Aschfahl. Ein seltsames Wort. Und es geht mir nicht mehr aus dem Kopf, seit mein Nachbar Gernot von oben drüber im Treppenhaus schon zweimal grußlos an mir vorbeigeschlichen ist. Er ist offenbar Journalist, keiner aus der großen Garde der Welterklärer, aber immerhin Journalist. Offenbar gewissenhaft, denn er sieht traurig aus. Was Lokales macht er, hat er mal erzählt unten bei Selim im Gemüseladen. Er findets gut, nah bei den Menschen zu sein, über die er was erzählen will, hat er gesagt. Trotz schlechter Bezahlung, es wäre irgendwie echter. Gabs von Selim drei Gurken dazu - waren eh abgelaufen durch die viele Sonne im Straßendreck im letzten August.

Doch seitdem sieht er krank aus. Selim meint ja, er hätte AfD, an den Gurken jedenfalls lags wohl nicht. Hab ich lange nicht verstanden, bis das aufkam mit der Lügenpresse und der Frage, ob man nicht die Sicherung der Grenzen auch mal zu Ende denken muss. Also so mit Schießen, wenn jemand doch an der Mauer vorbei will und mit all den anderen Gewissenskonflikten für die Grenzer. Denn es ist ja nicht schön, auf jemanden schießen zu müssen – weiß ich noch aus der DDR, wo mein Klaus noch ein Hundertprozentiger war und über diesen Nöten oft genug den verdienten Beischlaf verweigerte. Und geschrien hat er in der Nacht, aber das gehört hier nicht her.

Aber geschossen werden muss wieder, weil sonst der Wohlstand bedroht ist.

Das habe ich mit meinen Nachbarn besprochen – also das mit dem Wohlstand und der Frage, wie er entsteht. Und warum wir wohl mal wieder die Untergebutterten sind, so in Zeiten von Immobilienblasen, gekappter Rente, Hartz IV-Sanktionen und unausgesetzter Börsenzockerei. Und dass es ja doch immer um Krieg geht. Hat sie jetzt nicht so interessiert, weil sie an das Versprechen glauben, hier noch aufsteigen zu können. Sie sind halt Türken mit nem Dönerladen in der Straße, da steigt es sich anders, niedriger. Ohne eine Ahnung, was eine Rente sein könnte.

Bis Selim fragte: Was will AfD? Da war es kurz ruhig am veganen Grillabend im Winter. Was wird eine Krankheit wohl wollen, dachte ich noch. Und der fahle Lokalreporter warf den Namen Darwin in die Runde. Überleben würde nur der Starke, meist ja männlich, jetzt so AfD halt mit ner Grinsekatze auf dem neuen Cover.

Selim meinte nur noch, dass er zwei aus der AfD ja als Kunden kennt und die seien jetzt eher degenerierte Gestalten mit zuviel Geld (Zitat Selim: „Kommen die ohne Mutter?“) Und auf einmal brach es aus dem Fahlen heraus: „Schlagt sie tot, wo auch immer ihr sie trefft! Sie wollen all das zerstören, was Menschen zueinander bringt. Sie wollen alles vernichten, was Nähe, Liebe und Gemeinsamkeit bedeutet.“

Selim schob erst einmal seine zwei Töchter Richtung Bett und kam mit einer Axt wieder.

„Sagen Du die Adresse, ich helfe.“ Ich habe einige alte Freunde aus der Sicherheitsbranche angerufen. Und so standen wir wenige Minuten später auf der Straße. Gernot mit der Kamera in der Hand. Aber immerhin war er dabei. Unsere “Riot” am Rande der Welt hat jetzt kaum einer mitbekommen. Am Ende saßen wir wieder um den Grill. Aber seit diesem Abend wissen wir, dass wir auch gemeinsam auf die Straße gehen können. Wenn auch ganz anders.

PS.: Allmählich verstehe ich, warum so viele Intellektuelle 1933 schwiegen. Sie müssen fassungslos gewesen sein. Kann man ja heute anders machen. Jetzt, wo ich weiß, dass die Faschisten schon immer das bürgerliche Mäntelchen benutzten, könnte man Darwin so nutzen, wie sie selbst ihn mögen. Schlagt sie im Zweifel lieber tot. Ihr verhindert Massenmorde. Eure Ilse.

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Es gibt 4 Kommentare

Lieber Dirk,

ich glaube ich darf im Namen aller Kollegen sprechen, wenn ich schreibe: Wir distanzieren uns von den Gewaltphantasien unserer Ilse. Sie ist in den vergangenen Jahren der Sekretärsdienste bei der L-IZ aufgrund unseres Irrsinns zunehmend dem Alkohol verfallen (hier handelt es sich eindeutig um Eierlikörsucht). Leider haben wir im Arbeitsvertrag die sogenannte “Äußerungsklausel” nie geändert – sie hat sozusagen das Recht auf ihre persönliche Meinung mit einer Veröffentlichungspflicht unsererseits vor vielen Jahren festschreiben lassen.

Manchmal trösten wir uns damit, dass es im Netz generell so viel Unsinn zu lesen gibt, dass sie dies nie toppen kann. Und manchmal müssen wir eingestehen – doch, sie hat immer noch eine Schippe mehr draufzulegen.

Wir hoffen also auf Ihr Verständnis. Mit einer Ansteckungsgefahr für andere Kollegen der L-IZ ist auch weiterhin nicht zu rechnen. Und unsere Frau Schnickenfittich ist nun auch schon knappe 60. Die Verrentung ist demnach in sichtbarer Entfernung.

Ihr M.F.

Seltsamer Humor der l-iz! Ich hoffe Ihr hab Euch durch die lange Legida Berichterstattung (Danke dafür!) nicht vom Dumpfsinn anstecken lassen.

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