Was für ein Mann. Gut, etwas kurz geraten von der Höhe her aber unwahrscheinlich breit aufgestellt vom Kulturellen. Karsten Kriesel, Dramaturg, u.a. für Centraltheater oder academixer, liegt in den Geburtswehen des neuen Stücks "Treibsand" mit De lekkere Compagnie - welches am Freitag, dem 27. April (und dann noch am Samstag und Sonntag) im Lofft im Theaterhaus am Lindenauer Markt, aufgeführt wird.

Zeit, um ihn einmal näher zu befragen. Volly Tanner machte dies dann natürlich auch.

Für das neue Stück von de lekkere Compagnie “Treibsand” bist Du der Dramaturg und Raschid D. Sidgi führt Regie. Ich, der ich von nüscht ne Ahnung habe, frage mich da: Was ist denn der Unterschied? Also ich meine zwischen einem Dramaturg und einem Regisseur?

Na, ganz einfach: Der Regisseur macht irgendwas und ich sitze altklug im Hintergrund und sage ihm dann, wie er es besser machen soll. Nein, im Ernst: Während der Regisseur immer ganz nah am Stoff und direkt mit den Schauspielern arbeitet, ist der Dramaturg dafür verantwortlich, “das Ganze” im Auge zu behalten: Geht die Idee des Regisseurs auf oder verzettelt er sich in künstlerischen Detailspielchen, sind die Figuren in sich stimmig, was wollen wir mit der Inszenierung überhaupt erzählen? Das heißt nicht automatisch, dass der Dramaturg immer eine Chaosbremse ist, manchmal versuche ich bewusst Verwirrungen, Brüche oder Provokationen einzubauen, damit eine Inszenierung nicht zu glatt und brav wird.

Im konkreten Fall haben wir aus einer Anfangsidee von Raschid und Valerie heraus ein neues Stück entwickelt. Das heißt, wir haben uns zusammen ein Konzept überlegt, Figuren und Situationen angedacht, die wir dann von den Schauspielern haben improvisieren lassen und daraus dann eine Geschichte gebastelt, die schließlich unsere Autorin F. A. Opitz in eine textliche Reinform gebracht hat.

Auch schauspielerisch seid Ihr gut aufgestellt – die Valerie, der Johannes und der Alexander. Erzähl doch mal etwas über die Drei – es soll ja Leute geben, die von ihnen noch nie etwas gehört haben.
Echt? Glaub ich nicht. Johannes Gabriel ist ja sogar im Ostblock ein Serienstar und Valerie Habicht-Geels wird nach Holland nun endgültig auch Deutschland erobern. Alle drei sind seit Jahren aus der Leipziger Theaterszene nicht mehr wegzudenken, spielen sich den Wolf, moderieren, unterrichten und sind darüber hinaus Film- und Fernseherfahren. Richtige Profis also, die Raschid und ich auf unsere Bühne aus Sand und Plexiglas zerren, die uns der liebe Peter Schneider gebaut hat.

Was richtig Spaß macht, ist, dass die Drei völlig unterschiedliche Temperamente haben: Während unsere verrückte Holländerin Valerie selbst in ihren zartesten Tränen-Momenten noch fast beängstigend extrovertiert ist, haben wir mit Alexander einen sehr in sich selbst ruhenden Charakter mit festem Blick und direkten Ansagen. Johannes wiederum ist richtig cool und kraftstrotzend und kann als Figur auch seine brutale Seite zeigen.

An Valeries und Alexanders Seite war ich im letzten Jahr übrigens in Christian Hanischs Inszenierung “Reigen” für den Leipziger Bewegungskunstpreis nominiert. Raschid hat schon Valeries erfolgreiches Solostück “Wo kein Wind weht” inszeniert. Wenn ich an Erfolgsrezepte glauben würde, würde ich sagen: Ein gutes Omen. Aber letztlich können wir einfach gut miteinander. Deswegen hat uns Valerie, Chefin und fester Kern von De Lekkere Compagnie, auch wieder angeheuert.

