In diesem Jahr erinnern sich Menschen in ganz Europa an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren und seine Folgen. Um der Opfer des nationalsozialistischen Terrors zu gedenken, werden am Dienstag, 9. September, neue Stolpersteine in Leipzig verlegt. Über Rosa und Samuel Lampel hat die L-IZ schon berichtet. Doch diesmal werden auch namhafte Leipziger wie Alfred Kästner und Richard Lipinski gewürdigt.

Vor den einstigen Wohnhäusern machen die Stolpersteine auf das Schicksal jüdischer Familien und politisch Andersdenkender aufmerksam. Für die Angehörigen ist dies häufig der einzige Ort, sich an ihre ermordeten Verwandten zu erinnern, denn Gräber existieren oft nicht.

Am 9. September um 14:30 Uhr werden in der Lutherstraße 18 die Stolpersteine für die Familie Grünbaum verlegt. Über das Schicksal der Grünbaums und ihrer Kinder ist bisher nur wenig bekannt. Nach ihrer Zwangsumsiedlung nach Polen verliert sich ihre Spur im Ghetto Falencia. Die Initiative konnte nach intensiven Recherchen jedoch den Sohn, der als einziger überlebt hat, und dessen Angehörige in Israel ausfindig machen. Um sich erstmals mit ihrer Familiengeschichte auseinanderzusetzen und ihrer verstorbenen Verwandten zu gedenken, werden seine Töchter und Enkel an der Veranstaltung teilnehmen. Zu den Verlegungen um 15:30 Uhr und 16:30 Uhr reisen auch die Angehörigen der miteinander verwandten Familien Flaschmann und Weiss aus Israel an. Fast alle Familienmitglieder kamen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern ums Leben.

Mit der Verlegung eines Stolpersteins in der Alfred-Kästner-Straße 20 wird um 13:00 Uhr im Beisein seiner Söhne an den Kommunisten Alfred Kästner gedacht. Kästner war Mitbegründer der KPD-Ortsgruppe in Leipzig. Wegen illegaler Treffen und des Druckes von Flugblättern wurde er zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Sechs Tage vor der Befreiung Leipzigs durch die US-Armee erschoss die Gestapo Alfred Kästner auf dem Truppenübungsplatz Lindenthal.

Die Schülerinnen und Schüler des Max-Klinger-Gymnasiums recherchierten weitere Schicksale zweier jüdischer Familien. Sie haben dafür gesorgt, dass für deren Mitglieder insgesamt 13 Stolpersteine verlegt werden können. Die Familien Rosenfeld und Szyjas wurden im Jahr 1938 nach Polen abgeschoben und in nationalsozialistischen Vernichtungslagern ermordet.

Weitere Stolpersteine für ehemalige Leipziger, die Opfer der NS-Diktatur geworden sind, werden um 15:00 Uhr in der Richterstraße / Ecke Karl-Rothe-Straße für Lucy Steindorff und um 16:00 Uhr in der Tschaikowskistraße 23 für Rosa und Samuel Lampel, Kantor an der Großen Gemeindesynagoge in der Gottschedstraße, verlegt. Zum Gedenken an Lampel wird der Synagogalchor singen.12:00 Uhr, Karl-Heine-Straße 47
Die jüdische Familie Rosenfeld wurde am 28. Oktober 1938 nach Polen abgeschoben. Nach der deutschen Besetzung wurde sie 1942 im Vernichtungslager Belzec ermordet. Das Klinger-Gymnasium macht mit 6 Stolpersteinen auf diese Schicksale aufmerksam.

12:30 Uhr, Schnorrstraße 20
Schüler des Klinger-Gymnasiums recherchierten das Schicksal der jüdischen Familie Szyjas. Auch sie wurde 1938 nach Polen abgeschoben, später deportiert und in Auschwitz ermordet. Sieben Stolpersteine werden an das Schicksal erinnern.

13:00 Uhr, Alfred Kästner Straße 20
Sechs Tage vor der Befreiung Leipzigs durch die US-Armee wurde der Kommunist Alfred Kästner mit 52 weiteren Häftlingen am 12.4.1945 auf dem Truppenübungsplatz Lindenthal von der Gestapo erschossen. Sein Enkel hat die Verlegung initiiert.

14:00 Uhr, Goldschmidtstraße 12 (Mendelssohn-Haus)
Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Richard Lipinski wurde nach der Machtübernahme der Nazis mehrmals in sogenannte “Schutzhaft” genommen und misshandelt. Er starb 1936 an diesen Haftfolgen.

14:30 Uhr, Lutherstraße 18
Die jüdische Familie Grünbaum wurde 1938 nach Polen abgeschoben Nach der deutschen Besetzung deportierte man sie in die Ghettos von Falenicy und Bialystok. Hier kamen alle vier ums Leben.

15:00 Uhr, Richterstraße / Ecke Karl-Rothe-Straße (ehemals Richterstraße 2)
Hier wohnte Lucie Steindorff. Sie war die Schwester des jüdischen Ägyptologen Georg Steindorff. Ihr gelang die Flucht nicht. Sie wurde nach Ravensbrück deportiert und 1942 in Bernburg ermordet.

15:30 Uhr, Ernst-Pinkert-Straße 9
Die jüdische Familie Flaschmann lebte bis 1939 hier, bevor man sie in verschiedenen Lagern ermordete. Heute werden im Beisein der Enkelgeneration aus Israel drei Stolpersteine zur Erinnerung gelegt.

16:00 Uhr, Tschaikowskistraße 23
Rosa und Samuel Lampel, Kantor an der liberalen Großen Gemeindesynagoge in der Gottschedstraße, wurden am 13. Juli 1942 nach Osten deportiert. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

16:30 Uhr, Ranstädter Steinweg 11-13 (ehemals Ranstädter Steinweg 29)
Die jüdische Familie Weiss wurde 1938 nach Polen abgeschoben und später in Auschwitz ermordet. Im Beisein der Enkel aus Israel werden vier Stolpersteine gelegt.

Am Abend, um 18:00 Uhr, hält Gunter Demnig im Volkshaus (Karl-Liebknecht-Straße 30) einen öffentlichen Vortrag über das Erinnerungsprojekt

www.stolpersteine-leipzig.de

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