Jamal bedeutet "der Schöne" und kommt aus dem afrikanischen Suaheli. Auf diesen Namen wurde am Freitag, 21. Januar 2014, ein junger Giraffenbulle im Zoo Leipzig getauft. Am 18. Januar dieses Jahres ist er zur Welt gekommen und hat sich von Beginn an gut entwickelt. "Bei ihm merkt man, dass er ein echter Kämpfer ist", sagt Jens Hirmer, der Chef-Giraffenpfleger.

Bis zum Alter von etwa anderthalb Jahren wird er nun im Leipziger Zoo bleiben. Danach wird er fort müssen, fort von der Herde seines Vaters Max. Wo die Reise einmal hingehen wird, ist unklar. “Darüber wird dann das Zuchtbuch entscheiden”, erklärt Hirmer. Die Giraffenzucht in Leipzig gehört zum Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP), demselben wie der Giraffenbulle Marius, dessen Schlachtung im Kopenhagener Zoo vor gut zwei Wochen für eine Welle der Empörung unter Tierschützern sorgte. Für den gesunden Marius war kein geeigneter Zoo gefunden worden, weil zu viele Giraffen in europäischer Züchtung mit ihm verwandt waren. Dass sich in Leipzig ein ähnliches Szenario abspielen könnte, ist wohl ausgeschlossen: Der Kopenhagener Zoo hatte den Kadaver öffentlich obduziert und anschließend an Raubtiere verfüttert. Und war damit weltweit in die Kritik geraten. Einen solchen Shitstorm, wie ihn die Kopenhagener auf allen Medienkanälen erlebt haben, hat es selten gegeben. Wohl kaum ein Zoo auf der Welt wird diese Art von Publicity wollen. Dass die Leipziger Giraffe Jamal einmal enden wird wie Marius dürfte undenkbar sein. Dass sie jedoch hinter den Kulissen ein ähnliches Schicksal erleiden könnte, ist nicht komplett auszuschließen.

“Grundsätzlich kann man nicht ausschließen, dass ein Tier aus der Not heraus geschlachtet werden muss”, sagt Jens Hirmer. Auch in Leipzig sei es schon vorgekommen, jedoch nur bei kranken Tieren. “Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um Bullen wie Jamal später weiterzuvermitteln”, versichert Hirmer. “Bis dahin bleibt aber noch viel Zeit, in der viel geschehen kann.” Die Giraffenzucht ist ein sensibles Unterfangen. “Das fängt an mit der Geburt, wobei die Tiere nicht gestört werden dürfen, sonst kommt der Geburtsprozess zum Erliegen”, erklärt Giraffenexperte Hirmer. “Dann müssen sich die Jungtiere möglichst sofort regen, sonst kümmert sich die Mutter nicht um das Kleine.” Mit Jamals Muttertier, Gusti, hatten die Pfleger zuvor zwei Mal eine solche Situation erlebt. “Da ist die Natur grausam aber es ist wichtig, damit sich nur die starken Jungtiere, besonders unter den Bullen, durchsetzen”, so Hirmer.
Jamal hat seiner Mutter und seinen Pflegern viel Freude bereitet. “Er stand sofort auf und zeigt großen Lebenswillen. Als er in die Herde kam, hat er sich gut durchgesetzt”, erzählt Hirmer. Das Jungtier war bei seiner Geburt bereits 180 Zentimeter groß und wog gut 72 Kilo. Es steckt viel Glück dahinter: “Jede zweite Giraffengeburt geht schief”, so der Chef-Pfleger.

Zum Problem für einen Zoo entwickelt sich ein Giraffenbulle, wenn er geschlechtsreif wird. Denn pro Herde gibt es in der Regel nur einen Bullen. In Leipzig ist das Jamals Vatertier Max. Mit ihm würde sich Jamal anlegen, wenn er bliebe. Der Zoo experimentiert jedoch mit Kastration, hat bereits zwei kastrierte Geschwistertiere in der Herde behalten. “Da ist zum Beispiel unser Mosecki, der nun drei Jahre alt ist und sich gut einfügt”, sagt Hirmer. Die Kastration kann eine Lösung sein. Der Zoo Leipzig beschreitet damit neue Wege in der Giraffenzucht – es ist ein Weg, der in Kopenhagen ausgeschlossen wurde. “Ob das aber dauerhaft ist, müssen wir abwarten”, so Hirmer.

Normalerweise kommen auch kastrierte Giraffenbullen an den Punkt, da sie sich mit ihren männlichen Artgenossen so stark bekämpfen, dass sie getrennt werden müssen. So hat es die Natur eingerichtet. “Der Sinn ist, dass die Herden der weiblichen Tiere gut beschützt werden. Denn das erledigen die Männchen und deswegen fallen sie auch als erste Raubtieren wie den Löwen zum Opfer”, erklärt Hirmer. Die freie Wildbahn ist da grausamer als die Menschenhaltung. Noch zeigt Mosecki jedoch keine Aggressionen. Und es steht noch nicht fest, wie es mit Jamal weitergeht. “Wir freuen uns erst mal, dass er so ein schöner Kämpfer ist”, sagt Hirmer. Da Jamal zu einer anderen Unterart gehört als das Kopenhagener Tier Marius, stünden seine Chancen, später in einen anderen Zoo zu kommen, auch weitaus besser.

Update 26. Februar 2014: Der Text enthielt ursprünglich ein Zitat von Rasem Baban, dem technischen Leiter des Zoos Leipzig. Am 26. Februar 2014 meldete sich die Pressestelle mit dem Hinweis, dass Baban sich nicht erinnern könne, die zitierten Worte gesagt zu haben. Die Autorin sagt, dass sie mit ihm persönlich auf dem Pressetermin zur Giraffentaufe, fünf Tage zuvor, gesprochen und sich mit Name und Funktion vorgestellt hat. Man einigte sich auf die Löschung des Zitats.

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