Das ehemalige Fechner-Gymnasium in der Löbauer Straße ist nun eine Notunterkunft für Asylbewerber. Betreut werden sie von der Firma European Homecare. Der Sozialdienstleister kümmert sich um Einrichtungen dieser Art in ganz Deutschland. Pressesprecherin Renate Walkenhorst gab L-IZ.de nun ein Interview. Sie und Claudia Berge, die Sozialbetreuerin in der Löbauer Straße, sprechen über die Situation in der ehemaligen Schule und wie die Menschen dort leben.

Dürfen die Asylbewerber den ÖPNV nutzen?

Berge: Natürlich. Sie können einen Leipzig-Pass erhalten und dann die vergünstigten Tickets kaufen, allerdings auf eigene Rechnung. Ich begleite die Familien bei diesem Gang zum Sozialamt.

Wie vertragen sich die Menschen verschiedener Nationen in Ihren Heimen?

Walkenhorst: Bis jetzt super. Toi, toi, toi. Üblicherweise kommen nur dann Probleme auf, wenn Menschen von Nationen zusammen untergebracht sind, die miteinander im Krieg sind. Zum Beispiel während des Tschetschenienkrieges war es keine gute Idee, Russen und Tschetschenen nah beieinander unterzubringen. Derzeit herrscht Rivalität zwischen nordafrikanischen Ländern. Wenn es Konflikte gibt, dann bemerken das unsere Mitarbeiter jedoch in der Regel. Es ist ja nicht so, dass sie nur im Büro sitzen. Sie bewegen sich ständig im Haus und bekommen mit, wenn es zum Beispiel Geschrei auf den Fluren gibt.

Wie viele Mitarbeiter kümmern sich um dieses Haus und welche Aufgaben erfüllen sie?

Berge: Wir sind drei Mitarbeiter plus Hausmeister plus Wachleute. Ich bin zuständig für die soziale Betreuung und die Öffentlichkeitsarbeit. Das umfasst auch die Zusammenarbeit mit den Initiativen vor Ort. Meine Kollegin kümmert sich um die Kinder und Jugendlichen. Und unser Kollege ist für die Verwaltung zuständig. Im Prinzip erledigen jedoch alle alles, weil es anders nicht geht. Unsere Bewohner haben schließlich viele Anliegen, um die sich gekümmert werden will.

Wie funktioniert die Kommunikation? Gibt es Übersetzer?

Berge: Zumeist unterhalten wir uns auf Englisch, denn es gibt eigentlich immer jemanden unter den Bewohnern, der die jeweilige Sprache spricht und Englisch.

Walkenhorst: Zur Not geht ein Ruf an unsere Firmenzentrale. Wir haben bundesweit 300 Mitarbeiter, die verschiedenste Sprachen sprechen, bis hin zu afrikanischen Dialekten. Wenn es nicht anders geht, bemühen wir eben das Telefon.
Wie viele Personen wohnen hier pro Klassenzimmer zusammen?

Walkenhorst: Jede Familie hat ihr eigenes Zimmer zur Verfügung. Einzelpersonen ohne Familie kommen zu viert in einen Raum, wobei wir darauf achten, dass sie derselben Nationalität angehören. Für die Familien, die vier bis fünf Kinder mitbringen, ist das toll. Für die Alleinreisenden ist es natürlich doof, dass sie keine Tür hinter sich zumachen können. Leider gibt es nur zwei Zwei-Bett-Zimmer in dieser Schule, welche wir älteren Paaren vorbehalten. Wir müssen eben erst mal zurecht kommen.

Kennen Sie die Geschichten der Ankommenden?

Berge: Ganz ehrlich, wir sind gerade mal seit zehn Tagen hier und haben alle Hände voll zu tun. Zum Hinsetzen fehlt uns noch die Zeit. Doch ich spreche zumindest bei der Anmeldetour mit jeder Familie.

Sind die Menschen bereit, über ihre Flucht zu sprechen?

Walkenhorst: Die meisten von ihnen ja. Doch, wie gesagt, wir leisten hier Aufbauarbeit. Zwei Tage vor Ankunft der ersten Bewohner hatten wir den Schlüssel bekommen. Und zu Einzelgesprächen muss man sich zurückziehen können.

Wie organisieren Sie die Ausgabe von Spenden?

Walkenhorst: Es gibt eine Kleiderkammer, zu welcher jede Familie kommen kann. Allerdings nur in Begleitung eines Betreuers. Es gibt – wie überall wohlgemerkt – auch unter diesen Menschen jene, die vom Stamme Nimm sind. Später landen die Dinge dann vielleicht im Müll und jeder kann wohl nachvollziehen, wie sich die Spender dann fühlen würden. Deshalb gehen wir auf Nummer sicher, dass jeder bekommt, was er braucht, und dass zum Beispiel Kleidung auch gut passt.

Die Bewohner dürfen hier nicht selbst kochen, aus Brandschutzgründen.

Walkenhorst: Nun, in Chemnitz und Schneeberg ist das auch nicht möglich, deshalb sind sie es gewohnt, versorgt zu werden. Es wird auf einen abwechslungsreichen Speiseplan geachtet, dass sich also Kartoffeln, Reis und Nudeln abwechseln. Auf Schweinefleisch wird verzichtet, um auf Nummer sicher zu gehen. Wir haben Leute aus Asien, aus Afrika und Europa in unseren Heimen.

Berge: Manche finden es toll, bewirtet zu werden, doch wieder andere mögen es gar nicht. So verschiedene Kulturkreise mit Essen zu versorgen, ist sehr schwierig und das größte Manko ist, dass sie sich nicht einmal einen Wasserkocher ins Zimmer stellen dürfen. Es gehört zu diesen Kulturen, ihren Gästen etwas anzubieten und sie können nicht mal einen Tee aufsetzen. Oder einen Kühlschrank haben, das geht auch nicht.

Der dritte Teil des Gesprächs bald an dieser Stelle.

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