Der umstrittene Polizeieinsatz nach einem Chemie-Spiel am 28. September in Zwenkau bringt die Sicherheitskräfte spürbar in Erklärungsnot. Am Sonntag, 20. Oktober, tauchte im Internet ein Video auf, das unter anderem zeigt, wie Bereitschaftspolizisten einen friedlichen Zuschauer verprügeln. Er hatte die Polizeiarbeit mit seinem Handy gefilmt.

Am Montagabend, 21. Oktober, wollte L-IZ.de von Polizei und Staatsanwaltschaft wissen, ob gegen die beteiligten Beamten wegen des besonderen öffentlichen Interesses von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet werde. Der Verdacht: Körperverletzung im Amt.

Der Polizist, der die Attacke initiierte, ist auf den privaten Aufnahmen gut zu erkennen. Seine Identität dürfte also leicht zu ermitteln sein. Dennoch bitten die Strafverfolger auf Nachfrage um Zeit. “Die Beantwortung ihrer Fragen ist in der Kürze der Zeit nicht möglich”, teilte Polizeisprecher Uwe Voigt am Mittwochnachmittag mit. Man werde mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten und anschließend die Öffentlichkeit informieren.

Die Aussage ist in zweierlei Weise schwierig. Einerseits ist die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ein Akt von 15 Minuten. Ob der Verdacht, der gegen die Beamten im Raum steht, zu bejahen ist, ist erst während des Verfahrens zu klären. Andererseits benötigte die Polizei-Pressestelle unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls Ende September keine zwei Tage, um Detailfragen zum Hergang des Geschehens zu beantworten.

Damals waren die Beamten in ihrer Eigenwahrnehmung die Guten, die gegen die bösen Fußballfans zu Werke gegangen sind. Heute sind sie, das wird jeder PR-Profi erkennen, nicht mehr ganz so gut, wenn einige Kollegen während des Einsatzes friedliche Zuschauer fast krankenhausreif schlugen.
Ganz offensichtlich zögert die Polizei, aus eigenem Antrieb intern zu ermitteln. Ein schwebendes Verfahren hätte für die betroffenen Beamten schließlich einen Beförderungsstopp und – möglicherweise – stupiden Innendienst zur Folge. Das möchte Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz seinen Einsatzkräften augenscheinlich beides nicht zumuten.

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Der Polizeieinsatz ist längst ein Thema für den Landtag. Die Linken-Abgeordneten Kerstin Köditz und Volker Külow reichten bereits am 8. Oktober zwei Fragenkataloge ein. Durch das nun aufgetauchte Video erhält die Causa zusätzliche Brisanz. Das Innenministerium muss sich bis zum 7. November zu dem heiklen Thema äußern.

Nach dem Bezirksliga-Spiel hatten rund 70 Uniformierte die Sportanlage gestürmt und scheinbar wahllos Chemie-Fans festgesetzt, um Identitätsfeststellungen vornehmen zu können. Anlass war ein Ladendiebstahl in einem nahen Discounter vor Anpfiff der Partie. Weil die Polizisten weder Vermittlungsangebote von Vorstandsmitgliedern und dem Fanprojekt annahmen noch allen Fans Sinn und Zweck der Maßnahme mitteilten, kam es zu Rangeleien. Dabei wurden vier Personen, unter ihnen ein Beamter, teils erheblich verletzt.

Zum Video im Netz
http://www.myvideo.ch/watch/9263728

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