Das Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide ist seit Mittwoch (23.8.) Wildnisgebiet nach den Kriterien der internationalen Naturschutzorganisation IUCN. Damit hat es als erstes Gebiet in Deutschland dieses Prädikat verliehen bekommen. Sachsens Umweltminister Wolfram Günther nahm die Anerkennungsurkunde am Mittwoch (23.8.) aus der Hand des IUCN-Vertreters Dr. Eick von Ruschkowski in Königsbrück entgegen.

Die IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) würdigt mit der Auszeichnung vor allem, dass rund 80 Prozent des über 7.000 Hektar großen Schutzgebiets der natürlichen Entwicklung überlassen bleibt.

Umweltminister Günther sprach von einem Meilenstein in den jahrelangen Bemühungen. „Dass die Königsbrücker Heide jetzt als Wildnisgebiet ausgewiesen ist, ist ein Riesenerfolg für die Natur und für die Menschen in der Region. Ein Wildnisgebiet in einem dichtbesiedelten Land ist keine Selbstverständlichkeit. Die Königsbrücker Heide ist ein einzigartiger ökologischer Schatz.

In Zeiten von globalem Artensterben und Lebensraumverlust ist das unbezahlbar. Hier kann Natur Natur sein, hier haben unzählige Arten wichtige Rückzugsräume. Außerdem können wir von der Wildnis und ihrer natürlichen Dynamik lernen, wie wir anderswo Arten retten können. Und wir fördern in der Königsbrücker Heide, das Naturerleben, die Umweltbildung und die regionale Entwicklung. Denn das Wildnisgebiet wird auch Besucherinnen und Besucher anziehen.

Der Erfolg der Anerkennung durch die IUCN hat viele Mütter und Väter. Mein Dank geht an alle, die in den letzten Jahren daran mitgewirkt haben – angefangen von der unteren Naturschutzbehörde über die Schutzgebietsverwaltung vor Ort bis hin zum Bundesamt für Naturschutz. Besonderer Dank gebührt jedoch dem Naturschützer Heinz Kubasch. Er hat sich zu seinen Lebzeiten umtriebig und unermüdlich auch für den Schutz und die weitgehend natürliche Entwicklung des ehemaligen Truppenübungsplatzes stark gemacht.“

Der Vertreter der IUCN, Dr. Eick von Ruschkowski, gratulierte im Namen der internationalen Organisation und betonte: „Die Königsbrücker Heide zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Entwicklung von einem Militär- in ein Wildnisgebiet aus, Die Auszeichnung der Königsbrücker Heide als IUCN-Wildnisgebiet Kategorie Ib stellt ein Novum für die Bundesrepublik dar und bringt internationale Anerkennung nach Sachsen.

Sie spiegelt nicht nur wider, dass wir als Gesellschaft in der Lage sind, der Natur auch etwas zurückgegeben, was wir vorher sprichwörtlich verwüstet haben, sondern auch, dass Naturschutz einen langen Atem braucht, weil natürliche Prozesse Jahrzehnte oder noch längere Zeitperioden in Anspruch nehmen.“

Dr. Romy Reinisch, Beigeordnete des Landratsamtes Bautzen, erläuterte: „Ich freue mich sehr, dass wir es geschafft haben, die Rechtsverordnung für das Naturschutzgebiet an die hohen Anforderungen einer internationalen Schutzkategorie anzupassen und ich diese unterzeichnen durfte. Auch hoffe ich, dass das erste großflächige Wildnisgebiet in den neuen Bundesländern dem Naturschutz nicht nur in unserem Landkreis eine höhere Akzeptanz verleiht.“

Kriterien für Wildnisgebiete nach IUCN-Kategorie Ib sind:

  • die Größe des Schutzgebietes, um Ökosysteme in ihrer Gesamtheit zu schützen,
  • das Erfordernis, natürliche Prozesse ungestört ablaufen zu lassen und menschliche Eingriffe zu vermeiden,
  • das Fehlen von Siedlungen oder Infrastrukturen (abgesehen von kleinen Maßnahmen der Besucherlenkung), also der Verzicht auf Beton und Asphalt.

Wesentlich für die Auszeichnung der Königsbrücker Heide war zudem, dass eine gerade im mitteleuropäischen Maßstab große Fläche im Umfeld wenig Infrastruktur aufweist und somit über eine Pufferzone verfügt. Wichtig war auch der Rückbau der Infrastrukturen und die Erstellung einer NSG-Verordnung, die natürlichen Prozessen freien Lauf lässt und menschliche Eingriffe minimiert.

Besucherinnen und Besucher werden mehrere Möglichkeiten geboten, die Wildnis und ihre Entwicklung vor Ort zu erleben. Genannt seien Themenpfade wie der Biberpfad oder die Heidepfade und Aussichtsmöglichkeiten. Die „Wildnisstation“ dient der Durchführung kleinerer Veranstaltungen sowie als Stützpunkt für Juniorranger. Die Schutzgebietsverwaltung bietet außerdem geführte Wanderungen und Bus-Exkursionen ins Gebiet an. Auch diese Aspekte waren für die Anerkennung durch die IUCN wichtig.

Das Wildnisgebiet Königsbrücker Heide liegt etwa 30 km nördlich von Dresden und gehört naturräumlich zum Oberlausitzer Heideland. Es ist geprägt durch eine große biologische Vielfalt, die unter anderem auf einem Wechsel von sehr trockenen und sehr feuchten Standorten und Lebensräumen basiert.

Daraus resultiert ein großer Reichtum an teils seltenen Tier- und Pflanzenarten wie Biber, Fischotter, Seeadler, Bekassine, Grauspecht und Rotbauchunke sowie eine Vielzahl an totholzbewohnenden Käferarten, natürliche Eichenmischwälder auf Sandebenen, Schwarzpappeln oder Unterwasservegetation mit bundesweiter Bedeutung. Als ehemaliger Truppenübungsplatz ist die Fläche ein gutes Beispiel einer „sekundären Wildnis“, die sich auf durch Menschen stark beeinflussten Standorten entwickelt.

Die Königsbrücker Heide wurde 1992 als Naturschutzgebiet einstweilig gesichert und 1996 als solches festgesetzt. Nach Neufassung der Schutzgebietsverordnung durch den Landkreis Bautzen (2022) umfasst es eine Fläche von 7.036 Hektar. Rund 99 Prozent der Fläche befindet sich im Eigentum der öffentlichen Hand. Von 1907 bis 1992 wurde die Königsbrücker Heide intensiv als Truppenübungsplatz genutzt. Infolgedessen ist das Gebiet noch heute unter anderem durch Munitionsrückstände belastet.


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