Die Zeitungen aus dem LVZ-Konglomerat machten gleich eine „Großrazzia in Leipzig wegen Drogen- und Waffenkriminalität“ draus, als sie eine Polizeimeldung über einen Großeinsatz der Polizei und des Zolls rund um die Eisenbahnstraße aufbliesen. Ein Großeinsatz, der wohl eher Symbolwert hat – wie so viele Großeinsätze „gegen Drogen- und Waffenkriminalität“ in Sachsen.

Die Polizei sprach wohlweislich nicht von einer Razzia – keiner großen und keiner kleinen. Dazu ist das, was man hier mit großer Mannschaft am 14. März unternahm, längst viel zu sehr Routine. Eine eigentlich frustrierende Routine, weil dieser konzentrierte Großeinsatz von Beamten verdammt wenig Effekt hat. Es will nur nicht in die Köpfe der Verantwortlichen, die immer noch glauben, man könne die Drogenprobleme einer Gesellschaft mit polizeilichem Großaufgebot in den Griff bekommen.

Das gelingt weder in Frankfurt noch Hamburg noch Leipzig.

Deswegen sind auch alle Meldungen des Innenministeriums zu diesem Thema sehr mit Vorsicht zu genießen. Auch wenn dieses – wie am 23. März – meldet: „Anzahl der Rauschgiftdelikte gestiegen“.

Was schlichtweg falsch war. Über die Zahl der Rauschgiftdelikte weiß Sachsens Polizei gar nichts.

Denn wie erklärte das Ministerium so schön? – „Im Jahr 2017 ist die Anzahl der Rauschgiftdelikte auf 12.207 gestiegen. Das ist ein Plus von 24,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2016: 9.819). Etwa jede vierte Straftat ist ein Verstoß wegen des Handels mit oder des Schmuggels von Betäubungsmitteln. Während die Fallzahlen bei Crystal nahezu konstant blieben, stieg insbesondere die Feststellung von illegalen Cannabisprodukten, wie Marihuana oder Haschisch. Die höhere Zahl der im vergangenen Jahr registrierten Straftaten ist auch durch eine höhere Kontrolldichte der Polizei zu erklären. Im Fokus stehen dabei Händler- und Schmugglerstrukturen.“

Und zur „Kontrolldichte“ gehört dann so etwas, was sich am 14. März rund um die Eisenbahnstraße abspielte. „Das Landeskriminalamt Sachsen, das Hauptzollamt und Zollfahndungsamt Dresden, die Polizeidirektion Leipzig, die Bereitschaftspolizei Sachsen, die Bundespolizei und die Polizeibehörde der Stadt Leipzig führten am 14. März 2018 Durchsuchungsmaßnahmen und mehrstündige Kontrollen im Leipziger Norden und Osten durch“, lautete die eigentliche Meldung.

Die Zeitungen der LVZ-Gruppe sprachen von 450 eingesetzten Kräften. Tatsächlich waren es ein bisschen weniger, wie Innenminister Roland Wöller mitteilt: „Die sächsische Polizei hatte 338 Kräfte im Einsatz, die 1.597,10 Einsatzstunden geleistet haben. Die Leipziger Polizeibehörde unterstützte die Einsatzmaßnahmen mit zehn Einsatzkräften und leistete dabei 38,45 Einsatzstunden.“

Trotzdem eine Menge Personal für so einen Einsatz.

Da erwartet man eigentlich eine ziemliche Latte von festgestellten Rechtsverstößen.

Aber das Ergebnis ist denkbar mager: „Es wurden zwei Personen auf der Grundlage von drei Haftbefehlen festgenommen (zwei Erzwingungshaftbefehle gegen eine Person sowie ein Vollstreckungshaftbefehl gegen eine weitere Person). Durch die Zahlung der geforderten Geldbeträge wurden die angedrohten Ersatzfreiheitsstrafen durch die Festgenommenen abgewendet“, teilt Wöller mit. Das waren also nicht mal wirklich große Fische. Und auch gefunden hat man nicht wirklich viel: „Im Rahmen des Einsatzes wurde durch die sächsische Polizei ein Elektroschockgerät gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 Waffengesetz sichergestellt. Darüber hinaus haben die Einsatzkräfte diverse Dokumente und Unterlagen, Kontoauszüge, Speichermedien (USB-Sticks, externe Festplatten), vier Laptops, vier Mobiltelefone und vier Fahrräder sichergestellt.“

Ein Elektroschocker, der dann die Aussage „Verstöße gegen das Glücksspiel- und das Waffengesetz“ begründet, wie in der Meldung zum 14. März zu lesen war?

Der Zoll hat bei seinem parallelen Vorgehen gegen Schwarzarbeit ein bisschen mehr Erfolg gehabt. Aber der Großeinsatz der Polizei endet eigentlich eher mit einem mageren Ergebnis.

„Wie viele Ermittlungsverfahren wurden aufgrund welcher Tatverdachte im Zuge des Einsatzgeschehens aus Frage 1 eingeleitet?“, hatte Enrico Stange, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, gefragt.

Und Wöllers Antwort: „Die sächsische Polizei leitete je ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes einer Straftat nach dem Aufenthaltsgesetz, nach dem Waffengesetz, wegen des Verdachtes des Diebstahls sowie des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt ein.“

Und das nach einer „Großrazzia wegen Drogen- und Waffenkriminalität“ in Leipzig?

Die Großschlagzeile passt nicht zum Ergebnis.

Wobei ja bekanntlich der Aktion am 14. März gleich am 15. März die nächste folgte – diesmal von 16 bis 22 Uhr um den und im Leipziger Hauptbahnhof sowie den angrenzenden Parkanlagen (Bürgermeister-Müller-Park und Schwanenteich) mit ähnlich großem Personalaufgebot und ebenso magerem Ergebnis.

Extra für die klugen Ordnungspolitiker schrieb die Polizei dazu: „Aufgrund der Kontrollen war ein deutlicher Verdrängungseffekt in den Parkanlagen Schwanenteich und Bürgermeister-Müller-Park sowie im Umfeld des Leipziger Hauptbahnhofes zu erkennen. Insgesamt wurden 26 Personenkontrollen durchgeführt, acht Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet, 26 Platzverweise ausgesprochen und eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt.“

Denn auf Druck der konservativen Ordnungs-Liebhaber in der Leipziger Politik setzt man ja nun seit Jahren auf ordnungspolitischen Druck, weil man glaubt, damit irgendetwas in den Griff bekommen zu können. Zumindest die hauptamtlich damit Beschäftigten haben mittlerweile mitbekommen, dass man mit Polizeidruck immer wieder nur „Verdrängungseffekte“ bekommt. Das ist reine Placebo-Politik, Kraftmeierei mit Worten, die am zugrundeliegenden Problem nichts ändert.

Bestenfalls fängt man allerkleinste Fische, ändert aber an den Suchtstrukturen unserer Gesellschaft nichts. Da helfen auch keine aufgemotzten Schlagzeilen.

Die Antwort von Innenminister Roland Wöller. Drs. 12721

Polizei-Einsatz im Leipziger Osten zur Bekämpfung verschiedener Kriminalitätsphänomene

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