"Es war die intensivste Woche, die ich im Amt erlebt habe", sagt Georg Teichert. Der Gleichstellungsbeauftragte der Uni moderierte in der vergangenen Woche eine Podiumsdiskussion unter der Überschrift: Guten Tag, Herr Professorin? Anlass war die anhaltende Kritik an der neuen Grundordnung der Universität, die im sogenannten generischen Femininum verfasst ist. Wenn sonst von Professoren und Studenten die Rede war, spricht die neue Ordnung von Professorinnen und Studentinnen.

“Keine hat damit gerechnet, dass diese Entscheidung des erweiterten Senats der Uni eine solche Woge auslöst”, sagt Uni-Rektorin Beate Schücking. Es sei einzig eine Bestrebung gewesen, das Dokument geschmeidiger zu formulieren. “Denn immer Professor/in zu schreiben, das schien zu sperrig. Und dann schlug ein Professor vor, weil schließlich mehr als die Hälfte unserer Studierenden weiblich sind, immer die weibliche Form zu wählen.” Der Antrag bekam sofort eine Mehrheit und damit schien das Thema vom Tisch.

Bis ein, recht sachlicher, Artikel in der bundesweiten Universitätszeitschrift duz erschien, der schließlich von einem renommierten Online-Magazin übernommen wurde. Eine neue, griffigere Überschrift wurde verfasst und “Herr Professorin” wurde zum Stein des Anstoßes. Zum einen produzierte die Überschrift das Missverständnis, auch die männlichen Professoren würden nun als Professorin tituliert, und über die sozialen Netzwerke wurde dieser Irrtum verbreitet. So dass die Uni in einer Pressemitteilung klarstellen musste, dass dem nicht so sei. Es geht lediglich um die Formulierung der Grundordnung. Auf die Alltagssprache hat dies keinen Einfluss.
Zum anderen brachte die Entscheidung für die weibliche Form viele Menschen auf. Die Rektorin selbst hat die öffentliche Entrüstung am stärksten getroffen. “Ich habe etliche hundert E-Mails dazu erhalten”, so Schücking. Die meisten drückten eine unglaubliche emotionale Betroffenheit aus. Der generelle Tenor laute: Die spinnen ja. Und viele scheinen auch der Rektorin persönlich die Schuld anzulasten. In einem sozialen Netzwerk gebe es sogar eine Seite, auf der ihr Rücktritt gefordert werde. “Dabei war es nicht meine Idee. Ich moderiere den Senat nur und vertrete die Ergebnisse nach außen”, erklärt Schücking. Sie ist erstaunt und verwundert ob der Reaktionen.

Friederike Maier, Vizepräsidentin der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, kennt die Kämpfe um die Formulierungen solcher Dokumente nur zu gut. “Ich habe immer gesagt, dass ich mich nicht mitgemeint fühle, wenn dort Professor steht. Und dann erntete ich immer mildes Lächeln, so nach dem Motto ich sei ein hysterisches Weib. Nun bin ich fasziniert zu sehen, wie viele hysterische Männer es doch gibt.” Zudem sei die Überschrift Herr Professorin falsch. “Frau Professor ist die Ehefrau eines Professors, zumindest in Süddeutschland. Also ist Herr Professorin der Mann einer Professorin. So könnte sich mein Mann nennen. Dem habe ich das erzählt und er findet das gut”, so Maier.

Die Journalistin Heide Oestreich beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Gleichstellung der Geschlechter. “Eine Erklärung , warum sich die Männer so angegriffen fühlen, bietet die Soziologie. Sie spricht von der moralischen Panik und meint, wenn die symbolische Ordnung geändert wird, alle ausflippen. Das sehen wir zum Beispiel auch in Frankreich, wenn es um das Recht von Homosexuellen geht, Kinder zu adoptieren.” Oestreich erinnert daran, dass Deutsch eine Männersprache ist. “Eine weibliche Bezeichnung ist für einen Mann genauso untragbar wie ein weibliches Kleidungsstück. Denn es bedeutet eine Abwertung.” Oestreich arbeitet für die Zeitung taz, welche früh das sogenannte Binnen-I einführte, bei dem, wenn beide Geschlechter gemeint sind, zum Beispiel StudentIn steht. “Es wird als eine Provokation aufgefasst, wenn Frauen sich herausnehmen, die Sprache zu verändern. Sprache ist immer politisch.” Oestreich findet, die Neufassung der Grundordnung sei ein politisches Signal, das sich eine Institution wie die Universität schon mal raus nehmen könne.Der Gegenmeinung ist Caroline Veuskens, Studentin aus dem Fachschaftsrat Jura. “Diese Fassung leuchtet mir nicht ein. Wenn man nur die männliche Form verwendet, stellt man die Frauen zurück. Verwendet man nur die weibliche Form, stellt man die Männer zurück. Also geht beides nicht.” Veuskens hätte eine Variante wie das Binnen-I oder den sogenannten Gendergap, bei dem die weibliche Form nach einem Unterstrich angehängt wird, zum Beispiel Professor_in, bevorzugt.

