Das Datum wird in den Geschichtsbüchern zum Thomanerchor jetzt seinen Platz behalten: 17. April 2013, Einweihung des erweiterten Thomaneralumnats. Die Zahl kommt dann neben die beiden Vorgängerdaten: 1732 und 1881. 1732 war es kein geringerer als Johann Sebastian Bach, der zum Wiederbezug der Thomasschule, die um zwei volle Stockwerke erhöht worden war, seine Knaben singen ließ: "Froher Tag, verlangte Stunden."

1881 wurde dann das neu erbaute Alumnat in der Hillerstraße bezogen. Ein seinerzeit nagelneues Viertel in einem der vier von Carl Heine aufgeschütteten Baugebiete. Was dann die Bauleute 2010 zu spüren bekamen: Sie mussten das gesamte Gebäude in seinen Grundmauern erst einmal trocken legen. Denn das Alumnat war 1881, wie Stefan Altner, Geschäftsführer des Thomanerchores, zu berichten weiß, direkt über dem einstigen Kuhstrangwasser errichtet worden, einem alten Abfluss der Pleiße, der auch noch einige Jahrhunderte nach dem Bau des Pleißemühlgrabens durch die Auen schlängelte.

So ein bisschen lag es also in der Luft, was Thomaspfarrerin Britta Taddiken dann als Gleichnis zum Abschluss der Feierstunde am Mittwoch, 17. April wählte: das “Gleichnis vom Hausbau” aus Matthäus, Kapitel 7. Da kommt das schöne Sinnbild vom “Haus auf Sand gebaut” vor. Was ja in Leipzig eigentlich kein Bildnis ist. Wer in Leipzig baute, baute fast immer auf Sand. Die berühmte Grauwacke als festen Grund hat erst Carl Heine richtig angebaggert.Aber das Gleichnis kann natürlich auch auf das ganze große Projekt bezogen werden, den Thomanerchor mit seiner langen Tradition, die 2012 als “800 Jahre Thomana” gefeiert wurde. Die auch immer eine Trias war – kurz auf den Dreiklang “Glauben, Singen, Lernen” gebracht. Und das betonte Britta Taddiken mit einiger Mahnung in der Stimme: Wer sich eines solchen Chores rühme, dessen Hauptprogramm der Lobpreis Gottes ist, der müsse das bei Allem mitbedenken, was getan wird. Man bekommt immer das Ganze, nie nur den schönen Ruhmesglanz oder ein hübsches Bauwerk.

Auch wenn es wirklich schön geworden ist. 11,4 Millionen Euro teuer. Aber der alte “Kasten” von 1881 war wirklich zu klein geworden, die großen Gemeinschaftszimmer waren nicht mehr zeitgemäß. Und die Chorerweiterung war so nicht machbar. Immerhin sollen künftig 120 Sängerknaben im Alumnat wohnen. Aktuell ist ihre Zahl schon auf 105 gestiegen.Und einziehen durften sie alle schon am 7. April. Sie erobern sich ihren erneuerten und erweiterten “Kasten” Stück für Stück. Es war ja auch am 7. noch gar nicht alles fertig. “Zeitweilig sah es eher so als, als sollte es ein Jumbojet werden und nicht ein einfaches Alumnat”, meint Stefan Altner.

Aber was jetzt so aufwändig gebaut wurde, soll ja auch wieder 100 Jahre halten, meinte OBM Burkhard Jung. Und betonte auch den “wichtigen Baustein fürs das forum thomanum”. Denn das ist noch nicht fertig. Auch Thomaskantor Georg Christoph Biller sprach es nur kurz an. Der Streit gärt. CDU-, SPD- und Grünen-Fraktion haben ihren Antrag eingereicht, die Edouard-Manet-Schule künftig zur Thomaner-Grundschule machen zu wollen. Obwohl der forum thomanum e.V. 2010 mit einer eigenen – privatrechtlichen Grundschule an den Start ging, die auf dem Campus forum thomanum künftig ihren Platz finden soll, fest eingebunden in den ganzen wohl nicht nur für Leipzig einzigartigen Bildungscampus mit Kindertagesstätte, Thomasschule, Alumnat, Villa Thomana …Großmütigkeit wünscht sich Biller auch in diesem Fall. Denn dankbar ist er auch. Das neue Alumnat kommt auch seiner Arbeit entgegen. Am Dienstag, 16. April, konnten die Thomaner auch erstmals in ihrem neuen Probenraum proben. Der alte wurde zum Speiseraum umgebaut. Der neue ist ein Schmuckstück in Holz mit breiten Sichtschneisen nach draußen zur Sebastian-Bach-Straße. Und an der rückwärtigen Wand sind hinter Glas eine Reihe der berühmten Thomaskantoren aufgereiht. Bach natürlich in der Mitte.

Selbst der Spielplatz für die jüngeren Thomaner war am Mittwoch fertig. Der Fußballplatz kommt noch – hier soll alles mit Rollrasen ganz schnell gehen. Wieviel Platz mehr die Thomaner zur Verfügung haben, zeigt eine Zahl: Der verfügbare Raum im Alumnat vergrößerte sich von 2.900 auf 6.300 Quadratmeter. Die Wohneinheiten wurden privater. Die Waschräume wanderten in die Flure. Gemeinschaftsräume gibt es. Neben der Bibliothek entstand sogar ein Computer-Kabinett. Mit einem funktionierenden WLAN-Anschluss, betonte der Oberbürgermeister. Und damit auch Computer drin stehen, hat sich der Förderverein des Thomanerchores noch einmal in die Bresche geworfen und 20.000 Euro eingesammelt. Jetzt will er sich auch noch um einen Fitnessraum bemühen.

“Die Thomaner sollen sich fast so fühlen wie daheim”, sagte Jung zur Einweihung. Und ließ sich auch nicht nehmen, die heutige amtliche Geschwindigkeit mit der aus Bachs Zeiten zu vergleichen. “Auch damals dauerte es fünf Jahre vom Baubeschluss bis zur Einweihung”, weiß Jung zu erzählen. Immerhin wollte man mit dem Umbau des Alumnats schon zum großen Fest 2012 fertig sein. Gut Ding will Weile haben. Den Probenraum, in dem die Inbesitznahme des Hauses gefeiert wurde, findet er spektakulär.

Was die Beteiligten beim Bezug des modernisierten Hauses empfanden, fasste Stefan Altner so zusammen: “Ich bin der Stadt Leipzig und allen am Bau Beteiligten sehr dankbar und zugleich hoch zufrieden, dass mit der heutigen feierlichen Schlüsselübergabe in Anwesenheit so vieler Ehrengäste, es gelungen ist, die Rahmenbedingungen für den Thomanerchor exzellent verbessert zu wissen. Wer dann im neuen Alumnat jetzt die fröhlichen Thomaner erlebt, kann ebenfalls nur froh und glücklich sein über das Erreichte: Es ist ein Sprung vom 19. ins 21. Jahrhundert!”

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