Ziel der Arbeitsagenturen und Job-Center ist es oder besser sollte es sein, Arbeitslose so schnell es geht wieder in Arbeit zu bringen. Die Frage ist also, helfen Sanktionen dieses Ziel zu erreichen? Die Frage kann klar mit Nein beantwortet werden. Dazu gibt es inzwischen wissenschaftliche Untersuchungen und auch die Daten der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg zeigen es: Härtere und häufigere Sanktionen gegen Arbeitslose, die ihre Pflichten gegenüber der Arbeitslosenbürokratie nicht oder nur nachlässig erfüllen, führen nicht dazu, dass Arbeitslose schneller einen Job finden.

Das sollten auch die Job-Center und Arbeitsagenturen wissen, jedenfalls wenn sie die für sie bestimmte Literatur und die Informationen der Bundesagentur lesen. Welchen Sinn haben also die in letzter Zeit verschärften Sanktionen? Da ist einmal, dass die zurückgehende Zahl von Arbeitslosen den Bürokraten mehr Zeit lässt, die genutzt wird, um niemanden in Versuchung zu führen, die geringere Zahl von Arbeitslosen zum Personalabbau in der Arbeitslosenverwaltung zu nutzen. Auf der anderen Seite führen Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit dazu, dass diejenigen die vom Arbeitsmarkt abgekoppelt sind, eine weitere Stigmatisierung erfahren und dies wiederum die Frustrationstoleranz gegenüber dem Jobcenter senkt.

Das Verhältnis zwischen Vermittlern und Betroffenen wird dadurch zunehmend belastet, was regelmäßig weitere negative Folgen für die Betroffenen hat. Neuere Untersuchungen belegen zudem, dass sogenannte Vermittlungshindernisse keine signifikante Rollte spielen, bei der Frage ob ein neues Arbeitsverhältnis erreicht wird oder nicht.

Entscheidend ist vor allen Dingen die Länge der Arbeitslosigkeit. Wer Langzeitarbeitslos ist, gilt in den meisten Unternehmen von vorn herein als unbrauchbar, gleich welche Qualifikation er hat und gleich weshalb er/sie so lange ohne Erwerbsarbeit war. Kommt dann noch das Alter dazu braucht sich der Langzeitarbeitslose oft nicht mehr zu bewerben. Je Branche und Region ist ab 45, spätestens 50 für Arbeitssuchende, die länger als ein Jahr arbeitslos sind Schluss. Unter diesem Aspekt ist auch der Misserfolg der neuesten Kampagne der Bundesagentur für Arbeit ältere Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen zum Scheitern verurteilt.

Nur wer besondere Vermittlungshindernisse hat, erhält die Chance, einen geförderten Job in einem Unternehmen zu erhalten. Damit werden die Geförderten vor Beginn der Maßnahme nochmals stigmatisiert. Wie es dadurch gelingen soll aus den befristeten Maßnahmen dauerhafte Arbeitsverhältnisse zu erreichen, bleibt ein Geheimnis.
Davon abgesehen steigt der Bedarf an Arbeitskräften durch die Fördermaßnahmen nicht. Jeder, der dank dieser Fördermaßnahmen doch in einen ungeförderten Job kommt, verringert die Chancen eines anderen nicht Geförderten, diesen Job zu erhalten. Was bleibt, sind Frustrationen und Spannungen, die sich über die Sanktionen entladen. Damit gibt es im Ergebnis keine Hilfe sondern der Motivationsabbau, die endgültige Sedierung durch Resignation nimmt weiter zu.

Arbeitslose brauchen Hilfe, Anerkennung und Erfolge, um ihre belastetes Selbstwertgefühl wieder aufzubauen und keine Sanktionen, die die gesellschaftliche Stigmatisierung vertiefen und den Betroffenen in erster Linie demotivieren.

Dazu kommt, dass die Ängste arbeitslos zu werden vor allem in schlechtbezahlten Dienstleistungsjobs besonders groß sind. Jobs mit denen Leipzig überdurchschnittlich gesegnet ist. Leider führen diese Ängste, gepaart mit finanziellen Problemen durch die schlechte Bezahlung und schlechten, psychisch oft stark belastenden Arbeitsbedingungen dazu, dass gerade diese prekär Beschäftigten ihren Frust auf die Arbeitslosen abgeladen werden.

Die Gesellschaft wird so bewusst auseinander dividiert. Gerade die Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg ist eine der Grundlagen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Die Durchökonomisierung aller Lebensbereiche verstärkt die Abwertung der ohnehin schon Stigmatisierten weiter. Diese Stimmung wird mit Vorliebe durch Politiker und Medien weiter befördert (“spätrömische Dekadenz”) und dadurch bei den Jobcentern und Arbeitsagenturen entsprechend aufgenommen.

Sanktionen sind nichts als nutzlose Schikanen zur Destabilisierung des Selbstwertgefühles der prekär Beschäftigten und derer, die sich vom möglichen Verlust des Jobs bedroht sehen. Solange nicht genügend gut bezahlte Arbeitsplätze vorhanden sind, bedeutet der Erfolg der einen bei der Jagd nach gut bezahlten Jobs den Misserfolg der anderen.

Hier sind es vor allen Dingen zwei Möglichkeiten aus dem Dilemma herauszukommen: Verkürzung der der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, aber so stufenweise, dass alle Erhöhungen des Tariflohnes über die Inflationsrate in Arbeitszeitverkürzungen umgewandelt werden, so dass die Reallöhne konstant bleiben.

Aufwertung der gemeinnützigen Arbeit. Wer mindestens 1 Jahr arbeitslos ist, kann im Prinzip ohne Befristung eine Bürgerarbeitsstelle in einem Gemeinnützigen Verein erhalten. Der Trägerverein muss dazu nachweisen, dass er diese Arbeitskräfte weiterbildet und gegebenenfalls sozialpädagogisch betreut. Vermittlungshindernisse oder Alter dürfen kein Zugangskriterium sein. Das würde nur dazu führen, diese Jobs zu stigmatisieren. Die so Geförderten müssen dem ersten Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung stehen und sich bewerben. Kriterium für den Zuschlag an Träger ist u.a., wie hoch der Abgang von bisher geförderten auf den ersten Arbeitsmarkt ist.

Umgekehrt sollten Praktika und Weiterbildungsphasen in gemeinnützigen Vereinen stärker als Voraussetzung für Karriere in Unternehmen und Behörden dienen. Der öffentliche Dienst sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen. Es wäre zum Beispiel für alle nützlich, wenn ein Bankberater, der in der Bank Kredite vermittelt, vorher mindestens ein halbes Jahr in der Betreuung von Schuldnern gearbeitet hat. Davon abgesehen, dient die Aufwertung gemeinnütziger Arbeit auch der Lebensqualität: Viele Tätigkeiten, von denen unsere Lebensqualität abhängt, kommen nicht aus Erwerbsarbeit, sondern aus gemeinnütziger ehrenamtlicher Tätigkeit und zur Unterstützung der ehrenamtlichen sind einige geförderte Arbeitskräfte in jedem gemeinnützig arbeitenden Verein sehr wichtig.

Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für diesen nicht marktgängigen Bereich der Arbeit. Nicht ein Job auf dem ersten Arbeitsmarkt um jeden Preis, sondern hohe Lebensqualität und Teilhabe aller an Tätigkeiten zur Schaffung der Voraussetzungen für diese Lebensqualität, sei es auf dem ersten Arbeitsmarkt oder sei es auf geförderten Jobs im gemeinnützigen Sektor.

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