Wo andere noch ihre Forschungsthemen suchen - und Themenmagazine für Initiativen und Verbände funktionieren nur mit solch klar gesetzten Forschungslinien - hat man bei "median", dem "Info-Magazin für Mitteldeutschland", schon gezeigt: es geht. "median" gibt es, seit die Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland und die Metropolregion Mitteldeutschland endlich enger kooperieren.

Sie haben ihr gemeinsames Büro in der Schillerstraße 5 in Leipzig. Die Wirtschaftsinitiative hat schön länger von Leipzig aus operiert, die Metropolregion wanderte durch die diversen Großstädte, die sich im Metropolverbund zusammengetan haben. Das alles ist nach wie vor noch sehr zurückhaltend, gemessen an dem, was zwei solcher Initiativen eigentlich auch politisch für Bambule machen müssten, damit die drei so ängstlich auf ihre Unberührtheit versessenen Provinzialregierungen in Magdeburg, Erfurt und Dresden endlich aus dem Schlaf erwachen. Denn mehr sind sie alle drei nicht. Und ihre kleinen Provinzinitiativen werden im Bundesrat so leichthin weggewischt, als wären es nur lästige Fliegen. Sind es ja auch.

Denn da alle drei Bundesländer gern und fleißig in verschiedene Richtungen zerren, kommt Jahr für Jahr genau das heraus, was Iwan Krylow 1814 in seiner Fabel “Schwan, Hecht und Krebs” erzählte: Sie beluden zusammen einen Leiterwagen, demonstrierten Einigkeit – und dann zogen sie alle zusammen die Last. Dumm nur, wie das geschah: “Sie ziehn mit aller Kraft – die Last rührt sich kein Stück! Zwar würde sich der Wagen leicht bewegen lassen, Doch zieht der Hecht hinab ins Wasser, Der Schwan will zu den Wolken hin, es kriecht der Krebs zurück …”

Das Ergebnis in der Ecke, die man Mitteldeutschland nennt (noch hat niemand ein neues Label dafür gefunden), sind drei Bundesländer, die ihre wirtschaftlichen Potenziale nicht entfalten können und nun seit über 10 Jahren in ihrer Entwicklung stagnieren und ihre gemeinsame Stärke nicht zeigen können.

Es ist zwar erst das dritte “median”, die Auflage ist mit 11.000 Stück noch vorsichtig gesetzt und zu sehen bekommen das Heft vor allem Nutzer der ICE-Züge der Deutschen Bahn, wo es ab Montag, 8. Juli, aushängt. Aber das Lesen lohnt sich. Denn allein durch die Berichterstattung aus allen drei Bundesländern wird es grenzüberschreitend. Das Thema ist brandaktuell: Bodenschätze. Oder in einer eindrucksvollen künstlerischen Umsetzung auf dem Cover: Grundkapital. Wobei das Kunstobjekt auch noch andere Grundkapitalien andeutet jenseits der Schätze im Boden – nämlich die Böden selbst als Schatz und das, was drauf wächst. Das kommt dann vielleicht in einem späteren Heft noch einmal in gebündelter Darstellung.

Eine Karte auf den Seiten 10 und 11 zeigt dann auch in farbenfroher Darstellung, welche Reichtümer im Boden dieses Landstrichs stecken. Manche gehören nun seit 200 Jahren zu den Grundlagen ganzer Industriezweige. Und da ist nicht nur von den fossilen Energieträgern Kohle und Erdgas die Rede, sondern – eher für Thüringen und Sachsen-Anhalt ein Thema: Kali- und Steinsalze. Ein Artikel beschäftigt sich mit den großen Hoffnungen im thüringischen Roßleben, dass hier die Förderung des Kalisalzes wieder aufgenommen wird.Seit einigen Jahren sind die Bodenschätze in Mitteldeutschland wieder ein Thema. Denn in den letzten Jahren sind die Preise fast aller auf den Weltmärkten gehandelten Rohstoffe drastisch angezogen. Da wurden auch eher schwierig abzubauende Rohstofflager in Mitteldeutschland wieder attraktiv. Der Abbau “rechnete” sich wieder. Für Roßleben leider nur kurzzeitig – der Vervierfachung der Preise von Kalisalz folgte eine Halbierung.

