Es ist eines jener Beispiele von "Spareffekten", die entstehen, wenn einer Kommune durch steigende Sozialkosten und sinkende Investitionszuweisungen so langsam das Wasser abgegraben wird. Der Bürger merkt es anfangs nicht, weil es hier die Straßenreparaturen sind, bei denen gespart wird, dort sind es die Grünanlagen, dort wieder die Reparaturkosten für Kindertagesstätten. Irgendwann kommt der Punkt, da sagt das Bauordnungsamt: Der Laden muss schließen.

Es ist nicht erst seit 2011, seit der Einführung des ersten doppischen Haushalts in Leipzig so, dass die Summen für die Werterhaltung auch im Finanzplan sichtbar werden. Zuallererst einmal als Abschreibung: Gebäude und technische Einrichtungen verschleißen und müssen regelmäßig erneuert und saniert werden. Damit die Finanzplaner das nicht vergessen, taucht die Summe jetzt unverhüllt als Abschreibung im Haushalt auf – die Stadt verliert, wenn sie nicht in gleicher Größenordnung saniert und erneuert, ganz faktisch an Wert.

Das war auch vorher so. Und die städtischen Ämter wussten auch genau, wie viel sie in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich jährlich hätten in Sanierung und Reparaturen stecken müssen, um die Nutzung von Gebäuden und Einrichtungen nicht zu gefährden. Für Leipzigs Schulen bezifferte sich der Wert nach Berechnung der Grünen-Fraktion 2011 auf jährlich 1,2 Prozent des Gesamtinvestitionsbedarfes. Der lag damals bei 870 Millionen Euro. Die Stadt hätte also jährlich 10,44 Millionen Euro in Reparaturen bei Schulen stecken müssen

Nicht viel geringer sind wohl die Summen, die hätten investiert werden müssen, um das zu verhindern, was nun im August 2012 auf einmal Schlagzeilen macht: Für acht Kindertagesstätten droht die Schließung.

Das haben nun auch wieder nicht die fleißigen Reporter ans Licht gebracht. Das Sozialdezernat hat es schon im Juli in einer Vorlage aufgelistet, mit der sich die Dienstberatung am 17. Juli zum ersten Mal beschäftigte und die am 20. September zur Entscheidung steht.

“Umsetzung von geförderten Baumaßnahmen im Leistungsbereich Kindertagesstätten zur Inanspruchnahme von Verstärkungsmitteln des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus und Sport und Bestätigung über-/außerplanmäßiger Aufwendungen/Auszahlungen gem. § 79 (a) SächsGemO für das Haushaltsjahr 2012 i.H. von 725.800 Euro”, heißt der Antrag.
Darin geht es darum, die vom Freistaat Sachsen am 10. April in Aussicht gestellten Verstärkungsmittel für Kita-Investitionen in Leipzig in Höhe von 459.066 Euro auch zu nutzen. Die Vorlage listet die wichtigsten Maßnahmen in den sieben Kindertagesstätten und einem Hort auf und kommt auf einen Gesamteffekt von 1.722.047 Euro. Die Stadt müsste – schweren Herzens – noch einmal 725.800 Euro aufbringen, um das zu finanzieren. Aber das Fazit ist deutlich: “Es besteht die akute Gefahr des Entzugs von Betriebserlaubnissen in den o .g. Kindertageseinrichtungen auf Grund der Nichterfüllung von Auflagen des Brandschutzes sowie des Gesundheitsamtes. Die Schließung der Kindertageseinrichtungen hätte die fehlende Verfügbarkeit von insgesamt 676 Kindergartenplätzen, 275 Kinderkrippenplätzen und 299 Betreuungsplätzen im Hortbereich zur Folge.”

Die acht Einrichtungen, wo schnell gehandelt werden muss, sind: die Kita Seipelweg 16a/b, die Kita Bisamstraße 15, die Kita Stollberger Straße 8, die Kita Yorkstraße 43, die Kita H.-Beimler-Straße 17 sowie die Kitas Kita Neptunweg 29, Kita Zeumerstraße 5 und Kita Breisgaustraße 21, außerdem der Hort der Karl-Liebknecht-Schule.

