Salbei gegen Halsschmerzen, Kurkuma bei Entzündungen, Kamille für den Magen: Was heute für viele wieder ganz normal ist, galt lange Zeit als vollkommen überholt. Jahrhundertelang nutzte man Pflanzen, um Krankheiten zu behandeln.
Doch mit dem Aufstieg der Pharmaindustrie wurden viele natürliche Mittel verdrängt – oder gezielt aus dem Verkehr gezogen. Lange Zeit standen sich also Schulmedizin und Naturheilkunde gegenüber. Das ändert sich gerade spürbar. Immer mehr Universitäten forschen wieder an und mit pflanzlichen Wirkstoffen. Kliniken bieten ergänzende Therapien an.
Und Ärztinnen wie Ärzte stehen Naturmitteln wieder offener gegenüber – wenn die Datenlage stimmt. Nicht zuletzt auch einer der Gründe dafür ist der wachsende Wunsch vieler Patientinnen und Patienten nach sanften Behandlungen. Viele wollen Medikamente vermeiden, die zu stark in den Körper eingreifen. Stattdessen suchen sie nach Mitteln und Rezepturen mit wenigen Nebenwirkungen und möglichst natürlicher Herkunft.
Ein anderer Grund liegt in der Forschung selbst. Labore können heute Pflanzenstoffe viel genauer analysieren als früher. Man weiß, welche Moleküle für welche Wirkung verantwortlich sind. Und man kann sie gezielt isolieren, standardisieren und prüfen.
Ein Blick in die Geschichte: Wie die moderne Medizin Kräuter aus dem Weg räumte
Vor etwa 100 Jahren galt Pflanzenmedizin noch als der Standard. Apotheken mischten Tinkturen, Tees oder Salben aus Heilkräutern – ganz selbstverständlich. Doch um 1900 kam Bewegung in das System: Die chemische Industrie entwickelte synthetische Medikamente. Sie waren stärker, besser dosierbar und ganz entscheidend, diese waren auch patentierbar und damit wirtschaftlich viel attraktiver.
Gleichzeitig begannen westliche Länder, die traditionelle Pflanzenheilkunde zu verdrängen. In den USA spielte sich das besonders drastisch ab. Mit dem Flexner-Report von 1910 wurde die naturheilkundliche Ausbildung dort fast vollständig ausgelöscht. Die neue Leitlinie lautete: evidenzbasierte Medizin mit Fokus auf die Pharmakologie. Diese Entwicklung setzte sich auch in Europa durch.
Pflanzliche Mittel galten bald als unzuverlässig, unmodern oder sogar gefährlich. Man erklärte sie zu „Hausmittelchen“ – bestenfalls harmlos, schlimmstenfalls wirkungslos. Salbei, Thymian, Cannabis, Beinwell oder Baldrian landeten in der Naturkosmetik – nicht mehr in der Therapie. Es dauerte Jahrzehnte, bis man sich wieder ernsthaft mit der Wirkung pflanzlicher Stoffe beschäftigte.
Bestes Fallbeispiel ist das Cannabis: Von der Verbannung zur medizinischen Nutzung
Kaum eine Pflanze steht aktuell so sehr im Zentrum der Debatte wie Cannabis. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts galt Hanf als gängiges Heilmittel und wurde parallel dazu massenhaft in der Industrie eingesetzt. Ärzte setzten ihn beispielsweise gegen Schmerzen, bei Appetitlosigkeit oder Schlafstörungen und auch zur Linderung neurologischen Leiden ein. Die Blüten und Extrakte waren in jeder Apotheke erhältlich – ähnlich wie auch Baldrian oder Kamille.
Dann kam ein radikales Anwendungsverbot. Ab 1929 wurden Cannabispräparate in Deutschland Stück für Stück verboten. Die USA forcierten international ein hartes Vorgehen gegen die gesamte Pflanze. Auch die Schifffahrtindustrie musste sich alternative Werkstoffe zu dem jahrhundertelang verwendeten Seil-Hanf suchen. Offiziell ging es bei diesem Verbot um den Schutz der Menschen vor der berauschenden Droge. Inoffiziell war der Einfluss der Pharmaindustrie nicht zu übersehen.
Die große pflanzliche Konkurrenz in der Medizin behinderte die Markteinführung der neuen pharmakologischen Produkte zu stark, sodass sich die Pharmaindustrie etwas einfallen lassen musste. Die Kriminalisierung setzte sich über Jahrzehnte fort. Erst in den 2000er-Jahren begann ein langsames Umdenken. Studien belegten die medizinische Wirkung von Cannabis, vor allem bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose oder Chemotherapie-bedingter Übelkeit.
