Feuchtfröhliche Party mit bösem Ende: David C. (25) muss sich seit Dienstag vor dem Landgericht wegen versuchten Totschlags verantworten. Am 30. Mai soll der Selbstständige, der sich der linken Szene zugehörig fühlt, in seiner Plagwitzer Wohnung zwei Polizisten mit einem Messer angegriffen und leicht verletzt haben.

Gegen 5:40 Uhr fand an diesem Tag eine spaßige Spiele-Runde ein fatales Ende. David C., ein hagerer Mittzwanziger mit rotem, kurzen Haar, gepiercter Lippe und großen Ohrlöchern, spielte mit Lebensgefährtin Juliane S. (23) und deren Freundin Linda L. (23) in der Küche ein Gesellschaftsspiel. Dabei floss Alkohol. David C. sagt aus, er habe bestimmt zehn Bier getrunken, aber nichts gegessen.

Als sich abzeichnet, dass Linda gewinnen wird, macht der junge Mann erste anzügliche Bemerkungen in Richtung der jungen Frau. Sehr zum Missfallen von Juliane, mit der er ein gemeinsames Kind erwartet. Als das Spiel beendet ist, wünscht sich der Gastgeber Sex. Er entblößt sein Genital. “Er hat sich offensichtlich einen runtergeholt”, schildert seine Partnerin. Die beiden Frauen sind entsetzt, zumal David aggressiv wird. Sie verschanzen sich im Bad, verriegeln die Tür und rufen die Polizei. “Ich stand unter Schock”, so Juliane. “So kannte ich meinen Freund nicht.”

Bevor die Beamten eingetroffen sind, trauen sich die Frauen wieder in die Küche. Dort ist David mittlerweile durch eine Glastür gefallen. Auf dem Boden liegen Scherben. Weil der Hausherr mitbekommen hat, dass die Ordnungshüter anrücken, bewaffnet er sich. In der Anklage ist von drei Küchenmessern die Rede. “Die Messer sind für die Polizei”, soll er gerufen haben. “Ich will die Polizei abstechen. Ich schlachte sie alle ab”. Das berichtet Linda später laut dem Vernehmungsprotokoll zumindest einem Beamten. Bei Gericht dementiert die Auszubildende. “Ich weiß nicht, warum das so da drin steht.”

Als die Streifenpolizisten Robert Z. (26) und Sebastian A. (32) in der Wohnung eintreffen, möchten die beiden Frauen David beschwichtigt haben. Juliane sagt heute aus, sie habe die Beamten gebeten, vor der Tür zu warten. Diese hätten sie beiseite geschoben. Fakt ist, dass es zur körperlichen Auseinandersetzung kam. Dabei soll David mit einem Messer nach den Ordnungshütern gestochen und diese leicht verletzt haben. Allerdings zielten einige Stichversuche auf Hals und Nacken von Sebastian A.

Die Staatsanwaltschaft wirft David versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und exhibitionistische Handlungen vor. Ihm drohen 5 bis 15 Jahre Gefängnis. Verteidiger Jürgen Kohlen, eigentlich ein erfahrener Jurist, wirkt heute etwas ziellos.
Statt für seinen Mandanten eine vorbereitete Erklärung zu verlesen, lässt er David frei Schnauze dessen Sicht der Dinge schildern. Das ist nicht zwangsläufig verkehrt. Allerdings schildert der Angeklagte eine Version des Tathergangs, die sich in wesentlichen Punkten nicht mit der Beweislage zu decken scheint. Nachfragen bringen den jungen Mann schnell in Verlegenheit.

“Was wollten Sie mit dem Messer?”, fragt der Vorsitzende Hans Jagenlauf. “Weiß nicht, nur erschrecken”, erwidert der Beschuldigte. Als der Richter Davids politische Orientierung und dessen Probleme mit Polizisten anspricht, weicht der verlegen aus. “Wüsste nicht, was das für eine Rolle spielt.”

In einem Rechtsgespräch deutet Kohlen immerhin an, sein Mandant wünsche eine Therapie. Bekanntlich bedarf es hierzu einen Anlass, etwa Alkoholprobleme. Doch Davids Mutter, Susanne C. (45), Lebensgefährtin Juliane und Freundin Linda, die alle weiterhin zu dem Angeklagten halten und von Kohlen gebrieft zu sein scheinen, liefern in ihren Aussagen dem Gerichtspsychiater keinerlei Anhaltspunkte, die eine Unterbringung im angenehmeren Maßregelvollzug, beispielsweise in einer Entzugsklinik, rechtfertigen würden. David gibt zu Protokoll, er wünsche sich eine Anti-Aggressions- und eine Paar-Therapie. Allerdings charakterisieren ihn die Zeugen aus seinem Umfeld nicht als besonders aggressiv.

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Juliane und Linda sind obendrein darauf bedacht, ihren Freund nicht zu belasten. Offensichtlich plagt beide das schlechte Gewissen, mit dem Notruf die Eskalation herbeigeführt zu haben. Problematisch ist nur, dass beide schon gegenüber der Polizei zum Geschehen ausgesagt haben. Beide können sich gut an den Hergang des Abends erinnern, verweisen aber just an den Momenten, an denen es für David eng werden könnte, auf Erinnerungslücken. Richter Jagenlauf muss beide Zeuginnen wiederholt auf die Wahrheitspflicht aufmerksam machen.

Juliane hätte eigentlich gar nicht aussagen brauchen, hätte sie erklärt, sie sei mit dem Angeklagten verlobt. Mutter Susanne kann, den Tränen nahe, zum Tatgeschehen nichts aussagen. Zwar war sie an dem Morgen in der Wohnung. Allerdings erst, nachdem ihr Sohn die Polizisten angegriffen hatte. Was Verteidiger Kohlen sich von den Aussagen der beiden Frauen erhofft, bleibt vorerst unklar.

Und Linda reitet sich trotz eiligst durch Kohlen organisiertem anwaltlichen Beistand ganz tief ins Verderben. Sollte David C. am Ende verurteilt werden, droht der jungen Frau ein Verfahren wegen Falschaussage. Ihre Story, aufgrund einer Lese-Rechtschreibschwäche bei der Polizei versehentlich völlig falsche Angaben unterzeichnet zu haben, klingt mehr nach einer eiligst in der Sitzungspause erdachten Lügengeschichte denn nach der Wahrheit.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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