Kalender, die Musik machen, das ist etwas für die kleinen feierlichen Momente, wenn man am letzten Tag des Monats das Blatt umschlägt, sich der Januar in den Februar verwandelt, das Bild einer Meeresbucht sich in eines von der Klagemauer in Jerusalem verwandelt. Mit Giora Feidmann setzt der St. Benno Verlag seine Kalenderreihe "KlangArt" auch 2013 fort. Der Käufer bekommt mehr als nur 13 großformatige Kalenderblätter.

Die bekommt er auch. Mit eindrucksvollen Berg- und Wasserlandschaften drauf, einem Wasserfall in der Oase En Gedi in der israelischen Negev-Wüste, der Altstadt von Jerusalem und der nächtlich beleuchteten Manhattan Bridge in New York. Dazu etliche eindrucksvolle Detailfotos von Klarinetten, fotografiert von Bent Lange. Und natürlich Bilder aus Giora Feidmans zweiter Karriere. Denn in seiner ersten Karriere war der 1936 in Argentinien geborene Ausnahme-Klarinettist ja 1956 bis 1974 mit dem “Israel Philharmonic Orchestra” unterwegs. Danach startete er seine Solokarriere als Klezmermusiker.

Mancher Zeitgenosse identifiziert den Geist des Klezmer ja ganz und gar mit dem Klarinetten-Jauchzen dieses Mannes, der seit nun bald 40 Jahren zum Synonym für diese Musik geworden ist. Seine Einspielungen sind in Filmen zu hören. Man denke nur an “Jenseits der Stille”, “Die Comedian Harmonists” oder Steven Spielbergs “Schindlers Liste”. Überall dort stehen sie für nicht zu tötende Lebenslust der Menschen, die sich auch von einer staatlichen Mordmaschine nicht die Freude am Leben nehmen lassen.Eine Botschaft, die man gerade im Deutschland der Gegenwart immer wieder hören möchte. Denn der Klezmer, der mit den osteuropäischen Juden Anfang des 20. Jahrhunderts weltweite Ausbreitung fand, gehört auch zur deutschen Kultur, so fremd das zuweilen klingt. Und der Klezmer erlebte mit der Folkmusik ab den 1970er Jahren seine weltweite Blüte. Mit den großen Volksmusik-Traditionen weltweit hat er gemeinsam, dass sich hier das alltägliche Leben, die pure Lebensfreude, die Trauer, die Hoffnung, die Zuversicht wiederfinden. Man ahnt, wie sich mit dieser Musik im osteuropäischen Schtetl auch das Selbstbewusstsein der abgeschotteten jüdischen Minderheit am Leben erhielt. Neben diese Musik gehören unverkennbar die zauberhaften Bilder eines Marc Chagall.

Und Feidman ist natürlich niemand, der einfach nur nachspielt, was sich in den Überlieferungen erhalten hat. Dazu ist er zu sehr Virtuose. Wenn er mit seiner Klarinette ins Scheinwerferlicht tritt, dann erzählt er mit diesem Instrument Geschichten, feiert, frohlockt, jauchzt und rührt zu Tränen. Er schafft es, hörbar zu machen, wie dieses so gern verkannte Instrument alle Spannungsbögen des Lebens auszumalen vermag, die Seufzer aus tiefster Brust, die unbändigen Freudenschreie am Tag der Geburt oder der Hochzeit oder der erklärten Liebe.

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Und jeder Ton kommt aus der großen Stille, die uns Menschen umgibt, wenn wir nicht vergessen haben, die Welt mit den Ohren wahrzunehmen. “Musik beginnt nicht mit dem ersten Ton, sondern mit der Stille davor”, sagt Giora Feidman auf dem Januar-Kalenderblatt. “Und sie endet nicht mit dem letzten Ton, sondern mit dem Klang der Stille danach.”

Jedes Kalenderblatt bietet solche Feidman-Sätze zum Nachdenken, Innehalten, die Sinne öffnen. “Ich nehme meine Klarinette zur Hand, um die Menschen an meinem Inneren teilhaben zu lassen”, sagt Feidman auf dem Juli-Blatt. Und zu jedem Monatsblatt gibt es auf der beigelegten CD ein Feidman-Stück. Lang oder kurz genug, um es noch beim Frühstück zu hören, bevor man – voller freudiger Gefühle – aufbricht in den neuen Tag und den neuen Monat. “Klezmer 26” im Januar, “Sammy’s Freilach” im Februar, im März “Bratizlav’s Nigun”. Man braucht keine Übersetzungen. Das ist Musik, die keine Übersetzungen braucht. Nur offene Ohren, ein lebendiges Herz, die Bereitschaft zur Freude.

Der Giora-Feidman-Kalender 2013. Musik ist die Sprache der Seele, St. Benno Verlag, Leipzig 2012, 19,95 Euro

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