In Deutschland ist medizinisches Cannabis seit April 2024 endgültig aus dem Betäubungsmittelgesetz eliminiert worden. Seither kann man medizinisches Cannabis, nach der Verschreibung durch einen Arzt, wieder ganz legal kaufen, wenn andere Therapien nicht ausreichen. Die Kosten übernehmen inzwischen teilweise wieder die Krankenkassen. Heute profitieren wieder Patienten mit chronischen Erkrankungen von der Wiederzulassung dieser Pflanze als Heilmittel.
Auch in der Forschung tut sich inzwischen recht viel, denn Wirkstoffe wie THC und CBD werden inzwischen gezielt auf ihre unterschiedlichen Einsatzoptionen untersucht. Dabei geht es nicht um Lifestyle, sondern um medizinische Anwendung, allen voran die Schmerzmedizin. Cannabis ist damit ein gutes Beispiel für eine grundlegende Entwicklung: Die Medizin entdeckt die Wirksamkeit traditioneller Heilmittel neu.
Alte Pflanzen und neue Studien – wiederentdeckte Heilmittel
Viele von den Medizinern in Europa fast schon vergessene Pflanzen rücken wieder ins Spot-Light, denn immer mehr Menschen suchen nach sanfteren, natürlichen Alternativen zu klassischen Medikamententherapien. Ein weiteres Beispiel ist Kurkuma. Der gelbe Wurzelextrakt aus der ayurvedischen Medizin enthält den Wirkstoff Curcumin. Studien zeigen, dass Curcumin entzündungshemmend wirkt. Besonders bei Gelenkbeschwerden wie Arthrose berichten Patienten von wohltuender Linderung.
Auch Salbei ist kein altmodisches Hausmittel. Die ätherischen Öle der Pflanze wirken antibakteriell und entzündungshemmend. In klinischen Studien zeigte Salbeitee Wirkung gegen Halsschmerzen und Zahnfleischentzündungen. Ingwer wird bei Übelkeit, Verdauungsproblemen oder Erkältungen eingesetzt. Der Scharfstoff Gingerol zeigt in Studien antioxidative und entzündungshemmende Effekte.
Schwangere, die unter Morgenübelkeit leiden, profitieren nachweislich von Ingwerpräparaten. Auch Kamille ist medizinisch anerkannt. Ihre beruhigenden und krampflösenden Eigenschaften nutzt man bei Magen-Darm-Beschwerden, Hautreizungen oder zur Inhalation bei Atemwegsinfekten. Die Wirkung basiert auf Flavonoiden und ätherischen Ölen. Neben diesen Klassikern interessieren sich Forschende für neue Pflanzenstoffe: Ashwagandha zur Stressreduktion, Rhodiola bei Erschöpfung oder Mariendistel zur Leberunterstützung. Der Markt wächst – und ebenso die Anforderungen an die Studienqualität.
Denn pflanzlich bedeutet nicht automatisch ungefährlich. Auch Naturstoffe können Nebenwirkungen haben oder mit anderen Medikamenten interagieren. Deshalb wird heute intensiver geprüft: Welche Dosierung wirkt? Welche Stoffe sind enthalten? Wie standardisiert man Pflanzenextrakte?
Zwischen Tradition und Fortschritt
Pflanzen begleiten die Medizin seit Jahrtausenden. Lange Zeit galten sie als überholt, doch inzwischen hat man kapiert, dass auch wir Menschen stärker mit der Natur verbunden sind und entsprechend stark auf die Natur reagieren und damit ist es auch gut so, dass man natürliche Heilmittel wieder in den Fokus rückt. Wissenschaft und Erfahrungswissen nähern sich wieder aneinander an – zum Vorteil für viele Patienten. Denn manchmal hilft ein Tee, wo Tabletten nicht weiterkommen.
Wir sollten einfach wieder verstehen lernen, dass es oft beides braucht, die moderne Forschung und das traditionelle Wissen unserer Ahnen in einer sinnvollen Kombination und Gewichtung, anstatt sie gegeneinander auszuspielen. Leider macht uns Menschen hier immer wieder der schnöde Mammon, die Gewinnsucht oder der Wunsch nach Beherrschung des Marktes, einen dicken Strich durch die Rechnung.
Quellenverzeichnis:
https://flowzz.com/legal-cannabis-kaufen
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5664031
https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/13562/documents/15447
https://natuerlich.thieme.de/therapieverfahren/phytotherapie/detail/salbei-salvia-officinalis-l-1162

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