Mit der Präsentation des Leipziger Schöppenbuchs von 1420 beginnen am 7. Februar die diesjährigen Vorträge zur Stadtgeschichte. Das Schöppenbuch erwähnt etwa 5.000 Personen und liest sich wie das "Who is who" der damaligen Mittel- und Oberschicht. Eheverträge und Hypotheken stehen im Vordergrund, erläutert der Historiker Jens Kunze im L-IZ-Interview.

Herr Dr. Kunze, was eigentlich ist so ein Schöffenbuch?

Das Leipziger Schöffenbuch kann mit gewissen Einschränkungen in die Kategorie dieser Gerichtsbücher eingeordnet werden, von denen allein in Sachsen über 23.000 Bände mit einer Laufzeit von 1412 bis 1856 und einem Umfang von rund 2.300 laufenden Metern überliefert sind. Unter diesen Gerichtsbüchern versteht man alle bis in das 19. Jahrhundert hinein bei den lokalen Gerichten der Ämter, Rittergüter, Städte und anderer örtlicher Herrschaftsträger geführten Bücher, in die Handlungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit eingetragen wurden: vor allem Grundstückskäufe und Grundstücksverpfändungen, aber auch Nachlass- und Vormundschaftsangelegenheiten.

Das Leipziger Schöffenbuch beginnt 1420 und endet 1478. Es ist in 519 Einträge gegliedert, die jeweils auf einen Tag, den Gerichtstag, datiert wurden.

Mal nachgefragt: Wie akkurat erfolgte damals die Aufzeichnung über die Besitzverhältnisse von Grund und Boden in Leipzig?Bei den aufgezeichneten Rechtshandlungen handelt es sich fast ausschließlich um Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. An erster Stelle sind dabei Eheverträge zu nennen, mit denen sich Eheleute begaben oder begiffen, also ihren Besitz in das gemeinsame Vermögen einbringen.

Fast ebenso häufig wie diese Eheverträge findet man Angaben zum Wechsel von Grundbesitz. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Aufnahme von Hypotheken und die damit verbundene Stellung eines Pfandes beziehungsweise deren Wiedereinlösung. Gelegentlich werden auch Testamente, Stiftungen, Einsetzung und Entlassung von Vormündern im Schöffenbuch vermerkt. All diese Einträge sind so genau, wie es damals nötig war, um vor Gericht als eindeutig zu gelten. Sie sind heute – wenn auch unter Zuhilfenahme weiterer Quellen – meist nachvollziehbar.

Sie versprechen uns einen “Blick in die spätmittelalterlichen Lebenswelten der Stadt”. Was genau erfahren wir über die soziale Praxis unserer Altvorderen?

Die Quelle enthält zum Teil recht detaillierte Angaben über die Aufteilung von ererbtem Besitz, über den Erwerb von Immobilien, über Vormundschaftsangelegenheiten, vielfältige Familienbeziehungen – heute würde man von Patchwork-Familien sprechen – und so weiter. Aus diesem umfangreichen Angebot werde ich bei meinem Vortrag am 7. Februar 2013 einige Beispiele auswählen.

Wer besaß damals Grund und Boden in der Stadt, und wer war davon ausgeschlossen?Das Schöffenbuch enthält Informationen von rund 5.000 Personen, die miteinander in familiärer oder wirtschaftlicher Beziehung stehen. Man kann davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Personen, deren Vermögensangelegenheiten im Schöffenbuch protokolliert wurden, zur Mittel- und Oberschicht der Stadt gehörte.

Die nun vorliegende Edition ist ein weiterer Grundstein für die immer wieder angemahnte Studie zur Ober- und Mittelschicht der Stadt Leipzig.

Wie modern war eigentlich der Umgang mit Grundbesitz in der Handelsstadt Leipzig hinsichtlich Veräußerungen, Beleihungen und so fort?

Man kann das nur bedingt mit der heutigen Bürokratie und mit dem heutigen Erwerb von Immobilienbesitz vergleichen. Aber Grundprinzipien wie etwa die Aufnahme von Hypotheken, die Stellung von Sicherheiten und einiges mehr wurden schon im 15. Jahrhundert praktiziert.

Was hat Sie beim Sichten des Materials am meistens beeindruckt?

Mich hat vor allem die Menge an Informationen im Schöffenbuch beeindruckt. Um die 5.000 Personen standen unmittelbar oder über Immobilien in Beziehung miteinander.

Die daraus resultierende Datenmenge verlangt nach einer Erfassung und Auswertung in einer Datenbank, um Einwohner und topographische Daten der Stadt Leipzig nach bestimmten Kriterien zu beleuchten. Aus einer solchen Datenbank könnte dann zum Beispiel ein Häuserbuch des spätmittelalterlichen/frühneuzeitlichen Leipzigs hervorgehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Veranstaltungshinweis: Präsentation “Das Leipziger Schöffenbuch von 1420. Ein Blick in die spätmittelalterlichen Lebenswelten der Stadt”. Öffentlicher Vortrag von Dr. Jens Kunze im Rahmen der Leipziger Vorträge zur Stadtgeschichte am Donnerstag, 7. Februar, 19.30 Uhr in der Kunsthalle der Sparkasse Leipzig (Otto-Schill-Straße 4a).

www.leipzig.de/de/buerger/bildung/geschichte/Vortraege-zur-Stadtgeschichte-24762.shtml

www.leipziger-geschichtsverein.de/CMS/downloads/PlakatSchoeffenbuch.pdf?PHPSESSID=h57ktefok0uc068g5q2pgnkae2

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