Dieses Jahr feiert die Alte Messe Leipzig ihr 100jähriges Bestehen. Am 1. Mai soll es dazu eine Festveranstaltung geben. Alles begann am 3. Mai 1913 - da wurde auf dem Gelände die Internationale Baufach-Ausstellung (IBA) eröffnet. In dem Zusammenhang wurde die noch heute erhaltene Halle 16, der Kreis'sche Kuppelbau errichtet.

Aus Gründen des Platzmangels zogen schließlich 1920 die Technische Messe und die Baumesse mit auf das heutige Gelände der Alten Messe und begründeten ihren Ruf als Weltmesse, was das 1965 errichtete Wahrzeichen der Messe, das “Doppel-M” zusätzlich unterstreichen sollte.

Die “IBA” alias Internationale Bauausstellung steht dabei noch ganz für den Typus der überregionalen Gewerbeausstellungen, die sich erst so nach und nach zu spezialisierten Fachmessen entwickelten. Die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung von 1897 steht für diesen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders populären Typus der Leistungsschau, zu dem tatsächlich die “Völkerscharen pilgerten”. Es waren teilweise regelrechte Volksfeste, bei denen die technischen Erfindungen und Neuerungen der beteiligten Wirtschaft als Attraktion gezeigt wurden. Die heutigen EXPO-Veranstaltungen leben noch ein wenig in dieser Tradition. Aber auch schon Anfang des 20. Jahrhunderts stand die eigentlich entscheidende Frage: Spielen diese Veranstaltungen ihre Unkosten wieder ein und welchen Nutzen bringen sie?Mit der “IBA” verwandelte sich das komplette Gelände zwischen der Reitzenhainer (der heutigen Prager) Straße und der Kaiserin-Auguste-Straße (der heutigen Richard-Lehmann-Straße) in eine Schau der modernen Bauweisen. “Themeninseln” gab es zur Bauindustrie, zum Ingenieurwesen, dem Hochbau, dem Städtebau und dem Siedlungswesen. Vier Millionen Besucher strömten von Mai bis Oktober auf die “IBA”. Bei solchen Zahlen würde die heutige Messegeschäftsführung Purzelbäume schlagen vor Freude.

Aber die Dimension ist natürlich im modernen Messegeschäft nicht mehr darstellbar. Die Vorbereitungen für die “IBA” begannen schon 1909. Und nicht nur moderne Bautechniken wurden gezeigt. Es war auch wieder ein Versuch, den Besuchern die ganze Welt im Kleinen zu zeigen. Gleich hinterm damals noch existierenden Gut Thonberg wurde ein ganzes kleines “Leipzig um 1800” aufgebaut – mit Mini-Pleißenburg, Mini-Dominikanerkloster, Mini-Fürstenhaus und lauter Mini-Kirchen. Im Nordteil des heutigen Wilhelm-Külz-Parkes wurde ein ganzes Musterdorf mit Dorfkirche, Dorfschule, Beispielgehöft und Dorfgasthof aufgebaut. Im Südteil an der Kaiserin-Auguste-Straße stand ein richtiger Tanzpalast, eine “Szenische Gebirgsbahn” sorgte für Bauchflattern, es gab ein Alpenrestaurant und ein Planetarium. Man konnte also, wenn man sich die ernsthaften Ausstellungen der Bauwirtschaft angeschaut hatte, über die Brücke, die damals schon die Eisenbahngleise überspannte, ausweichen in eine Art große Kleinmesse und sich so richtig vergnügen.Die Brücke gehört zur Straße des 18. Oktober, die ab Mai 1911 als Prachtstraße vom Stadtzentrum bis zum Völkerschlachtdenkmal geplant wurde, das ja im Oktober 1913 eingeweiht wurde. Und ein besonderes Bauprojekt zur “IBA” entstand ab 1912 etwas weiter südlich des Geländes: die Gartenvorstadt Marienbrunn, für die 1911 extra die Gartenvorstadt Marienbrunn GmbH gegründet wurde. Die bekam das Bauland für 99 Jahre von der Stadt in Erbbaupacht. Im März 1913 zogen die ersten 439 Neusiedler in die Mustersiedlung ein, die einen neuen Typ Stadtsiedlung begründen sollte. Das konnte auch in Leipzig so nur selten umgesetzt werden. Dazu war der Bedarf an Wohnraum zu groß.

Die “IBA” schloss übrigens mit einem Minus von einer halben Million Mark ab, was niemanden davon abschreckte, 1914 die nächste gigantische Ausstellung auf dem Gelände zu planen und durchzuführen: die “BUGRA”, die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Grafik. Sie wurde im Mai 1914 eröffnet, sollte ebenfalls bis Oktober dauern, wurde aber auf Grund des Beginns des 1. Weltkrieges vorzeitig abgebrochen. Trotzdem waren 2 Millionen Besucher gekommen.

Nach dem Weltkrieg, an dem ja bekanntlich die eigentlich Schuldigen nie schuld gewesen sein wollen, wurde das Gelände für die Leipziger Messe deshalb interessant, weil die Messehäuser der Innenstadt für die technischen Messen mit ihren großen Exponaten nicht ausreichten. So nach und nach wurde das Gelände also mit entsprechenden Messehallen bestückt, von denen heute ein gut Teil unter Denkmalschutz steht. Bis 1995 fungierte das Messegelände als eigentlicher Messeort in Leipzig. Lediglich die Buchmesse behauptete sich bis zum Schluss im Messehaus am Markt. 1996 zog ja Leipzigs Messe bekanntlich auf das neu erbaute Messegelände im Norden der Stadt.

Das alte Messegelände wird seitdem zu einem Gewerbe- und Forschungsstandort ausgebaut, nachdem sich zwischenzeitlich die Idee eines eigenständigen Bankenviertels zerschlug. Auch der Bau des Porta-Möbelhauses mit einem Stück der einstigen Messehalle 3 ist Teil dieser Umbaustrategie.

Die Festveranstaltung am 1. Mai beginnt um 17:30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Geländeführungen gibt es um 17:30 und 18:30 Uhr. Die “Leipziger Blätter” präsentieren eine Sonderausgabe. In Halle 16 gibt es Filmvorführungen und das Theater Titanick zeigt ab 21 Uhr eine seiner faszinierenden Vorstellungen.

Wer den Termin verpasst, kann sich das Gelände auch im August zu Gemüte führen. Dann wird die nunmehr “Alte Messe” zum Veranstaltungsort im Rahmen des Tages der Industriekultur am 31. August. Und “leipzig erleben” bietet Bustouren zur Industriearchitektur an. Solche finden am 14., 24. und 31. August sowie am 11. und 18. September und am 16. Oktober jeweils 13.30 Uhr statt.

Das Jubiläums-Programm der “Alten Messe”: www.alte-messe-leipzig.de/jubilaeum-100-jahre

Die Erlebnistouren von “leipzig erleben”: www.leipzig-erleben.com

Die Freunde der Gartenvorstadt Marienbrunn: www.gartenvorstadt-leipzig-marienbrunn.de

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