Mit einer solchen Lösung ist jedoch Beat Siebenhaar nicht zufrieden. Der Germanistikprofessor beschäftigt sich mit Varietätenlinguistik und meint, es sei ganz natürlich, dass es öffentlichen Niederschlag gibt, wenn man anders formuliert als es alt her gebracht ist. “Weder Binnen-I noch Gendergap sind noch nicht optimal, denn es wird immer der ein oder andere sprachliche Bezug nicht passen.”

Dass aber generell die Sprache, was die Formulierung von Dokumenten wie der Grundordnung anbelangt, überdacht werden müsse, darin stimmt die Podiumsbesetzung überein. Die Wissenschaft habe sich verändert, sei weiblicher geworden, und die müsse sich im Sprachgebrauch an den Unis niederschlagen. “Es gibt sie noch, die gläserne Decke”, erinnert Rektorin Schücking. Als sie in den 1980er Jahren ihre erste Professur in München antrat, habe sie sich ausgerechnet, dass die Gleichstellung an den Universitäten noch eine gefühlte Unendlichkeit dauern würde, da es ständige Diskussionen auszuhalten gebe. “Generell ist es noch immer so, dass, je weiter sie an der Hochschule die Karriereleiter hinauf gehen, desto weniger Frauen finden sie vor.”

Friederike Maier, von der Wirtschaftshochschule, meint, es sei eine zwanzig Jahre dauernde Sisyphusarbeit und ein stetiger Kampf in jeder Berufung. “Der Knackpunkt ist, Frauen in die Berufungskommissionen zu bekommen. Dann steigt nachweislich auch der Anteil von Frauen in den Professuren insgesamt.

An diesem Punkt scheint es nur logisch, dass das Publikum die Frage nach der Frauenquote stellt. Caroline Veuskens vom Fachschaftsrat Jura will sie nicht. “Dann heißt es doch, sie hat den Job nur wegen der Quote bekommen.” Friederike Maier wendet ein: “Keine Frau kriegt einen Job, wenn sie schlechter ist als die sich bewerbenden Männer. Frauen müssen immer besser sein.”

Dass es bei der Debatte um die Grundordnung aber nicht nur um die Frauen gehen sollte, daran erinnert die Leipziger Studentin Magdalene Protte. Der Studentenrat, welcher sich an der Uni bezeichnenderweise StudentInnenRat nennt, habe schon seit Jahren über neue Sprachvarianten debattiert. “Der Gendergap ist auch nicht der letzte Schluss. Es gibt zum Beispiel die Idee, von Studix zu sprechen.” Nicht nur gebe es Menschen, die sich weder als Mann noch Frau einordnen, sondern auch weitere gesellschaftlich benachteiligte Gruppen, die sichtbar gemacht werden müssten. “Die Grenze ist sicherlich erreicht, wenn Texte unlesbar werden”, so Protte.

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Über den Verlauf der medialen Entrüstung zur neuen Grundordnung kommt die Uni-Rektorin zu dem Schluss, dass sie sich mehr Gelassenheit wünscht, wenn es um die Geschlechterbezeichnung geht. “Deutsch ist eben eine sehr gründliche Sprache.” Sie selbst forscht über Hebammen. Und während in Deutschland die männliche Bezeichnung für diesen Beruf nicht etwa Hebammerich, sondern Entbindungspfleger genannt wird, ist dies in England anders: “Ich traf einen Mann, der ganz selbstverständlich von sich sagte: I am a midwife. Da stand ich wie vom Donner gerührt. Und er trug zudem noch einen Schottenrock.”

Die Podiumsdiskussion kommt zu dem Schluss, dass die mediale Aufmerksamkeit eine Chance ist, Leben in eine notwendige Debatte zu bekommen, auch wenn die weibliche Fassung der Grundordnung vielleicht nicht die ultimative Lösung sei. Genka Lapön, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadtverwaltung, meldete sich kurz zuvor mit diesem Vorschlag zu Wort: “Freuen Sie sich doch, über die bundesweite Werbung für die Uni, zum Nulltarif. Sie haben damit die Geister provoziert und zugleich Geist gezeigt.”

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