„Cities for Life“ ist ein weltweiter Aktionstag, der sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt. Er findet jedes Jahr am 30. November statt. Dieser Tag wurde gewählt, weil am 30. November 1786 das Großherzogtum Toskana als erster Staat der Welt Folter und Todesstrafe für abgeschafft erklärte.

In Leipzig befand sich ab 1960 die zentrale Hinrichtungsstätte der SED-Diktatur in der alle DDR-weit ausgesprochen Todesurteile vollstreckt wurden. Die letzte bekannte Vollstreckung fand am 23. Juni 1981 an Dr. Werner Teske statt, Ende Dezember 1987 wurde die Todesstrafe aus dem Strafgesetzbuch der DDR gestrichen. Damit endete die fast 500-jährige Geschichte der ununterbrochenen Anwendung der Todesstrafe auf deutschem Boden.

Neben fast 300 weiteren Städten beteiligt sich auch die bayrische Stadt Hof am „Cities for Life“-Tag: Am 30. November 2023 um 18 Uhr wird im Sitzungssaal des Rathauses in Hof der MDR – Film „DDR geheim: Die zentrale Hinrichtungsstätte in Leipzig“ gezeigt. Anschließend spricht Tobias Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, über die Todesstrafe in der DDR und die Abläufe der Hinrichtungen in Leipzig, sowie die politische Instrumentalisierung dieser Strafart durch die SED-Diktatur.

Seit 2002 wird der Aktionstag der „Cities for Life“ mit Veranstaltungen zur Sensibilisierung der Zivilgesellschaft durchgeführt, um eine Kultur zu stärken, die das menschliche Leben auch in schwierigen Umständen achtet. Diese weltweit größte Mobilisierung von Städten möchte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Menschenrechte und den Wert des Lebens lenken.

Dies erscheint in unserer Zeit von besonderer Wichtigkeit, die von zahlreichen Kriegen und Terrorismus geprägt ist, wie wir es gerade auch in diesen Wochen erleben. In Krisenzeiten benötigen die Menschenrechte besondere Unterstützung. Allzu oft werden sie vernachlässigt und anderen Prioritäten wie beispielsweise der Sicherheit untergeordnet. Umso größere Bedeutung hat der internationale Aktionstag der „Cities for Life“.

In Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren fast 300 Städte dem Aktionstag angeschlossen (viele Großstädte wie Berlin, Hamburg, Stuttgart, Bremen, Leipzig, Schwerin, Rostock, Nürnberg, Düsseldorf, Frankfurt, Dortmund, Würzburg neben zahlreichen kleineren Städten). Unterschiedliche Aktionen werden gestaltet, z.B. eine besondere Beleuchtung bekannter Gebäude, Dichterlesungen, Begegnungen mit Zeugen, Projekte in Schulen etc.

Die Gemeinschaft Sant`Egidio ist eine christliche Laienbewegung in ca. 70 Ländern der Welt, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt. Seit 1998 engagiert sie sich gegen die Todesstrafe und setzt sich mit der World Coalition against Death Penalty für ihre universale Abschaffung ein. Sie hat mit anderen Organisationen 2002 die Aktion „Citites for Life – Städte für das Leben/Städte gegen die Todesstrafe“ ins Leben gerufen.

Auch die Abschaffung zeigt den willkürlichen Umgang der SED-Führung mit der Todesstrafe

Mit Verabschiedung eines Staatsratsbeschlusses am 17. Juli 1987 galt die Todesstrafe in der DDR als abgeschafft. Ihr Ende stand im Zusammenhang mit Erich Honeckers Visite in Bonn bei Helmut Kohl im September 1987. Honecker wollte dieses erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen nutzen, um die internationale Anerkennung der DDR als eigenständigen Staat weiter auszubauen. Der Verzicht auf die Todesstrafe sollte dies propagandistisch unterstützen.

Laut DDR-Verfassung war zur Abschaffung der Todesstrafe aber ein Beschluss der Volkskammer zur Änderung des Strafgesetzbuches nötig gewesen. Da dieser jedoch in der Kürze der Zeit nicht mehr herbeizuführen war, die SED aber den Propagandaeffekt des Verzichts auf die Todesstrafe im Vorfeld des Staatsbesuches unbedingt wollte, erließ sie einen entsprechenden Staatsratsbeschluss.

Dies hatte zwar keinerlei rechtliche Wirkung, diente der Führung des SED-Staates aber als Grundlage, offiziell das Ende der Todesstrafe zu verkünden. Die auch juristisch wirksame Änderung des Strafgesetzbuches der DDR durch die Volkskammer kam erst Ende Dezember 1987, lange nach dem Besuch Honeckers in der Bundesrepublik, zustande.

So zeigt selbst die Abschaffung der Todesstrafe im Juli 1987 – die auch nach DDR-Recht verfassungswidrig war – dass die SED-Führung über diese Strafart nach politischem Gutdünken verfügte.

