Am Tag der Befreiung haben etwa 200 Antifaschisten eine Kundgebung in der Kamenzer Straße abgehalten. Das reaktivierte Ladenschlussbündnis hatte dazu aufgerufen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Objekt als Außenlager des KZ Buchenwald genutzt. Mehr als 70 Jahre später treiben sich dort immer noch rechte Akteure herum.

Dass es in Leipzig zahlreiche Initiativen gibt, die sich für gesellschaftlichen Fortschritt engagieren, ist bekannt. In Vergessenheit gerät hingegen gerne, dass es Akteure gibt, die es sich seit Jahren oder gar Jahrzehnten in dieser Stadt bequem gemacht haben und das genaue Gegenteil anstreben. Neben den durchschnittlichen Rassisten sind dies beispielsweise Anwälte, Securityfirmen, Burschenschaften, Hooligans, Kampfsportler oder mehreres davon gleichzeitig.

Das sogenannte Ladenschlussbündnis ist bereits von 2007 bis 2012 gegen solche Strukturen vorgegangen. Damals standen unter anderem Geschäfte im Fokus, die typische Neonazikleidung verkauften. Nun ist das Bündnis zurück und hat sich am Dienstagabend zum Auftakt der neuen Kampagne ein Objekt in der Kamenzer Straße 10-12 vorgenommen.

Dort befand sich während des Zweiten Weltkrieges ein Außenlager des KZ Buchenwald. Auf einer kleinen Tafel vor dem Gebäude ist zu lesen, dass hier mehr als 5.000 Frauen zur Zwangsarbeit untergebracht waren. Wer nicht mehr arbeiten konnte, wurde nach Auschwitz deportiert. Die Tafel war in den vergangenen Jahren mehrmals von Unbekannten beschädigt beziehungsweise entfernt und zeitweise sogar durch eine NS-relativierende Tafel ersetzt worden.

Im Januar dieses Jahres geriet die Kamenzer Straße wieder in die Schlagzeilen, nachdem die Polizei dort ein Neonazikonzert verhindert hatte. Solche Veranstaltungen fanden schon vor etwa zehn Jahren dort statt. Heute vermuten die Aktivisten vom Ladenschlussbündnis unter anderem das Imperium Fight Team dort. Diesem gehören rechte Kampfsportler an. Auf seiner Facebookseite gibt das Team keinen genauen Ort an, sondern schreibt lediglich, dass man „mitten in Leipzig“ trainiere.

Männer, Kapitalismus und Homofeindlichkeit

Die Rednerinnen und Redner erklärten am Dienstagabend, dass es skandalös sei, dass die Kamenzer Straße – auch in Anbetracht der Geschichte – nun ein Treffpunkt für Neonazis sei und dass man diesen Zustand nicht dulden wolle. Die zahlreichen Reden im Laufe der etwa 90-minütigen Kundgebung thematisierten Männerbündnisse, deren Rolle im Kapitalismus und den Mord an dem Homosexuellen Bernd Grigol am 8. Mai 1996.

„Die Kundgebung war ein voller Erfolg“, erklärte Anschließend Bündnissprecherin Theresa Grün. „Eine hohe Anzahl an Antifaschist_innen hat den Neonazis und Männer-Banden in der Kamenzer Straße heute klargemacht, dass ihre Aktivitäten ab sofort nicht mehr hingenommen werden.“ Etwa 200 Personen waren dem Aufruf des Ladenschlussbündnisses gefolgt.

Auf dem Rückweg wurden die Organisatoren von der Polizei aufgehalten. Dazu Theresa Grün: „Es scheint unkonventionell, dass Beweissicherungseinheiten neuerdings auch Verkehrskontrollen durchführen. Es handelt sich offensichtlich um einen fingierten Einsatz gegen den Lautsprecherwagen einer angemeldeten Versammlung am Tag des Sieges über den deutschen Faschismus.“

Das Ladenschlussbündnis kündigte zum Ende seiner Kundgebung an, die Aktivitäten rund um die Kamenzer Straße im Auge zu behalten, die gegenwärtige Nutzung gegenüber der Stadt zu thematisieren und die Kampagne demnächst mit weiteren Aktionen fortzusetzen. Welche Männergruppen dann im Fokus stehen werden, blieb offen.

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