Flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten für die Arbeitszeit wünschen sich viele Akteure auf dem Arbeitsmarkt. Unternehmen wünschen sich bedarfsgerechtere Einsatzmöglichkeiten für ihre Arbeitskräfte und auch viele Arbeitnehmer würden es begrüßen, ihre Arbeitszeit flexibler einteilen zu können, denn das könnte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vereinfachen. Die Ampelkoalition möchte gesetzlichen Spielraum für flexiblere Arbeitsmodelle schaffen. Der 8-Stunden-Grundsatz soll zwar erhalten bleiben, allerdings mit begrenzten Abweichungsmöglichkeiten.

Das wird aber nicht überall begrüßt. Kritiker fürchten eine Aufweichung des Arbeitnehmerschutzes. Tatsächlich zeigen Studien, dass Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice oft zu Mehrarbeit führen. Ist eine faire und flexible Arbeitszeitgestaltung dennoch möglich?

Zeiterfassung kann Arbeitnehmer schützen

Einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zufolge machen Arbeitnehmer im Homeoffice ohne Aufzeichnung der Arbeitszeit oft sogar deutlich mehr Überstunden. Die Arbeit ruhen zu lassen und abzuschalten, fällt hier offenbar schwerer.

Stress und Burnout können die Folgen sein. Generell gegen eine Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen spricht sich die Studie dennoch nicht aus. Die Forscherinnen Dr. Yvonne Lott und Dr. Elke Ahlers nennen allerdings starke gesetzliche Regelungen und vor allem eine verbindliche Arbeitszeiterfassung als Voraussetzungen für faires und dennoch flexibles Arbeiten.

Letztere wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) eigentlich bereits im Mai 2019 eingefordert. Technisch machbar ist Zeiterfassung durchaus auch bei mobilem Arbeiten oder im Homeoffice.

Möglich machen das moderne Softwarelösungen, mit denen beispielsweise die Zeiterfassung per App übers Smartphone durchgeführt werden kann. Funktionen und Möglichkeiten entsprechen dabei der herkömmlichen Stempeluhr im Betrieb. Allerdings ist die Nutzung eben nicht nur stationär möglich, sondern jederzeit und überall.

Mitarbeiter können also die Arbeitszeit mit dem eigenen Smartphone oder Laptop auch daheim oder unterwegs erfassen. Entsprechende Systeme ermöglichen kontrollierte und geschützte Arbeits- und Ruhezeiten, ohne die Flexibilität einzuschränken. Vielen Beschäftigten würde das sicherlich entgegenkommen.

Die Voraussetzungen müssen stimmen

Zwar wünschen sich Wirtschaftsvertreter und viele Arbeitnehmer mehr Flexibilität, aber nicht unbedingt mit derselben Zielsetzung. Während Arbeitnehmer sich bei Arbeitszeiten mehr Selbstbestimmungsmöglichkeiten wünschen, um eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen, möchten Unternehmen Arbeitskräfte bedarfsgerechter einsetzen können. Die unterschiedlichen Bedürfnisse können dabei durchaus im Widerspruch zueinander stehen, wenn Flexibilität sich in unplanbaren Arbeitszeiten und Mehrarbeit auswirkt.

Auch das ist eine Herausforderung, wenn es um eine Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen geht. Das Sondierungspapier der Ampelkoalition sieht diesbezüglich Einigungen über Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen vor.
Doch auch diese könnten nur greifen, wenn eine betriebliche Erfassung der Arbeitszeit flächendeckend umgesetzt wird. Das betont auch die Studie des WSI.

Sie weist darauf hin, dass insbesondere Beschäftigte ohne Zeiterfassungsmöglichkeit im Homeoffice viele Überstunden leisten. Bei Vollzeitbeschäftigung kommen 3,5 Überstunden im Wochendurchschnitt zusammen.

Wird die Arbeitszeit vom Unternehmen dokumentiert, kommen Arbeitnehmer im Schnitt auf nur zwei Überstunden. Arbeitnehmer mit betrieblicher Arbeitszeitdokumentation gelingt es den Daten zufolge außerdem besser, sich außerhalb der Arbeitszeit zu regenerieren. Vornehmlich in Betrieben ohne Tarifbindung oder Betriebsrat nehmen Beschäftigte eine entsprechende Mehrbelastung wahr.

Flexibles Arbeiten und Arbeitnehmerschutz müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen. Aber die Voraussetzungen müssen stimmen, damit Flexibilität nicht auf Kosten der Beschäftigten umgesetzt wird, sondern auch deren Bedürfnissen zugutekommt. Dazu braucht es die passenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, aber auch die Unternehmenskultur muss stimmen. Höchstarbeitszeit und Ruhezeiten müssen eingehalten werden und dazu ist vor allem eine zeitgemäße Arbeitszeiterfassung nötig.

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