Was war das denn wieder für ein Handballthriller? Die Handballer des SC DHfK Leipzig haben in einem mörderisch spannenden Auswärtsspiel beim TBV Lemgo Lippe den ersten Saisonsieg eingefahren.

Nach einer Pausenführung von 10:12 und dem Zwischenresultat von 16:20 für den SC DHfK schlug Lemgo zurück und hatte in einer irren Endphase alle Chancen, ein oder gar zwei Punkte in der heimischen Lipperlandhalle zu behalten. Doch die DHfK-Männer zeigten Krallen und machten mit einer Kampf-, Energie- und Willensleistung den ersten Sieg der Bundesligasaison 2021/22 perfekt.

Cheftrainer André Haber nahm in seiner Startformation im Vergleich zu den ersten beiden Saisonspielen gleich vier Änderungen vor. Lucas Krzikalla kam auf Rechtsaußen zu seinem ersten Einsatz von Beginn an, im Tor stand diesmal Kristian Seaveras zwischen den Pfosten und auf den Halbpositionen im Rückraum setzte der Leipziger Trainer in Lemgo auf Marko Mamic und Gregor Remke. Letzterer markierte auch direkt den ersten Treffer des Tages und brachte Leipzig mit 0:1 in Führung. Auch Krzikalla, Witzke und Gebala trafen, sodass der SC DHfK in den ersten zehn Spielminuten stets mit zwei Toren vorweg marschierte.

Vor knapp 2.000 Zuschauern kamen die Lemgoer jetzt auch immer besser rein ins Spiel. Besonders Torhüter Peter Johannesson drückte dem Match seinen Stempel auf. Der schwedische Keeper wehrte drei Leipzig-Abschlüsse in Folge ab, sodass seine Vorderleute zunächst den Ausgleichstreffer erzielen konnten und nach 17 Minuten mit 8:7 in Führung gingen. DHfK-Chefcoach André Haber nahm prompt eine Auszeit. „Ihr macht das super“, bekräftigte er seine Mannschaft. Einzig die Chancenverwertung wusste der 35-Jährige zu bemängeln.

Die Führung der Hausherren hatte dennoch auch fünf Minuten vor der Halbzeit noch bestand (12:10). Dann legten die Gäste aus Leipzig jedoch einen beeindruckenden Endspurt hin. Mit einem 0:4-Lauf dominierten die DHfK-Männer die Schlussphase des ersten Durchgangs. Marko Mamic erzielte bereits seinen dritten Treffer aus dem Rückraum und Sime Ivic traf mit der Sirene zum 12:14 Halbzeitstand.

Ivic war es auch, der direkt nach Wiederanpfiff den ersten Wurf im Tor versenkte. Der andere kroatische Neuzugang Lovro Jotic war inzwischen ebenfalls in die Partie gekommen und sorgte mit seinem ersten Treffer dafür, dass der SC DHfK weiter mit drei Toren vorn lag (14:17). In eigener Unterzahl – Marko Mamic musste eine Zeitstrafe absitzen – brachte Maciej Gebala Leipzig sogar mit 15:19 in Führung. TBV-Trainer Florian Kehrmann nahm eine Auszeit und sah sich gezwungen, nun alles auf einer Karte zu setzen. Er ließ sein Team nun mit dem 7. Feldspieler und zwei Kreisläufern agieren.

Der TBV Lemgo Lippe kam durch diesem Schachzug tatsächlich nochmal zurück ins Spiel. Zunächst arbeiteten sich die Blau-Weißen von 16:20 auf 19:20 heran. In der 47. Spielminute war es dann passiert. Der Vorsprung der Leipziger war dahin und das Spiel ging beim 21:21 quasi von vorn los.

In der Halle war es nun plötzlich wieder richtig laut und das Momentum lag jetzt eindeutig bei der Heimmannschaft. Obendrein kam bei den Leipzigern noch Pech dazu. Lukas Binder scheiterte an der Unterkante der Latte und Lemgo holte sich die Führung. Die DHfK-Mannschaft, die schon gegen die Füchse Berlin 35 Minuten lang ein großartiges Spiel gezeigt hatte, war drauf und dran, die Partie erneut in der zweiten Hälfte aus der Hand zu geben.
Doch diesmal ließen sich die körperkulturellen Handballer nicht aus der Bahn werfen.

