Die Universität Leipzig lädt am 30. Mai 2018 zu einem ganz besonderen Gedenktag ein: Genau 50 Jahre nach der Sprengung der Universitätskirche St. Pauli stehen im Paulinum - Aula und Universitätskirche St. Pauli neben einem Gedenk- und Dankgottesdienst auch ein Konzert mit einer Uraufführung sowie ein wissenschaftliches Kolloquium auf dem Programm.

„Dieser 50. Jahrestag der Sprengung der Universitätskirche ist für uns ein ganz besonderer: Wir wollen mit unseren Veranstaltungen aufs Neue zeigen, dass die Alma mater Lipsiensis diesen barbarischen Akt der Zerstörung aus dem Jahre 1968 aufs Schärfste verurteilt. Zugleich bin ich dankbar, dass die Gedenkveranstaltungen erstmals komplett im Paulinum stattfinden können. Dieser Kirche-Aula-Bau hält das Gedenken an die Universitätskirche wach und ist zugleich ein Ort des regen geistigen, musikalischen und geistlichen Universitätslebens“, sagt die Rektorin der Universität, Prof. Dr. Beate Schücking.

Sprengung hat sich „ins kollektive Gedächtnis der Leipziger eingeprägt“

Das Gedenken an die Zerstörung des Gotteshauses und der Dank für den Neubau stehen im Mittelpunkt des Gottesdienstes, der um 10 Uhr beginnt. „Die Sprengung der alten Universitätskirche hat sich in das kollektive Gedächtnis der Leipzigerinnen und der Leipziger tief eingeprägt. Dadurch ist die Seele der Stadt verletzt worden. Dass es nach 50 Jahren eine neue Universitätskirche gibt, bietet die große Chance, diese Verletzung zu heilen“ betont der Erste Universitätsprediger Prof. Dr. Peter Zimmerling.

Er sei dankbar dafür, dass nun wieder Universitätsgottesdienste an ihrem angestammten Ort wie seit 1710 an jedem Sonn- und Feiertag gefeiert werden können. Die Predigt des Dankgottesdienstes hält Landesbischof Dr. Carsten Rentzing. Die musikalische Ausgestaltung übernehmen der Thomanerchor Leipzig unter der Leitung von Thomaskantor Prof. Gotthold Schwarz sowie die Leipziger Universitätskantorei. An der Orgel spielt Universitätsorganist Daniel Beilschmidt.

Amerikanischer Historiker stellt Buch über Sprengung der Universitätskirche vor

Drei Stunden später ist die interessierte Öffentlichkeit zu dem Kolloquium „Von St. Pauli zum Paulinum. Leipzigs Universitätskirche und andere Baudenkmäler in Ostdeutschland zwischen Zerstörung, Rekonstruktion und Reinterpretation“ eingeladen. Organisiert wird es von Prof. Dr. Dirk van Laak vom Historischen Seminar der Universität Leipzig und Prof. Dr. Arnold Bartetzky vom Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa – GWZO.

„Das Kolloquium wirft neue Blicke auf den Zerstörungsakt, dessen historisches Umfeld und die Folgen bis zur Gegenwart. Einen Ausgangspunkt dafür bietet das neue Buch ‚Demolition on Karl Marx Square. Cultural Barbarism and the People’s State in 1968‘, das kürzlich im renommierten US-amerikanischen Verlag Oxford University Press erschienen ist. Der Autor, Prof. Dr. Andrew Demshuk von der American University in Washington D.C., wird in dem Kolloquium seine Untersuchungsergebnisse vorstellen“, erklärt Bartetzky.

Zugleich solle in dem Kolloquium die Zerstörung der Universitätskirche und der Neubau des Paulinums im Kontext vergleichbarer Fälle analysiert werden, bei denen auf unterschiedliche Weise auf die Unterbrechung baulicher und historischer Traditionen reagiert wurde. Diesem Thema widmen sich weitere Vorträge sowie die abschließende Podiumsdiskussion, in der die Referenten über verschiedene Projekte zum Wiederaufbau zerstörter Gebäude wie der Garnisonskirche Potsdam und die von ihnen ausgelösten Debatten diskutieren werden.

Die Organisatoren betonen, dass mit der Veranstaltung nicht alte Wunden aufgerissen werden sollen. Vielmehr gehe es darum, nach der endgültigen Fertigstellung des Paulinums unter Mitwirkung von Experten aus dem In- und Ausland neue Perspektiven auf die Geschichte und Gegenwart dieses für Universität und Stadt zentralen Ortes zu gewinnen. Das Kolloquium ist für alle Interessierten offen. Um Anmeldung per E-Mail (zeitgeschichte@uni-leipzig.de) wird bis zum 21. Mai gebeten.

Uraufführung des Auftragswerks der Stiftung Universitätskirche St. Pauli

Am Abend steht ein Gedenkkonzert auf dem Programm, zu dem Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung einführende Worte sprechen wird. Neben Musik von Johann Sebastian Bach, Bengt Hambreaus, Arvo Pärt und Volker Bräutigam erklingt das Werk „Visionen“ für Sopran, Bass, Chor, Violoncello, Klarinette, Harfe, Schlagzeug und zwei Orgeln von Universitätsorganist Daniel Beilschmidt als Uraufführung.

Das Stück entstand im Auftrag der Stiftung Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig und entwickelt vor dem Hintergrund der Frage, was für ein Ort die Neue Universitätskirche mit ihrer fast 800-jährigen Geschichte heute ist, folgende Themen: Sehnsucht nach Gott, dessen (Nicht-)Sichtbarkeit und Heiligkeit. Die Texte sind der Bibel entnommen: Neben Psalm-Texten wurden ein Spruch des Namenspatrons Paulus, Jesu Wort zur Feindesliebe, eine Szene aus der Offenbarung und das Sanctus vertont.

„Es ist ein Ausblick auf das, was eine Kirche will: verbinden mit Gott, einen Ort bieten, der die Diskrepanz der Nichtsichtbarkeit überbrückt – die Kirche als Ort der Sehnsucht und der Anbetung“, sagt Beilschmidt. Er bezieht, wie Hambraeus in seinem „Kyrie und Sanctus“ beide Orgeln im Paulinum ein, um eine Raummusik zu entwerfen.

Bei dem Gedenkkonzert, das unter der Leitung von Universitätsmusikdirektor Prof. David Timm steht, sind außerdem der Leipziger Universitätschor sowie Vokal- und Instrumentalsolisten zu hören. Die Konzertkarten für fünf Euro sind in der Musikalienhandlung Oelsner, bei Culton Tickets und in der Ticketgalerie in der Hainstraße erhältlich.

 

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar