Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat gegen zwei Geschäftsführer der S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik GmbH wegen des Tatvorwurfs des gemeinschaftlichen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens einer Anlage im besonders schweren Fall und gegen einen leitenden Angestellten der Firma wegen Beihilfe hierzu Anklage zum Landgericht Leipzig (Große Strafkammer) erhoben. Das teilte die Staatsanwaltschaft am 25. Januar mit.

Im Ergebnis der durch die Staatsanwaltschaft Leipzig mit Unterstützung des Landeskriminalamtes Sachsen durchgeführten Ermittlungen wird zwei Angeschuldigten (68, 68) zur Last gelegt, als verantwortliche Geschäftsführer die Abfallimmobilisierungsanlage ihres Unternehmens in Pohritzsch (Landkreis Nordsachsen) zumindest von 2007 bis Anfang 2011 unter wesentlicher Abweichung von der erteilten Genehmigung betrieben und gefährliche Abfälle nicht stabilisiert und falsch deklariert zu haben.

Aufgrund des den Angeschuldigten insoweit vorgeworfenen planmäßigen und systematischen Vorgehens sollen in diesem Zeitraum erhebliche Mengen angeblich ungefährlicher Abfälle auf insgesamt mindestens acht Deponien in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verbracht worden sein, obwohl wegen der tatsächlich bestehenden hohen Schadstoffbelastungen die für eine Ablagerung erforderlichen Grenzwerte nicht eingehalten und die Abfälle weiterhin als gefährlich einzustufen waren.

Einem dritten Angeschuldigten (45) wird zur Last gelegt, als leitender Angestellter der Firma das Handeln der angeschuldigten Geschäftsführer maßgeblich unterstützt zu haben.

Seit 2009 berichtete die L-IZ regelmäßig über die Vorgänge um die S.D.R. Biotec. Messdaten der Deutschen Umwelthilfe hatten die überhöhten Schadstoffbelastung im Umfeld der Anlage in Pohritzsch nachgewiesen. Doch seinerzeit wiegelte auch der Landkreis noch ab. Die nächsten zwei Jahre zeigten eigentlich exemplarisch, wie dünn das Kontrollnetz der sächsischen Behörden in Sachen Abfallentsorgung tatsächlich ist und wie schwer sich die Kontrollbehörden selbst dann noch tun, wenn ihnen Messergebnisse als Beweis vorgelegt werden.

Mittlerweile sind neben den Vorgängen um die S.D.R. Biotec auch mutmaßlich illegale Vorgänge um die Deponie Cröbern Thema im so genannten Abfalluntersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages, der auch deshalb eingesetzt wurde, weil die staatlichen Kontrollinstanzen augenscheinlich über Jahre nicht richtig funktioniert haben. Noch beängstigender würde der Umgang mit teilweise hochgefährlichen Abfällen sich darstellen, wenn auch gleichzeitig die Verbindungen ins benachbarte Sachsen-Anhalt untersucht würden, das seinerseits seit Jahren mit einer Reihe von Müllskandalen zu kämpfen hat. Auch die unterschiedliche Zuständigkeit der Bundesländern ermöglicht einigen Akteuren auf dem Müllmarkt ein Agieren weit jenseits der Grauzone. Und der Müllmarkt ist längst wie jeder andere Markt ein europäischer, ja internationaler.

Nur die zuständigen staatlichen Instanzen haben noch nicht wirklich erkannt, in welcher Dimension hier einige clevere Geschäftsleute mittlerweile mit Müll und illegaler Entsorgung Gewinne erwirtschaften.Dass die sächsischen Behörden durch jahrelangen Druck überhaupt zum Handeln gezwungen wurden, wertet der Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi immerhin als Erfolg.

“Die Anklage gegen die Geschäftsführer der S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik Pohritzsch (Lkr. Nordsachsen) ist ein später Erfolg für die engagierten Bürgerinnen und Bürger vor Ort”, meint der Obmann der Landtagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Abfall-Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtags.

Dass die Staatsanwaltschaft Leipzig Ende 2012 Anklage “in einem besonders schweren Fall” erhoben hat, weist für Lichdi auf die Schwere der Vorwürfe hin. In anderen Fällen, so im Verfahren gegen den Geschäftsführer der Müllbehandlungsanlage in Cröbern (Lkr. Leipzig), wurden die Ermittlungen gegen Geldbuße eingestellt.

“Mit der Durchsuchung des Betriebs und der nachfolgenden Schließung durch die Staatsanwaltschaft war im Frühjahr 2011 das jahrelange Wegducken der Behörden vom Landratsamt bis zu den Umweltministern Stanislaw Tillich, Prof. Roland Wöller sowie Frank Kupfer (alle CDU) beendet worden”, so der Abgeordnete rückblickend. “Für mich waren die Vorgänge um den Betrieb in Pohritzsch einer der Hauptgründe, um den Abfall-Untersuchungsausschuss im Landtag einzurichten.”

Lichdi hofft nun, dass das Verfahren möglichst bald abgeschlossen wird. Dann könne der Geschäftsführer der S.D.R. Biotec wieder vor den Abfall-Untersuchungsausschuss des Landtags geladen werden. Bisher hatte dieser mit Hinweis auf die Ermittlungen gegen ihn die Aussage vor dem Ausschuss verweigert.

Übrigens nicht der einzige Müll-Fall aus Sachsen, der vor Gericht landete. Anfang des Monats gab es die Entscheidung im so genannten “Mügelner Schießplatzskandal”.

“Fast fünf Jahre hat es gedauert, bis ein abschließender Urteilsspruch zu den skandalösen Vorgängen rund um den Schießplatz Mügeln gesprochen wurde”, stellt Barbara Scheller von den Grünen aus Nordsachsen fest. 2007 war widerrechtlich damit begonnen worden, Wälle auf dem Mügelner Schießplatz aus Müll zu errichten. Eine Bürgerinitiative und die nordsächsischen Grünen deckten den Skandal 2008 auf. Der Fall landete vor Gericht. In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob Schadenersatz für die Beseitigung der Seitenbegrenzungswälle für die Schießanlage in Mügeln in Höhe von 732.095,49 Euro zu leisten ist.

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten F. jetzt verurteilt, ein Drittel des Schadens zu tragen.

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“Das ist das erste Mal, dass einer der ‘Großen Müllsünder’ unserer Region verurteilt wird. Als Grüne begrüßen wir das Urteil sehr. Wie wollen wir sonst Bürger zum ordnungsgemäßen Müllentsorgen bewegen, wenn im großen Stil Müll in der Landschaft verkippt wird”, betont Barbara Scheller. “Für die Stadt Mügeln, die nun durch Mitverschulden vorerst auf dem restlichen Schaden sitzen bleibt, ist die Frage zu klären, in wie weit Exbürgermeister Deuse bzw. Stadträte für diesen Schaden haftbar sind oder eine Hoffnung bleibt, dem Landratsamt in einem neuen Verfahren den schwarzen Peter zuzuschieben.”

Allerdings würden die Bürger ja immer mitbezahlen, was als Saldo bei Stadt oder Landkreis bleibt. In diesem Fall also fast eine halbe Million Euro.

“Grundsätzlich hat das Gerichtsverfahren dazu beigetragen, dass klar gestellt wurde, dass es sich bei der Ablagerung um Müll handelte, der nicht im Schießwall verbaut werden durfte. Leider musste dieser Fakt erst durch die Bürgerinitiative aufgedeckt, angezeigt und durch die Medien bekannt gemacht werden. Die Stadtverwaltung aus Mügeln und die übergeordneten Behörden sind ihren Aufsichtspflichten nur sehr zögerlich oder überhaupt nicht nachgekommen”, fasst Barbara Scheller die Ereignisse der vergangenen Jahre zusammen. “Das Beispiel zeigt, dass einige Mitarbeiter in Behörden der verschiedenen Ebenen so zusammenarbeiten, dass Bürger einen sehr langen Atem brauchen, um Missstände abzuwenden. Der Dank der Grünen Nordsachsens gilt den Bürgern, die sich mutig an die Spitze der Bewegung in Mügeln stellten.”

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