben gebeutelten Gestalten, die nicht voneinander können und am Ende nur noch Gewalt als Lösung sehen. Auch einige bekannte Autorinnen und Autoren aus dem Leipziger Krimi-Netzwerk haben wieder ihrer Mordsphantasie freien Lauf gelassen – von Jan Flieger bis zu Stefan B. Meyer.

Und man fragt sich als Leser natürlich schon: War das wirklich der Arbeitstitel, das mit dem Tod? Oder stand am Anfang nicht eher so eine Aufgabe wie: “Wenn böse Taten in die Hose gehen”? Irgendwie so, quasi mal das Böse aus seinem düsteren Glanz genommen und die ganzen Missetäter, die ja eigentlich Menschlein sind wie du und ich, gezeigt, wie sie wirklich sind – irrend, ichbezogen, fahrlässig, grässlich naiv und von den eigenen Fallstricken gefangen. “Wer andern eine Grube gräbt” wäre ja nicht zum ersten Mal der Titel für eine Kriminalgeschichte.

Und verdenken kann man es den versammelten Autoren nicht. Ihnen muss es ja von Zeit zu Zeit genauso gehen wie ihren überanspruchten, seelisch geplagten Ermittlern. Irgendwann kann man diese ganze zu Mord und Totschlag geronnene menschliche Blödheit nicht mehr sehen, erst recht nicht die selbstgerechten Täter mit ihren wilden Vorstellungen über Gerechtigkeit und Lebenssinn. Da muss was anderes her. So war das schon bei Dahl und Slesar, auch wenn sich die hier versammelten Autoren (etwas anders als der Titel verspricht), nicht wirklich vorgenommen haben, die Sache mit Humor zu beenden.Einige bleiben durchaus in dem Stil, mit dem sie auch ihre ernsthaften Krimis schreiben. Sie gehen nur einen kleinen Schritt weiter und lassen das, was ihre Helden sich so ausgedacht und zuweilen mit Akribie geplant haben, locker leicht oder mit lautem Knall ganz schrecklich schief gehen. Oder noch schiefer als schief, denn es gibt auch ein paar Täter dabei, die durch einen der hübschen Zufälle des Lebens davor bewahrt werden, ihre Tat zu vollbringen – und dennoch in die Mühlen der Gerechtigkeit geraten. Es ist der dumme Zufall, der zuschlagen darf. Und der ja bekanntlich im gewöhnlichen Leben sowieso die Oberhand hat und den schönsten Plänen ein enttäuschendes Ende bereitet.

Deswegen erzählen Menschen so gern Geschichten, geben dem, was geschieht, einen narrativen Sinn. So schwindeln sich Menschen nicht nur die eigene, sondern auch die Weltgeschichte zurecht. Irgendwie muss doch das alles an einen positiven Punkt führen, einen Sinn haben, zu irgendeinem Zwecke geschehen. Das kann doch nicht alles sinnlos und chaotisch sein. Und weil wir so süchtig nach sinnvollen Mustern sind, lieben wir spannende Kriminalgeschichten, wo für gewöhnlich zum guten Ende die Handschellen klicken und der Kommissar die Welt rettet auf gewisse Weise.

Hier wird das Erzählmuster ganz bewusst 25 Mal durchbrochen. Zumeist mit Knalleffekt, denn dem Leser schwant zwar nach den ersten Geschichten, dass er jedes Mal damit rechnen muss, dass es anders ausgeht, als es die gewohnte Narration verspräche. Doch manchmal geht es ganz anders aus als gedacht. Und das erzeugt einen gewissen fesselnden Lesegrimm. So nach dem Motto: Mal sehen, was die sich noch trauen.

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Wenn der Tod lachen könnte
Sophie Sumburane, fhl Verlag Leipzig 2013, 12,00 Euro

Das hält vor bis zum Schluss. So nebenbei hat man durchaus auch 25 Arten erlebt, eine Komödie zu erzählen, bei der es zumeist auch die versprochene Leiche gibt. Dafür glänzt der Kerl mit dem klappernden Gerippe zumeist durch Abwesenheit. Er wird gar nicht gebraucht, wenn Menschen all ihre Phantasie entfalten, anderen einen gar schlimmen Tod anzutun. Und auch das noch gründlich versemmeln.

Also ein Büchlein für alle, die ihrem eigenen schwarzen Humor nach Jahren des Darbens mal wieder Futter geben wollen. Oder eine tüchtige Abwechslung brauchen zum heurigen Seligkeitsgebimmel. Also ab in den Nikolausstiefel damit. Schön eingewickelt in schwarzes Seidenpapier.

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