Von Jens-Uwe Jopp: Wenn es um den Bau eines Gotteshauses einer fremden Religion inmitten eines Stadtviertels geht kann es nicht gänzlich falsch sein, darüber kontrovers zu diskutieren. Auffällig ist die Heftigkeit der Auseinandersetzung, die Abwehrkräfte, die sich gegen einen geplanten Bau richten, als würde man in seinen eigenen vier Wänden von Muezzins geweckt werden, welche die Stille eines Stadtviertels stören. Vielleicht sind ja die Nervenkostüme in der beginnenden Vorweihnachtszeit tatsächlich so dünn, dass man gleich "Überfremdung" vermutet und "Feinde" ausmacht, die natürlich immer außerhalb der bestehenden Welt gefunden werden (müssen?)

Seien es die, welche einen als “Nazi” etikettieren, als “Gegner der Toleranz” oder sonst irgendetwas. Niemals wird nach Innen gegangen, gesucht und gefragt: Warum bin ich so vehement gegen ein Symbol bzw. für ein Symbol? Warum stört es mich, wenn mich zunehmend sozialer Stress umgibt und ich jetzt noch zusätzlichen, “fremden” bekommen soll?

Weil wir anscheinend nicht frei sind? Weil wir beherrscht werden von der Angst vor einem “langweiligen” Leben ohne eigene Verantwortung zeigen zu können? Die Sicht auf die eigene Enge des Herzens nicht zulassen können, weil uns sonst schlecht werden würde, was wir da zu sehen bekämen? Angst vor Arbeitslosigkeit, vor Verlust des Besitzstandes, vor einer “überfremdeten” Welt. Nur haben wir diese Welt nicht schon längst selbst überfremdet? Mit allem möglichen Konsumschrott, der uns eingeredet wird ihn haben zu müssen und den wir uns ja so rechtschaffen erworben haben? (Die “Hersteller” aus den weniger reichen Ländern wollen wir mit ihren Eigenschaften und Eigenarten natürlich nicht bei uns haben, die haben gefälligst das Zeug nur zu produzieren und sich dann wieder heimzuscheren.)

Der Besitz und vor allem das Besitzdenken haben uns ängstlicher und immer ängstlicher werden lassen. Denn nur wer besitzt und viel besitzt, kann auch viel verlieren. Nur definiert sich ein menschlicher Wert tatsächlich über ein Auto, ein Telefon oder eine saubere Wäschetrockenanlage?

Ganz offensichtlich nicht, denn sonst müsste man sich ja auch nicht ideologischer “Krücken” bedienen. (Die zudem einen ganz unangenehmen historischen Beigeschmack haben, denn sonst müsste man sich in der Bürgerinitiative auch nicht sofort wieder lauthals rufend davon distanzieren.)

Diese ideologischen Worthülsen heißen “Identität” und “nationales Bewusstsein”. Nur was wird damit erreicht? Ist man dann stolzer? Glücklicher? Zufriedener? Wenn man mit diesen abstrakten Begriffen Andersartige verjagt? “Die sollen wieder nach Hause.” Aha. Und wer ist danach dran? Die Obdachlosen? Die Flaschensammler in Gohlis? (Die wollen aber keine Moschee bauen.)

Es geht also offensichtlich um das Fehlen von Identität. In der Tat. Nur hat sie nichts mit “Fremden” zu tun. Sondern mit uns Fremdem. Weil wir es nicht sehen wollen: Die eigene Hoffnungslosigkeit, die entsteht, wenn sie nur durch Konsumbesitz und von Angst um dessen Verlust gefüllt ist. Dieser Angst bedienen sich die “echten” Nazis, wissen, dass wir zu wenig bilden, alles ökonomisieren, “ranken” und “durchrechnen” (müssen?). Dass uns Ungerechtigkeit droht, wenn wir nicht “hart” bleiben. An Schwachen und Schwachem die Wut, Aggressionen und Energie abzuarbeiten, loszuwerden, zeugt weder von Stärke noch von Größe eines Volkes. Diese hängt davon ab, den wahren Ungeist in einem selbst zu suchen, in einer Gesellschaft, die Schwache abhängen und nicht begreifen will, dass jeder Mensch das Recht auf Leben und Eigenart hat. Als Gastgeber eines reichen Landes an Kraft, Humanität, Toleranz und Mitmenschlichkeit sollten doch gerade wir in der Lage sein, Vielfalt zu ertragen, Sachlichkeit anzustreben und wahrhaftes Einfühlungsvermögen gegenüber dem Anderen zu entwickeln.

Leipzig steht zudem in dieser Tradition. Wer sich dagegen stellt, nur das Bestehende wahren und verwalten will, wird eines Tages hinweggefegt werden. Auch wenn die Besonnenen, die sich heute fragen, was in unserer ängstlich- so oft kalten Gesellschaft schief läuft, immer weniger zu werden scheinen. Lassen wir es nur so scheinen.

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