Die Grünen-Stadträtin Katharina Krefft dazu: “Die durchgeführten Sperrungen in Schulen durch das Bauordnungsamt Anfang des Jahres, und die aktuell angedrohten Entzüge der Betriebserlaubnis für Kindertagesstätten durch den Brandschutz und das Gesundheitsamt müssen wachrütteln! – Seit 2003 ist es Beschlusslage 1,2 % des Gebäudewiederbeschaffungswertes der Schulen jährlich zu investieren: das sind 10,44 Millionen Euro. Der Antrag der Bündnis 90/Die Grünen kam damals nicht von ungefähr. Dennoch ist die Summe seit 2001 nicht mehr erreicht worden.”

Katharina Krefft: “Wir lassen die Schulen vergammeln. Reparaturen werden nur notdürftig, Ersatzbeschaffungen gar nicht geleistet. Das eingestellte Geld reicht gerade mal für Havarien.”

Zum Haushalt 2012 erreichte die Fraktion Bündnis 90/die Grünen immerhin eine Aufstockung um 2 Millionen Euro durch Zustimmung im Stadtrat. Krefft weiter: “Wir begrüßen, dass die anderen Fraktionen endlich das Problem erkannt haben und nun auch mehr Mittel für die Schulen fordern, es ist auch höchste Eisenbahn!”.

Für die Schulen liegen seit 2010 die Fakten, also die Bedarfe für Sanierungen und Kosten, vor. Entsprechend ist der Stadtrat informiert. Für die Kindertagesstätten werden die Stadträte ständig vertröstet. Nun kündigt der zuständige Bürgermeister diese für das Jahresende 2012 an.

Katharina Krefft dazu: “Wir brauchen die Fakten bereits im Herbst, damit wir uns in der Haushaltsberatung und damit bei der Gewichtung von Prioritäten darauf einstellen können: Die Deckung muss aus den geliebten Prestigeprojekten erfolgen, Pflichtaufgaben gehen vor”, fordert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen zur Eile auf.

Skandalös sei allerdings der Umgang des Freistaates mit den großen Städten in den Fragen der Schul- und Kita-Investitionen zu nennen. Mit Einführung eines demographischen Faktors als Ergebnis beim neuen Finanzausgleich werden die kreisangehörigen Kommunen erstmalig mit deutlich mehr Geld ausgestattet als die kreisfreien Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz. Das bedeute, so Krefft, die BürgerInnen auf dem Land sind dem Freistaat fortan jährlich mehr Geld wert, als die in den Städten. Die Kürzung der Jugendpauschale um 1/3 kostet Leipzig bereits jährlich eine halbe Million Euro. Von Bundesfördermitteln insbesondere für ÖPNV und Kita-Ausbau krallte sich der Freistaat Sachen im Jahr 2011 von 272,2 Millionen 219,3 Millionen Euro, 2012 von 318,9 Millionen satte 286,3 Millionen Euro. Geld, das zuallererst auch in den Großstädten fehlt.

“Das bedeutet ein Verhungern am langen Arm. Die zwei mal 40 Millionen Euro Schulbudget zum Kapazitätenausbau für die drei Städte sind da nur eine billige Abfindung”, erklärt die schulpolitische Sprecherin. “Immerhin will der Kämmerer davon jährlich 2 Millionen für Investitionen in den Bestand nutzen. Wie nötig die sind, zeigen die angedrohten Schließungen. Daneben kommen neue Bedarfe: Durch den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab 1. Januar 2013 kalkuliert die Leipziger Verwaltung mit einer Steigerung um 10 % auf 70 % Bedarfsquote. Und: Der Geburtenanstieg kommt in den Schulen an, bis 2018 ist die Einrichtung von 21 neuen oder reaktivierten Schulen erforderlich. Das sind noch mal minimal 200 Millionen Euro.”

Die Vorlage:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/EBD2459DABD4DEFDC1257A3D002A2738/$FILE/V-ds-2372-text.pdf

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