Die Wissenschaftsministerin drückt sich und tut so, als lägen die Kürzungen an Sachsens Hochschulen ganz in der Hand der Rektorate. Drei Institute sind durch die neuerliche Streichung von 24 Stellen an der Uni Leipzig von der Schließung bedroht: neben Klassischer Archäologie und Theaterwissenschaften auch die Romanistik. Dass - bis auf eine - alle Leipziger Stadtratsfraktionen sich gegen die Kürzungspolitik ausgesprochen haben, findet Prof. Dr. Alfonso de Toro ermutigend.

Prof. Dr. Alfonso de Toro ist Direktor des Instituts für Romanistik. Er begrüßt die Resolution der Stadtratsfraktionen und wirft der Leipziger CDU-Stadtfraktion Zynismus und Dreistigkeit und der Staatsministerin von Schorlemer Realitätsfremdheit vor. Die CDU-Fraktion hatte als einzige die Resolution nicht unterschrieben und auf die vermeintliche Hochschulautonomie in Sachsen verwiesen.

Der Romanist und Direktors des Instituts für Romanistik, des Ibero-Amerikanischen und des Frankophonen Forschungsseminars der Universität Leipzig findet die Resolution der Stadtratsfraktionen, mit Ausnahme der CDU-Stadtfraktion, die einzige richtige Reaktion auf das drakonische Spardiktat aus Dresden. Es tue gut, dass die Universität Leipzig wieder einmal die Stadt Leipzig als zuverlässigen Partner an ihrer Seite weiß. Die Unterstützung des Stadtrates sei für alle kommenden Aktionen unverzichtbar, da es um den Standort Leipzig geht.
Verblüfft ist de Toro über die Stellungnahmen von Ursula Grimm aus der CDU-Stadtfraktion und von Staatsministerin von Schorlemer. Rektorin Schücking für die Streichungen verantwortlich zu machen – wie es Frau Grimm tut – sei wohl an Verlogenheit, Zynismus und Dreistigkeit nicht zu überbieten. Denn Frau Grimm müsste eigentlich wissen, dass die Universität Leipzig, wie alle staatlichen deutschen Universitäten, keine Autonomie für die Festsetzung der Höhe des Haushaltes und für die Entscheidung über Stellenkürzungen habe.

“Beides wird in Dresden entschieden und diktiert”, betont de Toro. “Sowohl Frau Grimm als auch Frau von Schorlemer sprechen von Autonomie, diese wird jedoch verwendet und gebogen wie es gerade am besten politisch passt: die Universität Leipzig ist lediglich autonom, um den Mangel zu verwalten und alle Spargrausamkeiten umzusetzen, und hier liegt der Tick und die List der sogenannten Autonomie der Universität, die sich als ein Pyrrhussieg erweist. Regierung und CDU können sich hinter der sogenannten Autonomie verstecken und es sich bequem machen und so die Verantwortung an die Universität Leipzig abgeben.”

Das Rektorat der Universität Leipzig trage nur die Verantwortung bei der Festlegung, an welcher Stelle der Universität Leipzig etwas gekürzt oder geschlossen werde.

“Die Absurdität des Ganzen wird klar, als die Staatsministerin von Schorlemer nicht einmal den Widerspruch ihrer Aussagen merkt, wenn sie einerseits behauptet ‘Selbst wenn ich es wollte, könnte ich den Beschluss nicht korrigieren. Die Hochschulleitungen … tragen laut Gesetz die finanzielle und fachliche Verantwortung’, um gleichzeitig hinzuzufügen, dass die Universitätsleitung die Pharmazie nicht ohne ‘Einvernehmen der Staatsregierung nicht aufheben kann’. Eine schöne Autonomie ist das”, sagt de Toro.

Geradezu abenteuerlich und realitätsfremd seien die Zahlenspiele von Staatsministerin von Schorlemer. “Man erhält den Eindruck, die Universität Leipzig schwimmt im Geld und in Stellen. Wo die sogenannten 300 Stellen zur Entlastung der Universität und wo die zusätzlichen 180 Stellen für die Lehrerausbildung geblieben sind, ist schleierhaft. Das Institut für Romanistik, das das drittgrößte Institut an der Philologischen Fakultät, der zweitgrößten Fakultät an der Uni Leipzig, ist, hat aus dem sogenannten ‘Bildungspaket’ eine 0,25-Stelle für französische und eine 0,25-Stelle für die spanische Sprachpraxis im Bereich Lehramt erhalten und weist zudem einen großen Lehrbedarf der Sprachdidaktik auf, und das bei einem großen Lehramtsfach!”, nennt der Institutsdirektor die realen Zahlen. “Hier klafft seit Jahren eine große Lücke, die durch die stetige Zunahme der Lehramtsstudierenden dazu im WS [Anm. der Red.: Wintersemester] 2014/15 noch größer wird. Zudem sind diese Stellen alle befristet, im Falle der Romanistik bis zum 31. 12. 2016. Nach dieser Zeit wird es einen großen Offenbarungseid geben.”

Außerdem blende Staatsministerin von Schorlemer komplett die Tatsache aus, dass der überwiegende Teil der Institute und Fakultäten an der Universität Leipzig nichts mit Lehramt zu tun habe. “Auch wir Romanisten haben Nicht-Lehramtsfächer zu bedienen. Der Verweis auf den Verbund Halle-Jena-Leipzig als Kompensation für Lehrbedarfsmangel ist bis jetzt mehr oder weniger praxisuntauglich gewesen, da dieser so gut wie nicht funktioniert hat (von Ausnahmen und Einzelfällen mal abgesehen). Denn Rahmenbedingungen sind nicht gegeben”, kritisiert de Toro die völlig fehlende Strategie in der sächsischen Hochschulpolitik. “Der Lehrtransfer war nicht finanziert, nicht einmal die Reisekosten; die Bereitwilligen hätten den Lehrtransfer zusätzlich zu ihrem vertraglich festgelegten Lehrbedarf anbieten müssen; die Anerkennung von Studienleistungen war höchst kompliziert bis unmöglich aufgrund sehr unterschiedlicher Prüfungsordnungen und Anforderungsprofile und nicht zuletzt, weil es sich um Lehramtfächer in drei verschiedenen Bundesländern handelt.”

Aber wie kann es funktionieren, wenn sich das zuständige Ministerium jeder strategischen Diskussion verweigert? – De Toro formuliert, dass außer Zweifel stehe, dass für die “Idee dieses Universitätsverbundes eine vernünftige praktikable Struktur benötigt” werde, “aber ein aktiver Verbund wird auch etwas kosten. Hier lässt die Staatsministerin den Faktor Mobilität und Kosten völlig außer Acht.”

Sein Fazit: “Viele Worte an der Realität vorbei.”

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