Am Wochenende machte Leipzigs Kulturbürgermeister gleich über zwei Zeitungen mobil: Über LVZ und BILD wurde die Kritik am nun im Ruhestand befindlichen Direktor des Naturkundemuseums Rudolf Schlatter lanciert, er hätte nicht genug Gelder eingeworben und damit auch nicht genug für die Aufwertung des Museums getan.

Kryptisch nennt die LVZ seine Aussage: “Der jetzige Zustand unseres Museums ist immer im Zusammenhang mit einer Personalie der Direktorenschaft zu sehen.” Sie zitiert aber auch den Grünen-Stadtrat Wolfram Leuze, der daran erinnert, dass die Kulturbürgermeister Girardet und Faber die Gelder fürs Naturkundemuseum immer wieder gekürzt haben. Was nicht erwähnt ist: Über zehn Jahre lang ist Schlatter mit seinen Plänen für eine Sanierung und den notwendigen Umbau des alten Naturkundemuseums hausieren gegangen. Die Pläne lagen die ganze Zeit im Kulturdezernat, Jahre bevor dieses sich genötigt sah auf Druck des Stadtrates endlich einen Masterplan zu erarbeiten, der dann im Sommer 2013 gar nicht öffentlich werden sollte.

Warum nicht, das war schnell zu lesen in diesem Papier, das gleich reihenweise Lösungen vorschlug, die nicht umsetzbar sind. Und mit dem ehemaligen Bowlingtreff gar einen Standort favorisierte, der für klimatechnisch sensible Ausstellungen völlig ungeeignet ist.

Dass nun gleich über zwei Zeitungen ausgerechnet gegen den so lange erfolglos bettelnden Museumsdirektor geschossen wird, findet logischerweise der Förderverein des Naturkundemuseums völlig daneben. Ein Ablenkungsmanöver sei das. Erst im Januar musste Michael Faber öffentlich im Stadtrat Rede und Antwort stehen. Und zwar zu seinem eigenen Anteil am Thema Naturkundemuseum.

Die Antwort von Kulturbürgermeister Faber auf unsere Einwohneranfrage vom Januar zu den vertiefenden Untersuchungen und einen gerechten Standortvergleich mache den skandalösen Umgang des Kulturdezernats mit dem Naturkundemuseum offensichtlich, stellt der Vorstand des Förderverein nun in einer recht deutlichen Stellungnahme fest.

“Leider wurde unsere für die Zukunft des Leipziger Naturkundemuseums so wichtige Einwohneranfrage vom Januar aus Zeitgründen nicht mündlich vor den Stadträten beantwortet”, stellt der Vorsitzende des Fördervereins Dr. Michael Hardt unbefriedigt fest. “Wir finden die Antwort des Kulturdezernates mehr als enttäuschend, weil sie so gut wie keine unserer Fragen beantwortet und erkennen lässt, dass für die vielfältigen bautechnischen und raumklimatischen Probleme des Bowlingtreffs bei der Verwaltung überhaupt kein Problembewusstsein existiert. Besonders sprachlos macht uns die Antwort von Herrn Faber: “Mit der Beauftragung eines Masterplanes, in welchem umfangreiche Untersuchungen des Standortes ‘Bowlingtreff’ erfolgten, wurde vorausgesetzt, dass die Wasserproblematik keine Gefahr für eine museale Nutzung darstellt, sonst wäre dieser Standort nicht in der Betrachtung gewesen.”

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“Welche Qualifizierungen zeichnen denn Herrn Faber aus, dass er so eine schwerwiegende Entscheidung gegen jeglichen fachlichen Rat trifft?”, fragt erbost der stellvertretende Vereinsvorsitzende Peter Täschner. “Bereits am 24.06.2011, deutlich vor der Beauftragung des Masterplanes, haben bei einer gemeinsamen Besichtigung des Bowlingtreffs mit Vertretern des Fördervereins und Mitarbeitern des Naturkundemuseums sowohl Mitarbeiter als auch bausachverständige Vertreter unseres Vereins nachdrücklich auf diese schwerwiegende Problematik des im Bowlingtreff stehenden Wassers, der feuchten, von Ausblühungen gekennzeichneten, Wände und der Schimmelgefahr hingewiesen. Dass Herr Faber diese Probleme vorsätzlich ignoriert, ihre Untersuchung nach seinen eigenen Aussagen offensichtlich verweigert und seitdem mit allen Mitteln versucht, den ehemaligen Bowlingtreff als einzige Zukunftslösung für das Naturkundemuseum zu verkaufen, ist ein Skandal. Aber aus dem Prozess der Erarbeitung des Masterplanes wurden wir ja mit allen Mitteln durch das Kulturamt ausgegrenzt.”

Die wirklich brisanten Fragen hat der Masterplan allesamt ausgelassen. Für die Suche nach einem Museum mit wertvollen Beständen mehr als seltsam. Aber genau mit solchen “Masterplänen” entstehen dann all jene seltsamen Großprojekte, bei denen die Bauherren erst nach Unterschrift aller Verträge feststellen, dass man ein paar “Kleinigkeiten” dummerweise vergessen hat. Zwar geht jetzt erst einmal “nur” der Förderverein an die Decke. Aber die Kosten muss am Ende der Leipziger Bürger zahlen.

“Wir haben ein Problem, im bisher veröffentlichten Entwurf des Masterplanes zu erkennen, welche ‘umfangreichen Untersuchungen des Standortes ‘Bowlingtreff” bisher erfolgt sind, wie Herr Faber behauptet. Vielmehr verweist der Masterplan im Fall Bowlingtreff auf viele noch zu untersuchende bautechnische Fragen”, stellt Michael Hardt fest. “Nach Ausführung von Herrn Faber wurden aber bisher neben der Sichtung alter Unterlagen nur Erschütterungs- und Schallmessungen durchgeführt. Damit fehlen weiterhin fast alle notwendigen Untersuchungen zur Eignung des Bowlingtreffs.”

Eine Kostenermittlung auf einer derart mangelhaften Basis sei auch bloß nichts wert, so Hardt. Aber gerade mit den notwendigen Investitionssummen wurde im Masterplan schon fleißig jongliert. Gerade so, als habe man das 150-Seiten-Papier nur geschrieben, um einen Umbau des jetzigen Museumsgebäudes möglichst teuer und unbezahlbar erscheinen zu lassen.

“Um die Diskussion sachlich weiter führen zu können, werden wir allen Stadträten eine von uns kommentierte Antwort der Einwohneranfrage zur Verfügung stellen”, sagt Dr. Hardt. Die kommentierte Einwohneranfragen finden Sie am Ende dieses Artikels. “Wir teilen allerdings die Meinung von Dr. Thielemann aus Rom, dass trotz endloser Untersuchungen und immenser Investitionen der Bowlingtreff nie für ein Naturkundemuseum geeignet sein wird und früher oder später durch Feuchte- und Schimmelschäden zum Grab des Leipziger Naturkundemuseums wird. Wir appellieren eindringlich an alle Stadträte, den Irrweg mit dem Bowlingtreff als zukünftiges Naturkundemuseum endlich zu verlassen. Suchen Sie eine andere Nutzung für den Bowlingtreff und gemeinsam mit uns eine oberirdische Lösung für ein modernes Leipziger Naturkundemuseum!”

www.förderverein-naturkundemuseum-leipzig.de
Der Wassereinbruch in Chemnitz als PDF zum download.

Die kommentierte Einwohneranfrage als PDF zum download.

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