Im Schatten der drohenden Einstellung des Spielbetriebs in der nächsten Saison feierten die Cammerspiele in Leipzig mit dem "Zementgarten" Premiere. Das Stück von Ian McEwan setzt das Ensemble gekonnt um. Es beweist mal wieder, dass die Cammerspiele ihre künstlerische Berechtigung haben und Leipzig unbedingt erhalten bleiben sollten.

Der Zementgarten präsentiert eine Familie, die dem Psychoterror ein Zuhause gibt. Der Vater (Max Schaufuß) piesackt bei jeder Gelegenheit die vier Kinder und seine Frau (Julia Pohl). Zum Beispiel, weil sie schlecht rechnen kann. “Wieviel ist sieben Mal Sieben?”, fragt er sie am Abendbrot-Tisch und höhnt, als sie lange still bleibt.

Die Mutter wiederum scheint diesen Druck zu verarbeiten, indem sie auf den Ältesten, Jack (Tim Josefski) losgeht. Er macht anscheinend eine schwere Pubertät durch. Dass er masturbiert, wie das Jungs eben so tun, hält sie ihm als ungesund und schädlich vor. “Jedes Mal wenn du das tust, verbrauchst du zwei Liter Blut.”Einen Hoffnungsschimmer gibt es, als der Vater unerwartet stirbt. Er fällt tot um. Nun müssen Mutter und Kinder etwas enger zusammenrücken, doch als auch noch die Mutter unvermittelt dahingerafft wird, bleiben die Kinder Jack, Juli und Sue – allesamt im Backfischalter – sich selbst überlassen.

Sie fürchten, in ein Kinderheim zu müssen und vergraben die Leiche der Mutter kurzherhand im Keller, der damit zum Zementgarten wird. Und sie sind heillos überfordert. Zum einen mit der Sorge für den kleinen Bruder Tommy (Tala Al-Deen). Zum einen damit, sich gegenseitig Liebe zu geben und zu unterstützen. Sie verfallen in ähnlich destruktive Verhaltensmuster, wie sie es von ihren Eltern gelernt haben, und alles endet in einem inzestuösen Wirrwarr.

Ian McEwans Stück glänzt damit, verschwommene Charaktere zu präsentieren, auch den Zuschauer immer wieder ins Ungewisse zu führen, so dass er selbst immer wieder rätseln muss, wie die wahren Zusammenhänge sind. Es ist fast wie im echten Leben, wo doch Vieles geschieht, was man nicht recht einzuordnen weiß. Schließlich ist man nur Beobachter von außen, kann sich nur zusammenreimen, was wohl in den einzelnen Personen vorgehen mag.

Darin unterstützt das familiäre Ambiente der Cammerspiele. In der Vorstellung am Freitag, 16. Februar, saß das Publikum zum Teil mit im Spielraum, auf Sofas, die an der Wand aufgereiht waren und auch gut im Wohnzimmer der Familie aus dem Stück stehen könnten. Das Stück ist in dem kleinen Raum und mit den knappen Mitteln gut gewählt und unprätentios inszeniert. Die Cammerspiele laufen mit dem “Zementgarten” wieder zur vollen Stärke auf.

“Der Zementgarten” ist noch am 28. und 29. Februar, sowie vom 8. bis 10. März und 30. und 31. März zu sehen. Weitere Termine sollen noch folgen.

Cammerspiele Online:

www.cammerspiele.de

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