Nach einer Haber-Auszeit nahm Lovro Jotic das Heft in die Hand. Der Neuzugang von Vardar Skopje netzte zum 23:24 und 23:25 – und so waren die ersten Punkte der Saison für den SC DHfK wieder zum Greifen nah. Doch das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Maciej Gebala vergab eine große Gelegenheit aus zentraler Kreisposition und schon stand es wieder 25:25 Unentschieden.

Die Schlussminuten dieser Begegnung hätten durchaus als Werbevideo für einen Hersteller von Herztabletten durchgehen können. Mit 26:26 und Ballbesitz für Leipzig ging es in die letzten 90 Sekunden. Die Grün-Weißen fanden allerdings keine Lücken in der TBV-Deckung. Es drohte der Ballverlust, denn die Schiedsrichter zeigten bereits Zeitspiel an und den Leipzigern blieb nur noch ein einziger Pass.

Doch der 2,03-Meter-Mann Marko Mamic stieg beim Freiwurf höher als alle anderen und katapultierte den Ball zur 26:27-Führung in den Winkel. Der TBV hatte noch 20 Sekunden auf der Uhr, um dem SC DHfK den Auswärtssieg zu entreißen, aber die finale Parade von Joel Birlehm sicherte den Leipzigern den viel umjubelten ersten Sieg der neuen Saison.

André Haber (Trainer SC DHfK Leipzig): „Ich bin natürlich unglaublich froh, dass wir zum ersten Mal in dieser Saison gewonnen haben. Ich finde, dass wir heute ein gutes Spiel gemacht haben. Wir sind gut aus der Kabine gekommen und haben bis zum 20:16 guten Handball abgeliefert. Dann kommt Lemgo auf, steigert sich und plötzlich ist es zum Schluss ein Spiel, dass wieder völlig offen ist und zu 100 Prozent in beide Richtungen kippen kann. Wir haben heute disziplinierter im Angriff gespielt, uns dort Chancen unter Zeitspieldruck erarbeitet, wichtige Tore gemacht und hatten auch an der richtigen Stelle Matchglück.

Ich finde, das war heute auch für die Zuschauer ein schönes Handballspiel mit ein paar handballerisch schönen Kniffen, wie das 7-gegen-6 von Lemgo. Ich kann meiner Mannschaft nur ein Kompliment machen, wie sie heute in der Druckphase reagiert hat, als uns so etwas ähnliches drohte wie zuhause gegen Berlin. Da waren wir heute stabiler und sind nochmal ins Spiel zurückzukommen. Dieser Sieg fühlt sich heute sehr gut an.“

Florian Kehrmann (Trainer TBV Lemgo Lippe): „Wir haben in der ersten Halbzeit nicht so gut ins Spiel gefunden. Wir hätten durch eine bessere Abwehrarbeit und ein paar schnelle Tore das Spiel auf unsere Seite lenken können. Stattdessen kamen wir in so eine ganz komische Phase kurz vor der Halbzeit, wo wir Tore wegschenken und mit einem schlechten Gefühl in die Halbzeit gehen. Da waren wir nicht konsequent genug und haben einige Gegenstoßchancen nicht genutzt. Das rächt sich dann hinten raus. Anfang der zweiten Halbzeit haben wir uns sehr schwer im Angriff getan und konnten keine guten Lösungen finden.

Leipzig zieht auf vier Tore davon und dann war die Entscheidung richtig, ins 7-gegen-6- zu gehen. Am Ende hatten wir sogar noch die Chance, zwei Punkte zu holen – stattdessen müssen wir heute in den bitteren Apfel beißen und stehen mit leeren Händen da. Wir werden daran arbeiten, in den entscheidenden Phasen noch konsequenter zu sein. Jetzt freuen wir uns auf das Abenteuer Europapokal, das wir sehr seriös angehen müssen.“

Spielstatistik:

TBV Lemgo Lippe gegen SC DHfK Leipzig HC Erlangen 26:27 (12:14)

Tore SC DHfK Leipzig: Krzikalla 6, Mamic 4, Gebala 4, Jotic 3, Witzke 3, Remke 2, Ivic 2, Binder 2, Milosevic 1

Tore HC Erlangen: Carlsbogard 7, Guardiola Villaplana I. 5, Guardiola Villaplana G. 4, Timm 3, Zerbe 2, Hutecek 2, Schwarzer 1, Kogut 1, Elisson 1

Siebenmeter: Leipzig 4/4, Erlangen 1/2
Zeitstrafen: Leipzig 4 Min, Erlangen 4 Min
Schiedsrichter: Upanovic, Marijo / Thone, Martin
Zuschauer: 1.957 Zuschauer*innen in der Phoenix Contact Arena

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