Bereits im Februar 2012 lief der Thriller "I, Anna" als "Special" bei der Berlinale. Ungewöhnlich lange musste das deutsche Publikum also warten, bis der Arthouse-Streifen seinen Weg ins Kino gefunden hat. Vermutlich, weil der düstere Film bei weitem nicht so besonders ist, wie die Berlinale-Jury einst vermutete. Trotz einer brillanten Charlotte Rampling.

Der Londoner Komissar Bernie Reid (Gabriel Byrne) ist körperlich am Ende. Seine Scheidung steht unmittelbar bevor, seine Gefühlsneurose ist unübersehbar. Eigentlich soll er in einem Mordfall ermitteln. Ein Mann wurde in seinem Apartement erschlagen. Doch seine Konzentration gilt der geheimnisvollen Anna (Charlotte Rampling), die er durch Zufall im Fahrstuhl der Mietskaserne trifft. Reid ermittelt ihre Identität, folgt ihr sogar auf eine Single-Party. Als seine Besessenheit ihren Siedepunkt erreicht, muss er erkennen, dass die schöne Frau mit seiner Mordermittlung in Verbindung steht.

Barnaby Southcombe ist, cineastisch betrachtet, ein Niemand. Geboren 1972, zählt seine Biographie bisher nur einen einzigen Spielfilm auf. Hinzu kommen Arbeiten für das Fernsehen. Vermutlich hätte er nie im Leben den Regiestuhl für einen Streifen mit Charlotte Rampling ergattert, wäre die Diva des europäischen Kinos nicht zufälligerweise seine Mutter.
“I, Anna” erzählt die Geschichte einer verlorenen Frau, die im Großstadtstrudel mitten in die menschliche Katastrophe treibt. Southcombe inszeniert minimalistisch. Neo-Noir hat es ihm offenbar angetan. Doch prominenten Genre-Vertreter jüngeren Datums, etwa “L.A. Confidential” oder “Drive”, kann der Thriller nicht das Wasser reichen. Southcombes Inszenierung verliert sich in trostlosen Hinterhöfen und kalten Treppenhäusern wie seine Figur im Plot.

Der Zuschauer ist schnell gelangweilt, ermüdet und verliert schließlich den Überblick. “I, Anna” ist ein klinisch sauberer Kunstfilm, der Filmgourmets zwar hier und dort durch eine bestechend nüchterne Bildsprache begeistert, sich aber insgesamt zu einem unappetitlichen Schwarzbrot verdickt, das wie ein Kloß im Halse stecken bleibt.

GB/D/F 2012, Regie: Barnaby Southcombe, D: Charlotte Rampling, Gabriel Byrne, 93 Min, FSK 16.

Filmstart ist der 2. Mai, zu sehen in den Passage Kinos.

Die Seite zum Film:
www.i-anna-derfilm.de

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