Zentrale Hinrichtungsstätte der DDR befand sich fast 30 Jahre in Leipzig

Während in der Bundesrepublik die Todesstrafe 1949 mit dem Grundgesetz abgeschafft wurde, hielt das SED-Regime an dieser letzten aller möglichen Strafen bis 1987 fest. In der Leipziger Südvorstadt befand sich ab 1960 die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR. In einem streng abgetrennten Teil der Strafvollzugseinrichtung Alfred-Kästner-Straße wurden alle im Land ausgesprochenen Todesurteile unter absoluter Geheimhaltung vollstreckt.

Heutigen Erkenntnissen zufolge kamen hier 64 Menschen zu Tode. Nach Gründung der DDR waren Todesurteile zunächst dezentral in Hoheit der Länder und ab 1952 zentral in Dresden am Münchner Platz vollstreckt worden. Abgeschafft wurde die Todesstrafe erst 1987.

In Leipzig fanden die Hinrichtungen zunächst mittels Guillotine statt. Ab 1968 wurden sie per unerwartetem Nahschuss ins Hinterhaupt vollzogen. Anwesend war jeweils nur ein kleiner Kreis eingeweihter Personen. Die Leichname brachte man zur Einäscherung ins Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof, wo sie anonym als „Anatomieleichen“ verzeichnet und beigesetzt wurden.

Todesurteile konnten in der DDR wegen Mordes, NS-Verbrechen sowie verschiedener Straftaten im Bereich Staatsverbrechen / Wirtschaftsverbrechen / Wirtschaftsspionage ausgesprochen werden; oft waren die Tatvorwürfe aber manipuliert.

Die Frage nach der Schuld der Hingerichteten relativiert sich angesichts der Tatsache, dass sie Opfer von nicht rechtsstaatlichen Verfahren wurden, in denen das Urteil praktisch von Anfang an feststand. Die SED hatte entscheidenden Einfluss auf den Prozess und das Strafmaß. Selbst die Totenscheine wurden gefälscht und verschleierten die wahre Ursache und den Ort des Ablebens.

Bürgerkomitee plant justizgeschichtlichen Erinnerungsort mit moderner Dauerausstellung

Das Bürgerkomitee Leipzig e. V. setzt sich als Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ seit Mitte der 1990er für den Erhalt der ehemaligen Zentralen Hinrichtungsstätte als Erinnerungsort ein. So erreichte der Verein, dass der ehemalige Hinrichtungsort nach dem Auszug der JVA im Jahr 2001 unter Denkmalschutz gestellt und dieser Gebäudeteil erhalten wurde.

Im Jahr 2002 übertrug das sächsische Kabinett dem Staatsministerium der Justiz die Aufgabe, diesen zeitgeschichtlichen Ort zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sowie seine Geschichte zu erforschen und darzustellen. Das Justizministerium übertrug diese Aufgabe dem Bürgerkomitee Leipzig, dass seitdem umfangreiche Forschungsarbeiten zur Aufarbeitung der Todesstrafe in der DDR und den Hinrichtungen in Leipzig geleistet hat. Unterstützt wurde es dabei vor allem durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien im Rahmen eines Forschungsprojektes.

Außerdem erarbeitete der Verein ein umfangreiches inhaltliches und räumliches Konzept zum Erhalt der ehemaligen Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR als einen justizgeschichtlichen Erinnerungsort. Ziel ist es, neben dem Erhalt der originalen Räumlichkeiten eine entsprechende moderne Ausstellung zum Thema zu erarbeiten und die dafür notwendigen Flächen vorzurichten.

Auf Basis dieses Konzeptes hatte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien die hälftige Finanzierung bereits 2013 grundsätzlich zugesagt. Mit der Verabschiedung des Sächsischen Doppelhaushaltes 2017/2018 sind auch die notwendigen Haushaltsmittel des Freistaates erstmals bereitgestellt worden.

Förderung muss endlich möglich werden

Vonseiten des Bürgerkomitees als Projektträger wurden alle Voraussetzungen geschaffen, die bis zum jetzigen Stadium möglich waren.

Es müssen nun dringend die koordinierenden Gespräche zwischen den beteiligten Sächsischen Staatsministerien (SMF, SMJ und SMWKT) und der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) sowie dem Projektträger Bürgerkomitee Leipzig e.V. weitergeführt werden um endlich die beantragte Teilbewilligung der Planungsmittel (die im Landeshaushalt zur Verfügung stehen) als zentrale Grundlage für die Weiterführung des von allen Beteiligten als wichtig eingeschätzten Projektes auf den Weg zu bringen.

Wenn die Projektumsetzung im nächsten Jahr endlich startet, könnte die letzte Hinrichtungsstätte auf deutschem Boden zum 40. Jahrestag der endgültigen Abschaffung der Todesstrafe als authentischer Ort mit entsprechend moderner Ausstellung eröffnet werden.

Gerade in Zeiten, in denen offen die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert wird und selbst Minderjährige hingerichtet werden, ist eine Auseinandersetzung mit diesem Thema höchst aktuell und dringend notwendig. Der authentische Ort in der Leipziger Südvorstadt wird mit seiner Ausstellung einen zentralen Beitrag in dieser Diskussion leisten und viele Argumente zeigen, die belegen, wie wichtig es ist, diese unmenschliche Bestrafungsart weltweit endgültig abzuschaffen.

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