Nun zum Stück, bester Karsten – Treibsand. Um was geht’s? Ist’s so eine Kunstsoße oder würde auch ich verstehen, was da Phase ist?

Kunst ja, Soße nein! Und selbst Du wirst es wahrscheinlich verstehen, mein Lieber…
Drei Figuren, Miriam, Marc und Lennart, finden sich und verleben zu dritt in einem Haus am Strand einen Sommer voller Leidenschaft, Lust und Sex. Am Ende sind nur noch zwei übrig und fragen sich, was eigentlich passiert ist. Beschuldigen sich gegenseitig, versuchen zu vergessen, bzw. im Sand zu vergraben, versuchen Normalität. Aber was ist eigentlich normal, zu dritt, zu zweit, jeder für sich? Das ganze erzählen wir nicht chronologisch, sondern als Erinnerungs- und Gefühlspuzzle.

Eine sehr atmosphärische Summer-of-Love-Geschichte gepaart mit Mystery-Krimi und einem Schuss französischer Komödie. Dazu eine Tonne Sand, Die Bee Gees, Prodigy, schöne Körper und fieses Untergrund-Wrestling.

Und bei Dir selber? Klappt der Spagat Kunst und Familie? Vor allem Kunst im freien Bereich? Oder lebst Du von den Rücklagen Deiner Frau?

Ich kann gar keinen Spagat, das überlasse ich den Artisten, mit denen ich gelegentlich im Varieté arbeite. Das mit Familie und Kunst passt schon, es beschränkt mich maximal geografisch, denn ich will jetzt nicht unbedingt auf zwei Jahre zum Arbeiten nach Berlin oder Hamburg, zumal Leipzig sowohl für Familie als auch Kunst eine geile Stadt ist! Schwieriger ist es tatsächlich im Moment für mich, vom freien Theater das ganze Jahr über leben zu können, da fehlt noch ein regelmäßiger Basisjob, oder doch mal eine Festanstellung bei einem Theater, Sender, Verein, was auch immer, also her damit, wenn Du noch was unter der Mütze versteckt hast. Oder, Plan B, meine Frau, ihres Zeichens Psychologin, macht dicke Karriere und ich werde endgültig verpeilter Künstler und Taugenichts, aber Du weißt ja, wie das mit den schönen Utopien so ist.

Euer musikalischer Leiter, der Kay Kalytta, ist ja von Hause aus Schlagzeuger und Percussionist. Nun macht er die musikalische Unterlegung Eures Stückes. Hoffentlich nicht Geschepper und Krachbum? Was wird’s denn? Erzähl mal.

Kay und Raschid kennen sich sehr gut und haben zu den Szenen passendes Klangmaterial ausgeheckt, was sicherlich sehr rhythmusbasiert sein wird. Da wird mit Loops und Klangteppichen gearbeitet, was sich alles sehr atmosphärisch und wenig scheppernd anhört. Ich selbst habe noch gar nicht alles gehört, das basteln wir nächste Woche in den Endproben noch zusammen, da freue ich mich drauf und lasse mich gerne überraschen.

Premiere ist am 27. April im LOFFT. Wie fühlst Du dich? Aufgeregt? Gechillt?

Im Moment habe ich für solche Kategorien noch keine Zeit, dafür ist einfach noch zu viel zu tun. Nächste Woche wird dann sicher noch ein bisschen, hoffentlich konstruktive, Panik dazu kommen und schließlich auch ein bisschen Aufregung. Unmittelbar vor der Premiere bin ich dann erfahrungsgemäß recht ruhig, nützt ja nix mehr, da müssen dann die Schauspieler ran.

Anfang Juli spielen wir dann noch mal in der naTo, da werde ich dann wieder aufgeregt sein, ob unser Bühnenbild da rein passt und ob sich die Schauspieler nach über zwei Monaten noch alles gemerkt haben. Zur Not proben wir nochmal, da macht dann Raschid mit denen irgendwas und ich sitze altklug im Hintergrund und sage ihm, wie er es besser machen soll…

Danke, Karsten.

Danke, Volly. Und bitte.

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