Der Druck ist gewaltig. Über 700 Kinder fanden im Frühherbst in Leipzig keinen Betreuungsplatz. Im August 2013 kommt der gesetzliche Anspruch auf einen Krippenplatz hinzu. Und 2012 wird die Geburtenrate in Leipzig wohl wieder über 5.600 liegen. Deswegen steht am Montag, 17. Dezember, ein großes Kita-Bauprogramm auf der Beschlussliste des Stadtrates. Und draußen vor der Tür gibt's wieder eine Kundgebung.

Die Leipziger Kita-Initiative hat für Montag, 17. Dezember, zu einer Kundgebung vor dem Rathaus aufgerufen. Am selben Tag berät der Stadtrat über den geplanten Kita-Ausbau im kommenden Jahr. “Damit ist die Stadt spät dran! Seit Jahren steigen die Geburtenzahlen, doch erst jetzt, da der Rechtsanspruch für die Betreuung von unter Dreijährigen kommt, sieht man Handlungsbedarf”, kritisiert Victoria Jankowicz von der Leipziger Kita-Initiative das spät aufgelegte Paket, in dem auch 1.099 neue Betreuungsplätze in Modul-Kindertagesstätten entstehen sollen. Immerhin ein Instrument, mit dem die Lage kurzfristig entspannt werden kann.

Die Initiative vermutet für diesen Aktionismus aber auch noch andere Gründe. “Oberbürgermeister Burkhard Jung möchte im Januar wiedergewählt werden, wohl auch deswegen legt er uns so ein Mammut-Programm vor”, meint Susann Böhm.

Und die Initiative hält die vorgelegten Pläne der Stadt für unrealistisch: Im Jahr 2012 habe Leipzig gerade mal zwei Kitas neu gebaut, 2013 sollen es insgesamt 14 sein. Und so vermutet die Initiative, dass die Pläne nach der OBM-Wahl ad acta gelegt werden. Nach den Informationen der Kita-Initiative seien wesentliche Fragen zu einigen der geplanten Kitas auch noch ungeklärt, etwa die Nutzung der Grundstücke oder der Lärmschutz. Susann Böhm: “Was in den letzten Jahren versäumt wurde, ist nur schwer in wenigen Monaten aufzuholen. Doch unrealistische Versprechen helfen nicht weiter.”Ein Hauptproblem in der Leipziger Kita-Planung ist seit Jahren, dass es bei den fest eingeplanten Neubau-Fertigstellungen immer wieder zu Planungs- und Bauverzögerungen kommt. Mancher Träger hat sich mit seinem Vorhaben, eine oder gar mehrere neue Kindertagesstätten zu bauen, völlig übernommen. Die Plätze stehen zwar in den Planungen der Stadt, existieren aber nicht. Dazu kommt, dass die Stadt Leipzig in den letzten Jahren kaum freie Investitionsmittel zur Verfügung hatte, um auch den Kita-Ausbau im nötigen Maß zu forcieren. Schon bei der Kita-Planung für 2012 sprach Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) sehr deutlich davon, dass es beim augenblicklichen Ausbautempo fast zehn Jahre dauern dürfte, bis sich die Lage entspanne. Eine Botschaft, die auch bei der sächsischen Landesregierung noch etliche Monate brauchte, um die Wahrnehmungsschwelle zu überwinden.

Reihenweise konnten Kommunen selbst die vom Bund zur Verfügung gestellten Investivmittel nicht abrufen, weil die Eigenmittel im Haushalt nicht darstellbar waren.

Die jungen Eltern erleben das Dilemma aus einer anderen Perspektive: Sie sehen die Planungen und die versprochenen Plätze – und geraten dann trotzdem in die Mühlen der oft endlosen Suche nach einem Betreuungsplatz für ihre Kleinen. Eine Suche, die in der Vergangenheit noch nicht so prekär war. Doch mittlerweile sind auch und gerade junge Eltern am Leipziger Arbeitsmarkt gefragt. Und die Familien sind – bei den derzeit gezahlten Löhnen – auf einen Doppelverdienst angewiesen. Sie brauchen die Betreuung für ihre Sprösslinge also dringend.

Das ist also ganz existenzielle Wut, die sich da wieder vorm Rathaus einfinden und Druck machen wird.

“Wir lassen uns nicht länger veralbern”, betont Jankowicz: “Die Betreuung unserer Kinder muss mehr wert sein, als im Wahlkampf benutzt zu werden.” Die Leipziger Kita-Initiative fordert daher ein klares Bekenntnis der Stadt zum Krippen- und Kita-Ausbau auf der Grundlage realistischer Planungen. Mit der Kundgebung soll ein deutliches Zeichen für mehr Betreuungsplätze gesetzt werden.

Das Motto der Kundgebung “Die Betreuung unserer Kinder ist mehr wert!” hat das Netzwerk Leipziger Tageseltern auch noch aus einem anderen Grund gewählt: Es zeichnet sich ab, dass die Stadt vermehrt auf Tageseltern als billigere Alternative für nicht-existierende Kita-Plätze zurückgreifen will – 327 zusätzliche Plätze nach den aktuellen Planungen. Daher fordert die Initiative auch eine bundesdurchschnittliche Bezahlung sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Tageseltern. Susann Böhm: “Wir dürfen nicht bei den Kleinsten sparen. Die Stadt muss der Notwendigkeit von Tageseltern auch finanziell Rechnung tragen. Ohne ihre wertvolle Arbeit ist die Mammutaufgabe nicht zu schaffen!”

Die Kundgebung “Die Betreuung unserer Kinder ist mehr wert!” findet am Montag, 17. Dezember, 16:30 Uhr vor dem Neuen Rathaus statt. Redebeiträge angemeldet haben Christian Ehle (Leipziger Kita Initiative), Suzanne Haas und Axel Münster (Netzwerk Leipziger Tageseltern) und Felix Ekardt (OBM-Kandidat Bündnis 90/Die Grünen). Außerdem will die Leipziger Kita-Initiative einen Kita-Platz verlosen. Und als Redner sind auch Vertreter der GEW und des GesamtElternRates angefragt.

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