Bisher liegen 135 Stolpersteine an 67 Orten in Leipzig. Vor den ehemaligen Wohnorten getöteter Mitbürger verlegt der Kölner Bildhauer Gunter Demnig diese Erinnerungsmale - ebenerdig in den Gehweg. Weitere Stolpersteine werden am Freitag, 10. Juni, in Leipzig verlegt. Darunter auch einer für Berthold Levy.

Während der Novemberpogrome 1938 wurde Berthold Levy vor dem Tor der Strick- und Wirkwarenfabrik in der Berliner Straße 65 verhaftet und in ein Leipziger Polizeigefängnis eingesperrt. Am 23. April 1939 starb Berthold Levy an seiner Krankheit und den Folgen der Misshandlungen während der Haft. Er wurde im Familiengrab auf dem Alten Israelitischen Friedhof zwischen der Berliner Straße und der Theresienstraße in Leipzig begraben.

Seit dem 22. April 2009, dem Tag, an dem die Leipziger Gruppe Gedenkmarsch beim BdA e.V. die erste E-Mail von Marianne Wintgen aus Berlin erreichte, beschäftigt das Thema Kindertransporte nach England die Gruppe Gedenkmarsch und den Verein Friedenszentrum Leipzig. Zuerst recherchierten wir über das Leben der Familie Berthold Levy und schrieben die Ergebnisse auf unsere Webseite. So weckten wir das Interesse des MDR und der Mitarbeiter von Spur der Ahnen. Infolge dessen entstand der Film “Der kleine Junge und die Nazis” von Anett Friedrich über das Leben und Leiden der jüdischen Leipziger Familie Berthold und Charlotte Levy. Hans Richard Levy, der Sohn der Familie, wurde mit einem der Kindertransporte nach England in Sicherheit gebracht.

Diese Geschichte dokumentierten wir in einer ersten Broschüre, welche wir im Rahmen eines Schülerprojektes am 6. Oktober 2009 im Ariowitsch Haus an Hans Richard Levy übergaben. Die Lesefreunde des Vereins “LeseLust” – Leipzig e.V. haben diese Broschüre als Audio-Datei eingelesen und so entstand ein Hörbuch dazu, welches wir ebenfalls an Hans Richard Levy bei seinem ersten Besuch, nach über siebzig Jahren, in Leipzig überreichten. Schüler des Immanuel-Kant-Gymnasiums und des Leipziger Friedenszentrum e.V. versprachen Hans Richard Levy, das Gedenken an seinen Vater mit der Verlegung eines Stolpersteins in der Brandvorwerkstraße 80 zu bewahren und zu pflegen. Noch heute danken wir dem MDR, dass er diesen Besuch und das Treffen im Ariowitsch Haus mit Hans Richard Levy ermöglichte.Paul und Julius vom Immanuel-Kant-Gymnasium haben an diesem Tag ein ausführliches Interview mit Hans Richard Levy geführt und so die Grundlage zur Überarbeitung und Erweiterung der Broschüre zu einem Buch geschaffen. Für den 9. November 2009, zur Gedenkaktion “Mahnwache und Stolpersteine putzen”, fertigten die beiden Schüler einen Gedenk-Koffer für Berthold Levy an. Nur ein Jahr später, am 2. November 2010, wurde das Buch “Er war doch nur ein neunjähriger Junge – Hans Richard Levy” von den Autoren Torsten Schleip, Vorsitzender des Friedenszentrum e.V., und Richard Gauch, Projektleiter der Gruppe Gedenkmarsch, der Öffentlichkeit präsentiert. Verlegt wurde dieses Buch durch die Rosa Luxemburg Stiftung Sachsen, im Rahmen ihrer Publikationen.

Es folgten mehrere Lesungen, so auch zur Buchmesse in Leipzig, in der Veranstaltungsreihe “Leipzig liest”.

Frau Monika Lazar, MdB Bündnis 90/Die Grünen, schrieb zu dem Buch: “Besonders in der heutigen Zeit, wo es immer weniger Zeitzeugen gibt, ist dieses Buch ein anschauliches Beispiel, um die Nazizeit Kindern und Jugendlichen näher zu bringen.”

Am 10. Juni 2011, zum Tag der Stolpersteinverlegung, treffen sich um 12.00 Uhr die Initiatoren am Eingang zum Alten Israelischen Friedhof in der Berliner Straße 123, um am Grab von Berthold Levy Blumen zum Gedenken niederzulegen. Nur zur wahrscheinlich unnötigen Erinnerung: Männer müssen auf dem jüdischen Friedhof eine Kopfbedeckung tragen!

Im Anschluss (gegen 13.15 Uhr) folgt ein kurzer Weg zur Post, wo mit Marianne Wintgen, einer Verwandten von Berthold Levy, ein Antrag auf Zulassung des Buches “Er war doch nur ein neunjähriger Junge – Hans Richard Levy” für den Schulunterricht an sächsischen Schulen eingereicht wird. Um 14.00 Uhr folgt dann die Stolpersteinverlegung in der Brandvorwerkstraße 80 mit einer kurzen Ansprache des Vorsitzenden vom Leipziger Friedenszentrum e.V., Torsten Schleip. Weiter geht es dann mit der Verlesung der Gedenkworte, welche uns Prof. Hans Richard Levy, aus Syracuse (USA), freundlicherweise übersendet hat. Musikalisch begleitet uns André Bauer am Saxophon.

Hans Richard Levy sagt dazu: “Mein Vater und meine Mutter, Berthold und Charlotte Levy, wohnten seit ihrer Hochzeit 1928 bis zu dem Räumungsbefehl auf Grund der antisemitischen Vorschriften des Naziregimes zehn Jahre später, hier in der Brandvorwerkstraße 80. Meine Schwester Elisabeth und ich verbrachten unsere ersten Jahre hier mit unseren glücklich verheirateten Eltern. Berthold Levy war Mitinhaber der Trikotagen- und Strumpfwaren-Fabrik Gebrüder Frank in der Berliner Straße. Am 10. November 1938 wurde er verhaftet, misshandelt und zehn Tage lang eingesperrt. Schon ein schwerkranker Mann, hat er dies nie überwunden und starb fünf Monate später.

Es ist ein großer Trost für mich, dass dieser feine Ehemann und wunderbare Vater, den ich als neunjähriger Junge verloren habe, durch die Installation dieses Stolpersteines nie vergessen wird. Ich bin Herrn Richard Gauch, der dies in die Wege geleitet hat, der Roten Hilfe e.V., den beteiligten Schülern und dem Friedenszentrum e.V. Leipzig für die Finanzierung sehr dankbar.”

Ein Überblick über die geplanten Stolperstein-Verlegungen am Freitag, 10. Juni, in Leipzig:

9.30 Uhr vor der Heinrich-Budde-Straße 27 für Marianne Bothe, die im Krieg ausländische Sender hörte, denunziert und am 12. April 1945 ermordet wurde.

10.00 Uhr vor der Funkenburgstraße 23 für die jüdische Familie Rodoff.

10.30 Uhr vor der Tschaikowskistraße 2 für Emma und Johanna Danziger.

11.00 Uhr vor der Alexanderstraße 43 für Henriette Gitta Berkowitz.

11.30 Uhr vor der Käthe-Kollwitz-Straße 109 für Georg Jacob Lilinthal.

13.00 Uhr vor der Wächterstraße 15 für Jakob Sieskind.

13.30 Uhr in der Bauhofstraße (ehem. Nr. 6) für Diana Isaaksohn.

14.00 Uhr vor der Brandvorwerkstraße 80 für Berthold Levy.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar