Leipzig hat ein Suchtproblem. Nicht nur Leipzig hat eins. Drogen sind die Schattenseite einer Gesellschaft, die den grenzenlosen Konsum, die grenzenlose Freiheit und das grenzenlose Vergnügen zu ihren Leitbildern gemacht hat. Der Konsum harter und weicher Drogen hält alle westlichen Gesellschaften fest im Griff. Und immer mal wieder auch die Medien in Atem. Am Dienstag, 13. August, veröffentlichte die Stadt ihren "Suchtbericht 2013".

Er enthält den Zahlenstand von 2012 und natürlich die diversen Präventions- und Beratungsangebote der Stadt, ergänzt um Zahlen und Handlungskonzept der Polizeidirektion Leipzig. So stellten denn Sozialbürgermeister Prof. Thomas Fabian und Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz – das war dann schon ein Novum – den neuen Suchtbericht gemeinsam vor. Demonstrierten Einigkeit. Erwähnten aber gleich mehrmals die Diskussion der letzten anderthalb Jahre – die zuweilen auch etwas ruppig und unfair verlief.

Seit Bernd Merbitz im Herbst das Amt des Polizeipräsidenten übernahm, hat sich die Stimmung verbessert, man kooperiert wieder und sieht nicht mehr im Anderen den Störenfried. Bernd Merbitz betonte sogar mehrmals, dass er die Präventionsarbeit der Stadt Leipzig zu schätzen gelernt hat. Auch weil er aus der eigenen Polizeiarbeit weiß, dass die Bekämpfung der Drogenkriminalität keine Chance hat, wenn nicht präventiv gearbeitet wird. Dazu hat er – “Mindestens bis 2015 zumindest”, sagt Merbitz – 40 Polizistinnen und Polizisten, die in Leipzig reine Präventionarbeit leisten, mit den jungen Leuten sprechen, mit den Pädagogen, mit Eltern, und die vor allem versuchen, das Bewusstsein für die Gefahren des Drogenkonsums zu wecken.

Denn ein Hauptproblem unserer Gesellschaft, so Merbitz, ist der oft fahrlässige Umgang mit dem Thema in der Öffentlichkeit. Beginnend bei diversen Prominenten, die nicht einmal ein Unrechtsbewusstsein erkennen lassen, wenn sie über den Genuss von illegalen Drogen in ihrer “wilden” Jugend erzählen. Bis hin zur Werbung, die selbst im öffentlichen Raum für Alkoholgenuss wirbt, wie Thomas Fabian anmerkt.
Denn Einstiegsdrogen sind die eher weichen Drogen – und allen voran die legale Droge Alkohol, die in Leipzig schon immer die Hauptproblemdroge war – und es auch 2012 war. Messbar an den Besucherstatistiken der sieben Leipziger Suchtberatungsstellen. Hier kommen die Klienten freiwillig hin. Deswegen ist das immer nur die Spitze des Eisberges. Es sind oft genug die engsten Familienangehörigen, denen das Suchtverhalten des Betroffenen über den Kopf wächst und die sich hilfesuchend an die Beratungsstellen wenden. Denn auch das ist ein Phänomen jeder Sucht: Der Betroffene ist sich des Problems meist gar nicht bewusst, merkt auch nicht, wie seine Umwelt darunter leidet, und redet sich die Falle, in der er sitzt, schön. Das gilt für Alkoholsüchtige genauso wie etwa für Cannabissüchtige.

“Das haben wir zwei Jahren deutlich gemerkt, als wir in Leipzig die Sache mit dem bleiversetzten Cannabis hatten”, erinnert sich Sylke Lein, die Suchtbeauftragte der Stadt. “Binnen kurzer Zeit hatten wir über 600 Leute, die bei uns im Gesundheitsamt die angebotene Bleiuntersuchung gemacht haben.” Der Suchtbericht selbst weist für 2012 nur 272 Klienten aus, die aufgrund einer Cannabis-Diagnose vorsprachen.

“Was uns zumindest zeigt, wie weit verbreitet der Cannabisgebrauch in Leipzig tatsächlich ist”, so Lein. Viele Konsumenten scheinen die Sache nicht als Problem zu sehen. Andere Klienten mit Hauptdiagnosen wie Opioiden (Heroin) oder Stimulanzien wie “Crystal” sehen es möglicherweise ganz ähnlich, bekommen aber wesentlich schneller Probleme mit der Gesundheit und vor allem auch einem geregelten Leben. Auch wenn die Suchtprobleme nach Auskunft von Bernd Merbitz alle Schichten, Alters- und Gesellschaftsschichten umfasst, wird in der Arbeit der Beratungsstellen deutlich, dass die Betroffenen, die hier vorsprechen, meist nicht mehr in der Lage sind, ein geregeltes Leben zu führen.

2.035 der knapp 3.500 vorsprechenden Klienten waren arbeitslos, darunter 1.874 ALG-II-Empfänger. 753 waren berufstätig, bei 268 liegt keine Aussage vor, was wohl eher darauf hindeutet, dass man sie der ersten Gruppe zuordnen kann. Auch 189 Rentner waren darunter, was dann natürlich damit zu tun hat, dass die Hauptproblemdroge in den Beratungsstellen eben der Alkohol ist, bei dem die Probleme oft erst im höheren Alter unübersehbar werden.

1.994 Personen sprachen 2012 wegen eines Alkoholproblems in einer der Beratungsstellen vor. Das waren immerhin über 100 weniger als noch 2010. Gefallen ist auch die Zahl der Klienten, die wegen eines Heroinproblems vorsprachen – von 942 im Jahr 2010 auf 802. Gestiegen sind hingegen die Vorsprachen von Cannabis-Konsumenten und – was für die Beteilige besonders alarmierend ist – die Zahl der “Crystal”-Konsumenten.

Was hat sich am Leipziger Drogenproblem verändert seit 2010? – Gleich mehr dazu an dieser Stelle.

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