Für Carolina J. ist es jetzt gut ausgegangen. Ahmed A. muss noch zittern, wie wohl das endgültige Urteil in seinem Fall lauten wird. Das Berufungsverfahren gegen beide lief heute vor dem Landgericht Leipzig. Die Staatsanwaltschaft hatte Berufung eingelegt, weil sie mit beider Strafen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nicht einverstanden war. Im August dieses Jahres waren beide verurteilt worden, weil sie sich vor einer Innenstadtdisco eine heftige Prügelei mit Polizisten geliefert haben sollen.

Im Februar 2012 war das gewesen. Auslöser war eine leere Plastikflasche, die Carolina J. geworfen haben soll. Ein Beamter und seine Praktikantin fragten sie ob alles in Ordnung sei. Carolina beschimpfte beide danach aufs Übelste und lief vor der Polizei davon. Die Beamten griffen sie jedoch auf. Und Ahmed A. sowie ein weiterer Kumpel eilten ihr zu Hilfe. Vor dem Amtsgericht hatten die Polizisten die Situation als komplett außer Kontrolle geraten beschrieben. Sie gipfelte darin, dass Ahmed, mit einem Polizisten im Gerangel, gegen eine Schaufensterscheibe klatschte.

“Ich habe gedacht, jetzt zerbricht sie”, hatte der Beamte vor dem Amtsgericht gesagt. Der dritte im Bunde versuchte, die Scheibe eines Polizei-Autos mit den Füßen von innen heraus zu drücken, worauf er aus dem Wagen geholt wurde und sich sofort wieder gegen die Polizisten wehrte. “Und all das nur, weil wir die Personalien der jungen Frau feststellen wollten”, resümierte ein Beamte im August dieses Jahres. “So etwas habe ich in elf Jahren Streife noch nicht erlebt gehabt. Es war wie eine Kettenreaktion der Gewalt”, sagte er.

Carolina J. war zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Sie hatte zu dem Zeitpunkt bereits sieben Monate Haft wegen einer anderen Tat verbüßt. Im September ist sie Mutter eines Töchterchens geworden. Den zehn Wochen alten Säugling hatte sie heute bei der Verhandlung dabei. “Durch die Mutterschaft ist Carolina gereift. Sie ist sich nun ihrer Verantwortung bewusst, weiß was sie will”, heißt es in einem Gutachten, welches die Jugendgerichtshilfe verlas. Mit ihrem Kind gehe sie liebevoll um und habe eine tiefe Bindung aufgebaut. “Schaffen Sie das denn, mit ihrem Kind?”, wollte die Staatsanwältin wissen. “Babys können auch mal schreien. Da braucht man schon Nervenstärke. Kommen Sie damit zurecht?”

Carolina beteuerte, dass sie mit dem Baby gut umgehen könne und sich bemühen will, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen, vielleicht sogar eine Ausbildung zu beginnen. Vor ihrer Gefängniszeit hatte sie bei einer Imbisskette gearbeitet und nach nur einer Woche hingeschmissen. Früher hat es ihr an Durchhaltevermögen gefehlt. Nun will sie eine neue Chance. Richter Norbert Göbel wollte wissen, ob es schon eine geeignete größere Wohnung gebe als die Ein-Zimmer-Küche-Bad des Kindsvaters, wo sie und das Kind einziehen könne? Die gibt es noch nicht. “Ihr Freund hatte schon mehrere Wohnungen ausgesucht, durfte aber keine davon nehmen, da das Amt dies nicht erlaubt hatte.

Schließlich war Carolina bis jetzt in Haft”, erklärte Verteidiger Christian Kohlen. Doch dies dürfe man ihr nun nicht zur Last legen. “Sobald sie frei ist, steht dem Paar eine größere Wohnung zu und die werden sie zügig bekommen”, so Kohlen. Vorerst wird die kleine Familie in der Einraumwohnung bleiben. Denn seit heute ist Carolina frei. Die Staatsanwaltschaft erklärte sich, nach Verlesung der positiven Entwicklungsberichte aus der Haft und einigen Beteuerungen von Carolina, die Berufung fallenzulassen.

Nicht so jedoch für Ahmed A.: Die siebzig Tagessätze á zehn Euro Geldstrafe, zu denen er verurteilt wurde, reicht der Staatsanwaltschaft nicht. Zudem läuft ein weiteres Verfahren. Ahmed soll weitere Körperverletzungen und wieder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte begangen haben. Am 18. Dezember wird ein weiteres Urteil über ihn gesprochen. Da dieses möglicherweise in eine Gesamtstrafe einbezogen werden kann – Richter Göbel spricht von “Mengenrabatt, auch wenn es nicht komplett dasselbe ist” – bleibt das Verfahren gegen ihn nun ausgesetzt. Erst wenn der andere Prozess vorbei ist, wird er sich wieder wegen seines Angriffs auf die Polizisten verantworten müssen.

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