Vorsorge ist die Mutter der Porzellankiste. Sagte Schröder. Am Sonntagmorgen, drei Schlucke nach Sekt (an dem er sich verschluckt hatte, Amalia musste den Rotangelaufenen erst mal wieder auf ruhiges Erdenmaß klopfen). "Ächzchrrrbrachszsch... äch... achjachach ... äch ... Vors ... äch ... Vorsorche ..."

Da ich sicherheitshalber unter Amalias herrlich lärmdämpfende Unaussprechliche geflüchtet war, war ich einigermaßen in Sicherheit. Amalia hatte nur “Huch!” gesagt. Und ihren Schröder wieder auf Mannsmaß geklopft, während es unten auf der Straße losböllerte, dass die Wände wackelten und die Alarmsirenen der Autos losgingen.

Ich bin ja froh, dass Schröder seit drei Jahren kein Böllerer mehr ist. Damals hatte er es mal mit rumänischen Chinaböllern probiert. Und die schöne Weihnachtshose war dann in einem fröhlichen Puff! einfach hinüber. Seitdem belässt er es bei Sprudelwasser (“Ächzschrpzzbaffächz … ähh …”) und ein paar klugen Worten zum neubegonnenen Menschenjahr.

“Ist ja gut, Schröderchen. Wir verstehen ja, was du sagen willst”, sagt Amalia. Das Klopfen hat geholfen. Schröder ist zwar noch puterrot, atmet aber wieder richtig.

“Ächchzschch?”

“Ja. Wirklich, Dickerchen.” Küsschen, Knuddeln. Zwei rundliche Menschlein schauen glücklich in einen Himmel voller Feuer. Nur einer hat noch ein paar Tränchen in den Augen. Und sein Sektglas gegen ein Bierglas eingetauscht.

“Ach, Malchen”, murmelt er.

“Miau”, sag ich.

“Ächzsch”, sagt Schröder.

“Lass ihn doch”, sagt Amalia.

“Ich hab nichts gesagt.”

Als der Nachbar mit seinem großen Plastebeutel vom Super-Feuerwerks-Sonder-Verkauf auftaucht, verlassen beide erstaunlich schnell das Schlachtfeld. Und verriegeln alle Fenster. Danach verwandelt sich die Straße in einen Vulkan. Schön sieht es aus. Beim Friseur reißt es das Schild von der Wand. Und gegenüber bei den Leuten mit dem Zierbalkon entbrennt die Weihnachtsdekoration.

Auch der Krankenwagen, der den etwas angekohlten Nachbarn wenig später abholt, bekommt noch ein paar Treffer ab. Das war dann wohl die koreanische Super-Light-Batterie für 9,99. Die Krankenpfleger springen mit ihrem Patienten, wie man beobachten kann, nicht gerade pfleglich um. Seine Frau läuft aufgeregt mit der fast leeren Tüte hinterher.

“Sie hätte ein Notfallpäckchen packen sollen”, stellt Amalia fest.

“Vorsorge ist die Mutter der Porzellankiste.”

“Du sagst es.”Sie haben mir ein Gläschen mit Eierlikör aufs Fensterbrett gestellt. Und Pieps ein Löffelchen mit Kirschlikör. So bleiben wir lustig, während draußen die Ersparnisse des Viertels in die Luft fliegen – blau und gelb und weiß und Ohhhh! Und irgendwann kommen auch die schön beleuchteten Autos von der Polizei durch, die sich in Connewitz ein bisschen Gesellschaft für die Nachtwache eingesammelt hat.

Ich merk schon, wie Schröder heimlich zu mir herunterblinzelt. Aber diesmal war ich ja nicht dabei. Mein Kumpel Giacomo hat gesagt, dass er ein bisschen feiern will mit den Jungs. Aber er war sich noch nicht sicher. Die Party mit den Mädels hat ihn auch gereizt, hat er gesagt. Wo er war, wird man dann wohl im Frühjahr erfahren, wenn überall an den sprießenden Bäumen wieder Plakate hängen mit schnuckeligen kleinen Miezen drauf mit schwarzer Augenklappe: “Lauter neue Miezen abzugeben!”

Und Amalia wird stehenbleiben und die Stirn krausen: “Kommen mir irgendwie alle bekannt vor die kleinen Kätzchen. Aber woher nur?”

Aber das ist noch Frühlingsmusik. Als ich mein Glas verzweifelt leer lecke, gießt mir doch tatsächlich eine hilfreiche Hand aus leuchtendem Himmel nach.

“Nicht so viel, Schröderchen. Er kotzt sonst wieder auf den Bettvorleger.”

“Ach, Malchen. Das Jahr ist noch lang genug. Einmal ist kein Mal.”

“Hast du auch wieder Recht. Ob wir das Schlafzimmer heute zuschließen?”

“Lust hätt ich schon”, murmelt er. Und wenn ich’s im Flackerschein der Raketen richtig gesehen habe, ist er dabei wieder ein bisschen rot geworden.

“Pieps”, hat Pieps gesagt. Sie hat’s wohl auch gesehen. Also haben wir an dem Tag beide im Bad geschlafen und die Federn haben gequietscht und früh um Fünf gab’s Krach im Treppenhaus. Der Nachbar war wohl – frisch verbunden – aus dem Krankenhaus zurück. Und hatte den Wohnungsschlüssel in der Tasche gehabt. Womit wir jetzt auch alle wissen, warum die blonde Nachbarin so verzweifelt hinter dem Rettungswagen hinterher gelaufen ist.

“Pieps”, sagte Pieps, und schnuffelte sich wieder in ihren Lieblingswaschlappen, den mit den gelben Quietscheentchen drauf.

Und Katerchen ging noch mal in der Küche gucken, ob noch ein Tropfen in der Eierlikörflasche war. War er noch. Das Jahr, sagen wir’s mal so – Hicks! – hat gut angefangen.

So kann’s eigentlich weitergehen, meint:

Der Kater

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