Sachsens Oberberghauptmann Prof. Dr. Bernhard Cramer bringt es in einem Interview zu den sächsischen Bergschätzen deutlich zum Ausdruck: Bergbau braucht eine Menge Kapital, bis er Früchte trägt. “Nichts für arme Leute” ist das Interview betitelt. In Sachsen war es nicht nur der Preisauftrieb diverser Bodenschätze, die auf einmal in den Medien wieder für ein “Berggeschrey” sorgte – es war auch die Tatsache, dass bei Storkwitz in der Nähe von Delitzsch eine gigantische Lagerstätte mit seltenen Erden gefunden wurde. Und die werden weltweit insbesondere für die moderne IT- und Kommunikationstechnologie gebraucht. Auch dem ist eine eigene Geschichte – “Seltene Schätze” – gewidmet.

Es gibt ein paar große Konzerne, die in verschiedenen Beiträgen immer wieder auftauchen – was eben mit der Tatsache zu tun hat, dass man viel Geld braucht, um Bergbau betreiben zu können. Die Ausbildung von Bergbaufachleuten an der TU Freiberg kommt ins Bild, der große Fördertechnikbauer FAM in Magdeburg, eine alte Bergbaulandschaft, die sich als Weltkulturerbe bewirbt, die schöne Tatsache, dass sächsische Flüsse auch heute noch Gold mit sich führen (das sich aber wirtschaftlich nicht gewinnen lässt) und die Untersuchung alter Bergbauhalden nach wertvollen Inhalten. Was sich wirtschaftlich möglicherweise umsetzen lässt, denn die Bergleute des Mittelalters kümmerten sich um seltene Erden natürlich nicht. Von den meisten wussten sie nicht einmal.

Und die Kohle, der bei Sachsens Regierung scheinbar beliebteste Rohstoff, kommt auch ins Bild – von ihrer besten Seite. Denn die großflächige Aufschließung von Tagebauen – insbesondere im Leipziger Südraum – gibt Sachsens Archäologen die einmalige Gelegenheit, ganze Siedlungsstrukturen bis zurück in die Jungsteinzeit freizulegen. Es ist die reiche Zivilisationslandschaft, die zur berühmten Himmelsscheibe von Nebra gehört. “Ein Stück Himmel” beschäftigt sich mit dem eindrucksvollen Besucherzentrum “Arche Nebra”, wo diese Geschichte erlebbar wird. Während die sächsischen Funde ja in nächster Zeit in Chemnitz einen Ausstellungsplatz finden sollen.

Das Heft zeigt die Chancen – aber auch die Grenzen der Rohstoffgewinnung in Mitteldeutschland. Nicht nur das Thema CO2-Verpressung ist nach heftigem Widerstand der meisten Bundesländer wieder von der Tagesordnung verschwunden (und damit im Grund eine Weiche zu einer kohlelosen Zukunft gestellt worden), auch das Thema Fracking scheiterte an Protesten der Bevölkerung. Hinter der großen Begeisterung für den Bergbau jeder Art spürt man auch die zunehmende Skepsis, ob nun jeder Rohstoff mit aller Macht aus dem Boden geholt werden muss. 200 Millionen Tonnen Kalisalz unter Roßleben klingen erst einmal gut. Aber der Abbau würde wieder nur 40, 50 Jahre Wirtschaftsgrundlage schaffen. Und dann?

Auch ein Markscheider wird porträtiert. Und in diesem Artikel kommen auch die spürbaren Folgen des unterirdischen Bergbaus ins Bild. Thüringen kennt diese Erdbeben schon, die durch einstürzende alte Stollensysteme ausgelöst werden.

Aber viel entscheidender ist: Die überhaupt rentabel abbaubaren Rohstoffe sind alle endlich. Und die Zeit bis zur Erschöpfung der erkundeten Lagerstätten ist – selbst in menschlichen Dimensionen betrachtet – kurz. Dass Mitteldeutschland so sehr im Fokus der Rohstoffdebatte steht, hängt auch mit der DDR-Zeit zusammen, denn damals wurde das Gebiet – insbesondere auf der Suche nach weiteren Uran-Lagerstätten – mit tausenden Sondierungen erforscht. Es ist das am besten erkundete Gebiet weltweit. Was die Grenzen der verfügbaren Rohstoffe noch deutlicher sichtbar macht.

Es ist auch symbolisch, wenn sich Bernhard Cramer unter dem Bildnis seines Amtsvorgängers Carl von Carlowitz abbilden lässt, der vor nun genau 300 Jahren den Begriff der Nachhaltigkeit prägte. Je knapper die Ressourcen sind, umso sorgsamer muss man damit umgehen. Auch das ist eine Definition des Begriffes Nachhaltigkeit. Und ziemlich sicher ist, dass sich künftige “median”-Hefte immer wieder und immer intensiver mit dem Thema beschäftigen werden.

www.region-mitteldeutschland.com

www.mitteldeutschland.com

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar