Wo gibt es noch echten Bäckerkuchen aus Leipzig? Ich habe es herausgefunden, musste dafür aber halb verhungert 7,6 Kilometer bis nach Thekla wandern. Hier zerteilt die Taucher Straße Stadt und Dorf. Hier werde ich endlich fündig. Endlich.

Um von Portitz nach Thekla zu kommen, bedarf es keiner spaziergängerischen Kunststücke. An der Kirche vorbei, den Berg hinunter führt ein kleiner Weg, der schließlich fast an der A14 endet. Seit 2010 kann sie hier unterquert werden, drei einsame Bauarbeiter pflastern gerade den Weg, als ich ihre Arbeitsstelle kreuze. Ein freundliches “Hallo!” auf allen Seiten. Ob die Jungs ihr Frühstück dabei haben? Besser wäre es. Ich habe zwar ein paar Kekse und eine Banane als Notration im Rucksack, mir ist aber nach richtigem Frühstück.

Doch weder in Gottscheina, noch in Merkwitz, Plaußig oder Portitz habe ich auch nur einen einzigen Bäcker oder Fleischer gesehen. Nicht mal ein kürzlich geschlossenes Geschäft oder ein “Spätöffner” war zu sehen. Wo kaufen diese Leute ihr Brot und warum trägt sich keine Bäckerei mehr in diesen kleinen Orten? Wo trifft man sich in diesen Orten, um über das aktuelle (Dorf-)Geschehen zu reden? Woraus ist der Kitt, der die Dorfbewohner zusammenhält?Nachdem ich die A14 unterquert habe, bleibt mir genügend Zeit, um mir diese Fragen zu stellen. “Am Keulenberg” scheinen alle Bewohner ihre Einfamilienhäuser verlassen zu haben, ein paar Autos überholen mich. Niemand wirft einen Toast aus dem Fenster. Hier ist das dörfliche Thekla, keine Spur von einer Straßenbahnendhaltestelle. Würde man nicht wissen, dass sich irgendwann die Großstadt vor einem aufbauen wird, man würde Thekla für ein nettes Dorf halten.

Noch bevor ich die Taucher Straße erreiche, um meinem ersten Etappenziel näherzukommen, wird dieser Eindruck verstärkt. Schafe! Mitten in Thekla! Eingezäunt mit dem Hinweis, sie bitte nicht zu füttern, sie würden sonst Darmprobleme bekommen.

Bei mir rumpelt es auch so langsam gefährlich. Ein Wahnsinn, dass man in Leipzig 7,6 Kilometer laufen kann, ohne an einem Geschäft vorbeizukommen.

Ich erreiche die Tauchaer Straße. Stockender Verkehr, Abgase, Leipzig. Als würden Blechkolonnen Großstadt bedeuten und Großstadt potenzielle Käufer, sehe ich 50 Meter weiter über der Tauchaer Straße den ersten Bäcker des Tages. Ich bin verschwitzt, aber ich habe auch Hunger. Hier wird nicht gezögert. Ein kleiner Laden, ja, mir dünkt, das hier sei eine echte Bäckerei. Keine exakt abgemessenen Kuchenstücke, nicht das immer gleiche Bäckersortiment. Hier ist der Mohnkuchen noch rund, die Mohnkuchenstücke so hoch wie Tortenstücke und: Hier gibt es Kassler im Blätterteig. Wo gibt es das noch im Bäckerketten-durchtriebenen Leipzig?

Meine Wahl ist klar, für Mohnkuchen und Blätterteig bezahle ich 2,50 Euro. Nachdem ich erklärt habe, wo Gottscheina liegt, zeigen sich die Verkäuferinnen verwundert, als ich ihnen berichte, dass das hier der erste Bäcker ist, den ich auf dem Weg von Gottscheina gesehen habe. “In Plaußig gab es mal einen”, berichtet eine von ihnen und wundert sich weiter. Viel Zeit haben sie offenbar nicht, es muss Kuchen geschnitten werden.

Froh, dass sie gerade nicht ans Essen denken müssen, sind offenbar gerade auch zwei Küchenfrauen der nahe liegenden Kindertagesstätte, die im Angesicht der orangefarbenen Essenskübel gerade eine “ballern” und die Probleme der Welt besprechen. Auf der Vorderseite geht es rund, Kindergeschrei.

Willkommen im Neubaugebiet Thekla …

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar