Es ist ein Sieg für Schulen in freier Trägerschaft in Sachsen: Deren Finanzierung muss neu geregelt werden. Der sächsische Verfassungsgerichtshof in Leipzig erklärte am Freitag, 15. November, die von der Regierung beschlossenen Einschnitte bei der Finanzierung der freien Schulen seien verfassungswidrig. Spätestens bis zum 31. Dezember 2015 muss der Gesetzgeber eine neue, verfassungskonforme Regelung schaffen.

Die Koalition aus CDU und FDP hatte im Jahr 2010 beschlossen, sozial schwachen Familien das Schulgeld für Privatschulen nicht mehr zu ersetzen. Zudem hatte sie beschlossen, dass auch freie Schulen Mindestschülerzahlen erreichen sollen und neugegründete Schulen erst nach einer Wartezeit von vier statt drei Jahren Zuschüsse erhalten. Dies ist nun komplett gekippt.

Klage eingereicht hatte die Opposition, bestehend aus SPD, Grünen und Linke in Sachsens Landtag. Im Anschluss an die Urteilsverkündung sagte Eva-Maria Stange, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: “dies ist eine enorme Watsche für eine machtarrogante Regierung. Obwohl sie gewarnt worden war, dass sie die Verfassung bricht, ist sie damals durchmarschiert.” Nun müssen sich die Beamten auf den Hintern setzen und gemeinsam mit den Freien Schulen ihre Hausaufgaben erledigen.
Die Verfassungsrichter stellten klar, dass der Staat bei der Wahl seines Fördermodells grundsätzlich frei sei, aber Neugründungen praktisch möglich bleiben müssten. Gerichtspräsidentin Birgit Munz sagte: “Die Ersatzschulen müssen auskömmlich finanziert werden.” Unrecht sei auch, dass die Sachkostenzuschüsse, etwa für Strom oder Gebäudeerhalt, auf dem Niveau von 2007 eingefroren wurden.

“Wir sind unheimlich froh ob dieses Urteils”, sagte Sabine Ulrich, Leiterin des Evangelischen Schulzentrums in der Leipziger Schletterstraße. “Wir haben bisher 80.000 Euro verloren”, rechnet sie vor. Dies hängt mit der Auslaufregelung zusammen, die bisher praktiziert wurde. “Sozial schwachen Familien wurde das Schulgeld erst gestrichen, wenn das Kind die Schulform wechselt, also beispielsweise von der Grundschule auf die Regelschule oder das Gymnasium geht. So kommt es, dass wir dieses Jahr 40.000 Euro eingebüßt haben, im vergangenen Jahr 26.000 Euro und davor 12.000 Euro. Mittlerweile erhalten wir den Schulbetrieb mit 50 % der Mittel trotzdem am Laufen”, so Ulrich.

Das Urteil des sächsischen Verfassungsgerichtshofs hatte der sogenannten Normenkontrollklage umfänglich stattgegeben. Nun muss allen Familien das Schulgeld ersetzt werden, nicht nur den sozial schwachen, wie es vorher praktiziert wurde. Das Urteil stärkt die Lernmittelfreiheit, die sich Sachsen in die Verfassung geschrieben hatte und welche vorsieht, dass Schulbildung in Gänze kostenlos bereitgestellt werden muss. Einen Wermutstropfen beinhaltet es dennoch: Bis zum 31.12.2015 können die alten Regelungen noch angewendet werden.
“Wir wünschen uns dringend eine frühere Regelung, sonst könnten es einige Freie Schulen vielleicht nicht mehr schaffen”, kommentierte Annekathrin Giegengack, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag. Sie war so ergriffen vom Richterspruch, dass sie ihre Tränen kaum zurückhalten konnte. “An diesem Tag haben wir die sächsische Verfassung gefeiert, denn der Rechtsstaat hat sich revidiert. Dies ist ein ganz wichtiger Vorgang für die Demokratie.”

Staatsrechtler Friedhelm Hufen hatte den Klageantrag gestellt und zeigte sich überrascht und erfreut von dem Ergebnis. “Dies ist ein Epoche machendes Urteil”, sagte er auf der anschließenden Presskonferenz. Hufen hatte gehofft, in zwei bis drei Punkten Recht zugesprochen zu bekommen. “Doch unserem Ansinnen ist in vollem Umfang stattgegeben worden. Das Verfassungsgericht hat den Mut bewiesen, ein eigenes Urteil aufzuheben. Dies ist bemerkenswert”, lobte er. Gerichtspräsidentin Birgit Munz hatte zuvor die Wichtigkeit der Ersatzschulen in freier Trägerschaft herausgestellt. “Während auf dem Land die Schülerzahlen sinken, steigen sie in den Ballungsgebieten. Dresden und Leipzig brächten gar die Hälfte aller sächsischen Schüler zusammen. Gerade diese Städte seien auf die freien Träger angewiesen, um die Aufgabe stemmen zu können. “Die Regierung hat den Schulgeldersatz damals als freiwillige Sonderleistung hingestellt”, so Verfassungsrechtler Hufen. Dessen Streichung hat das Gericht nun als rechtswidrig eingestuft. “Es ist ein großer Tag für die Gewaltenkontrolle und für den Minderheitenschutz im Parlament”, so Hufen. Zwar habe sogar die Bundesregierung in anderen Fällen Fristen des Bundesverfassungsgerichts verstreichen lassen, “doch ich bin sicher, der sächsische Landtag ist eigenständig genug, es besser zu machen und eine frühere Lösung anzustreben.”

Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth (parteilos) kündigte unterdessen an, den Dialog mit den Vertretern der freien Schulträger fortzusetzen. “In diese Gespräche wird die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs einbezogen. Mein Ziel ist es, eine faire Unterstützung der Schulen in freier Trägerschaft durch den Freistaat zu gewährleisten”, sagte Kurth. Allerdings sei die jetzt nötige grundlegende Überarbeitung des Privatschulgesetzes in dieser Legislaturperiode “höchstwahrscheinlich” nicht mehr zu machen.

In der Diskussion um die Schulgeldersatz-Streichung war der Regierung auch vorgeworfen worden, auf dem Rücken der Freien Schulen Geld zu sparen.

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