Anfang und Mitte der Nuller Jahre saß Philipp Baumgarten, genannt Bohm, hinter dem Lenkrad des Tourautos, welches Volly Tanner mit seinen Büchern und King Kegel mit seiner Gitarre durch Österreich, die Schweiz, die Tschechische Republik und die Bundesrepublik schaukelte. Später machte der junge Mann in Dresden auf sich aufmerksam.

Mittlerweile hat der Ex-Trauma-Sänger seinen Anker auf dem Klosterberg zu Posa in den Boden gesenkt und aktiviert die Gegend bei Zeitz mit Kultur, seinen Freunden, Aktiven, Bildung und Verantwortung. Und weil Posa am 06.09.14 900-jähriges Dasein feiert traf Volly Tanner den Bohm und fragte an ihm herum.

Salute mein Freund. Wir kennen uns ja schon ein paar Jahre – aber seit einiger Zeit trudeln unsere Wege nun doch etwas auseinander. Das liegt nicht nur an meinem Vatersein, sondern auch daran, dass Du mit Freunden das Kloster Posa, am Rande von Zeitz, zu einem Kulturpunkt ausbaust. Nun liegt am 06.09.14 ein Fest sondergleichen an. Es sollen 900 Jahre Posa begossen werden. Erzähl mal bitte, was Kulturinteressierte auf Eurem Berge so zu erleben bekommen.

Hallo Volly, also wir sind ein noch sehr junger Verein, der das Gelände eines ehemaligen Benediktinerklosters gepachtet hat. Dazu sind alle Mitglieder im Begriff von Leipzig nach Zeitz in Sachsen-Anhalt zu ziehen und ihre bisherigen Lebensmittelpunkte aufzugeben. Unsere neue Heimat gilt als strukturschwach, das Motto der Stadt ist “Mut zur Lücke”. Wir wollen gegen diese Rezession vorgehen und Posa als neue Kultur- und Bildungsstätte in Mitteldeutschland aufbauen. Dabei knüpfen wir natürlich indirekt an die klösterliche Tradition an, denn das Kloster war seit jeher Bildungs- und Kulturstätte und damit ein Ort der Gemeinschaft. Allerdings sehen wir das ganze profan und verzichten auf jeglichen religiösen Überhang.

Vor nunmehr 900 Jahren wurde das Kloster auf den Grundmauern einer ehemaligen Slawenburg gegründet. Und so haben wir uns entschieden, dieses Jubiläum mit dem eintägigen Festival POSA CALLING zu zelebrieren. Damit wollen wir einen Schlussstrich unter die bisherige Vergangenheit des Ortes ziehen und neue Maßstäbe setzen; unser Konzept aber auch in all seinen Facetten erlebbar machen und dabei eben auch nicht so antiquiert daherkommen.

Am 6. September wird es dann ab 11 Uhr Vormittags mehrere Bühnen und Locations geben, darunter eine Hauptbühne für Livemusik und eine Lesebühne. Es werden Ausstellungs- und Vortragsräume sowie ein Markt und eine Theaterwerkstatt entstehen. Außerdem stellen wir die erste Buchveröffentlichung der neu gegründeten Edition Posa vor. Am Abend gibt es Lichtkunst und eine Fassadenprojektion zu sehen, DJs zu hören und natürlich Speis’ und Trank bis zum Abwinken.

Zeitz und somit Kloster Posa liegen ja nur einen Katzensprung – mit der Bahn 20 Minuten – vom Leipziger Westen entfernt. Ist denn die Leipziger – und dann weiter auch die Geraer – Klientel überhaupt auf Eurem Sendeschema? Es wäre ja auch schön, glaube ich, die Außenwirkung von Zeitz mit Eurer Arbeit positiver zu gestalten. Habt Ihr das auf dem Schirm? Und wenn ja, welche Wege nutzt Ihr zur Vermittlung Eurer Themen in die umliegenden Städte und Länder hinein?

Wir wollen uns ganz klar überregional orientieren, um dort eine Zielgruppe zu finden. Mit der Absicht, die Leute in die Region zu locken, deren Vorzüge und Sehenswürdigkeiten bisweilen völlig vergessen und fehlkommuniziert wurden. Hier gilt es noch viele Nischen zu besetzen, die wir gern gemeinsam mit kreativen und engagierten Menschen und natürlich mit guten Ideen füllen wollen. Wir möchten sagen: “Seht her Leute, Zeitz ist ein schönes Kaff, das zwar viel verloren hat, aber auch viel gewinnen kann. Hier gibt es Platz für wenig Geld. Es gibt Freiräume für kreatives Handeln, die es so in Leipzig oder Dresden nicht mehr gibt. Vor allem aber gibt es substantiellen Handlungsbedarf. Hier kann man einiges erreichen, wenn man Verantwortung übernimmt.” So möchten wir natürlich das Geraer und Leipziger Publikum ebenso wie das hiesige ansprechen und suchen Anknüpfungspunkte, um in einen Dialog treten zu können. Unser bisheriges Werbeleitmedium ist das Internet, und nach wie vor gilt es, die verschiedenen Akteure, die für unsere mediale Präsenz und Außenwirkung wichtig und hilfreich sein können, erst einmal kennenzulernen und ein Image zu schaffen – sich zu positionieren. Wir greifen vor allem auf unterschiedliche Netzwerke im Kunst- und Kulturbereich zurück, um unsere Themen in die Welt zu tragen. Aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeitsfelder unserer Mitglieder sind wir recht gut vernetzt.

Natürlich bekommst Du jetzt und hier auch Platz, Euer Konzept etwas vorzustellen. Wie kam’s zu Posa? Wer sind die neuen Posaner? In welche Richtung soll es gehen?

Wir haben uns als Gruppe erst letztes Jahr so richtig gefunden, kannten uns aber bereits über mehrere Ecken. Unsere Aufgabe war es nun, den historischen Ort des ehemaligen Klosters wiederzubeleben. Im vorigen November bekamen wir schließlich die Pacht des städtischen Geländes übertragen. Das umfangreiche Konzept unseres Vereins sieht vor, Angebote vor allem in der Kultur und Bildung zu schaffen, die Vernetzung und den Austausch in diesen Bereichen zeitgenössisch und nachhaltig zu fördern sowie Aspekte des gemeinschaftlichen Lebens miteinander zu vereinen. Dazu können Themenschwerpunkte zählen wie: Kunst und Medien, Natur- und Umwelt, und weiterhin auch Handwerk und Gewerbe. Besonders die Kreativwirtschaft soll im Fokus unseres Handelns liegen. Aus dem Wunsch heraus, das vorhandene Potential des Klostergeländes, der Stadt Zeitz und ihrer Umgebung zu stärken, setzen wir uns für das Erschaffen neuer soziokultureller Strukturen in der Region ein. Weiterhin verfolgen wir das Ziel, einen Kontrapunkt zur reinen Konsumhaltung gegenüber kulturellen, bildenden und sozialen Angeboten zu setzen. Bisher treffen wir mit diesem Anliegen auf viel Resonanz und laden alle Interessenten zum aktiven Mitgestalten ein.

Du selber bist auch Verleger. Unter anderem hast Du in Dresden “The Hole Of Fame” mit Literatur bestückt – aber auch schon Veranstaltungen im Stadtteilladen Leipziger Westen oder im HelHEIM zu Leipzig mit Autoren befüllt. Was sind die neuesten Projekte, die auch für Leipziger interessant sind?

Das neuste Buchprojekt heißt, wie eben schon kurz erwähnt, “Vom Wandel des Sakralen”. Es ist eine Anthologie und handelt inhaltlich vom Werdegang des Klosters und eben des sakralen Gedankens im Verlauf der Jahrhunderte. Es ist Märchen- und Geschichtsbuch, welches den Spagat zwischen Sachlichkeit und Fiktion wagt. Denn der Geschichtsschreiber ist eben auch nur ein Geschichtenschreiber. Und der Beuys unter den Historikern würde sagen, dass ein jeder seine eigene Geschichte zu erzählen hat und jede Geschichte wichtig ist. Das Buch ist das Debüt der neuen Edition Posa.

Für die Leipziger könnte aber eine weitere Publikation von Interesse sein, die ich zum Jahresende verlegen möchte. Denn der Autor ist Kind dieser Stadt und mit seinem langen Bart kaum zu übersehen. Er heißt Christian Hussel und ist eigentlich Hörspielautor. Gemeinsam wollen wir ein Krimihörspiel als Buch veröffentlichen, das sich BIO-ÖKO-TOT! nennt. Der Dresdner Künstler Volker Lenkeit hat das Ganze mit genial-surrealistischen und abstrusen Lithografien illustriert.

Ich wünsche Euch am 6. September jedenfalls interessierte und interessante Gäste – und dass bei Euch Qualität vor Quantität gehe. Hossa! Zum Schluss noch letzte Worte von Dir ans Volk:

Es ist etwas zu tun, es wird jemand!

POSA CALLING, Kloster Posa; Samstag, 06.09.2014, ab 11:00 Uhr, Eintritt: 5 Euro / 3 Euro ermäßigt.

nova-eventus.com/posa/wordpress

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